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Einen ungefilterten Eindruck der eigenen Organisation erhalten: Inspiration von Shakespeare’s „Henry V“

Es ist schwierig einen ungefilterten Eindruck einer Situation zu bekommen, wenn man sich durch Statusunterschiede vom Rest der Organisation unterscheidet. Unmöglich sogar, wenn man bedenkt, dass die eigene Wahrnehmung immer verzerrt ist — einige Aspekte betont und andere (teilweise) ausblendet.

Aber schauen wir in diesem Posting einmal auf die Schwierigkeit, einen Eindruck unabhängig vom eigenen Status zu bekommen.

Ein schönes (fiktives) Beispiel ist hier Shakespeare’s „Henry V“. Vor der Schlacht von Agincourt mischt sich der König anonym unter seine Truppen um deren Stimmung besser einschätzen zu können — und um herauszufinden, was diese wirklich über ihm denken. Mit diesen Informationen gewappnet liefert er am nächsten Tag eine ergreifende Rede und seine Armee gewinnt die Schlacht.

Sicherlich, dies ist eine fiktionale Version, und die Realität hatte mehr mit dem englischen Langbogen und dem Wetter bzw. dem Terrain zu tun. Aber die Idee ist eine Überlegung wert. Insbesondere wenn man bedenkt, dass das „unter die Truppen mischen“ online wesentlich einfacher ist als offline.

Um es gleich vorweg zu nehmen — es geht hier nicht um Cyberstalking oder das Ausspionieren von Mitarbeiter/innen. Und ja, Organisationen und nicht-berufliche Postings sind oft negativ besetzt. Kein Wunder, wenn Personen wegen Postings oder Tweets gefeuert werden oder erst gar nicht eingestellt werden. (Auch wenn in diesen Fällen die Postings/Tweet möglicherweise eher die Begründung als die Ursache für die Kündigung waren.)

Es geht hier auch nicht darum, mit Marktanalysen oder Mitarbeiterbefragungen zu konkurrieren. Diese haben weiterhin ihren Platz — eben weil sie nicht auf Einzelfällen basieren und (hoffentlich) wissenschaftlichen Standards folgen. Aber bei solchen Befragungen und Untersuchungen wissen die Personen oft, dass sie untersucht werden — und die Ergebnisse werden zusammengefasst/gefiltert weitergegeben.

Statt dessen geht es hier um einen Eindruck der eigenen Organisation via öffentlicher Plattformen: Wie es in der Organisation aussieht, wie die Stimmung ist, etc.

Für Führungskräfte, die „von der Basis“ recht weit entfernt sind, ist es vielleicht … augenöffnend, sich die Diskussionen über die eigene Organisation auf öffentlichen Plattformen einmal ungefiltert anzusehen. (Insbesondere einigen Politiker/innen wäre so etwas sehr zu empfehlen, anstatt z.B. Kampagnen gegen „hate speech“ zu unterstützen, die vermutlich mehr schaden als nützen. Aber das ist etwas für ein anderes Posting.)

Und ja, es gibt Risiken hierbei — zusätzlich zu möglichen ethischen und rechtlichen Aspekten:

Die Einblicke dürfen nicht in Cyberstalking ausarten oder anderweitig missbraucht werden. Fokus sollte die Organisation sein, nicht die Person, die kritische oder sogar respektlose Aussagen tätigt. Sich hier zurückzuhalten ist nicht einfach — selbst wenn man bedenkt, dass die Aussagen nicht im beruflichen Kontext passiert sind.

Und natürlich ist es verlockend, positive Kommentare zu belohnen und negative zu bestrafen. Aber das würde langfristig ein Klima schaffen, in dem nur positive Aussagen getätigt werden. Und was man eigentlich will (wollen sollte) ist, ungefilterte Eindrücke zu bekommen. Wenn man dem Eindruck der Organisation nicht zustimmt, dann sollte man die Ursachen identifizieren, nicht die Person selbst bestrafen. Idealerweise weiß man also nur, dass die Person für die Organisation tätig ist, nicht wer diese Person genau ist. Ansonsten ist Diskretion angesagt — nicht einfach, wenn man etwas über eine Person weiß, auf das man aber nicht reagieren darf.

Ein weiteres Problem ist die Generalisierbarkeit der Aussagen. In wie fern spiegeln die Personen, die man sich online angesehen hat, den Eindruck der Organisation insgesamt wieder? Die Eindrücke sollten also mit Vorsicht genossen werden, zumal gerade negative emotionale Reaktionen Ausdruck einer kurzzeitigen Unzufriedenheit darstellen können.

Trotz der Risiken macht es vermutlich aber Sinn, sich einmal direkt auf öffentlichen Plattformen umzusehen. Aber ich mag mich irren. Falls es jemand ausprobiert hat, mich würden Ihre Eindrücke interessieren.

Bildnachweis: William Shakespeare [Public domain], via Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AFirst_Folio%2C_Shakespeare_-_0422.jpg