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Ein kurzer Check-In zu Beginn: Warum hat eine kleine Frage solch große Wirkung?

Dieser Beitrag widmet sich gezielt der Frage, warum ein Check-In sehr gut investierte Zeit ist.

„Stellt Euch vor, Ihr findet in Eurem alten Schreibtisch eine geheime Schublade. Was ist drin?“ Diese Frage stellte ich neulich zu Beginn einer Veranstaltung als kurzen Check-In. Mir waren im Vorfeld allerhand Dinge eingefallen, wie Liebesbrief, Schatzkarte, ein Schlüssel oder ein Tagebuch. Doch gleich die erste Antwort überraschte mich komplett: „Die Schublade ist leer.“ Auf diese Idee wäre ich niemals gekommen. Sie?

Nun arbeiten Sie vielleicht in einem Umfeld, in dem es undenkbar wäre, so etwas wie ein Check-In einzuführen. Sie könnten auf Ablehnung und Skepsis bei den KollegInnen treffen: „So eine Zeitverschwendung!“ oder „Ich bin doch nicht zum Plaudern hier!“ oder „Was hat denn das mit unserem Projekt zu tun?“ Dieser Beitrag widmet sich gezielt der Frage, warum ein Check-In sehr gut investierte Zeit ist.

Was ist die Check-In Methode?

Bei der Check-In-Methode nehmen sich alle TeilnehmerInnen eines Meetings zu Beginn einen Moment Zeit, um „einzuchecken“ und im Meeting anzukommen, indem alle eine bestimmte Frage beantworten. Zum Beispiel:

  • Wenn Du eine Batterie wärst, wie geladen wärst Du heute?
  • Was hat Dir in dieser Woche besonders viel Spaß gemacht?
  • Worüber hast Du zuletzt herzlich gelacht?

Das Ganze sollte nur wenige Minuten in Anspruch nehmen. Wichtig ist, dass dabei alle zu Wort kommen und sich einbringen – wobei niemand unter Druck gesetzt werden sollte, etwas zu sagen.

In welchen Kontexten macht die Check-In Methode Sinn?

Die Check-In Methode ist nicht neu und hat ihren Ursprung in agilen Teams. Doch ein Check-In kann seine Wirkung auch außerhalb agiler Arbeitswelten entfalten – sei es in Workshops, der wöchentlichen Team-Besprechung oder im Teambuilding. 

Besonders im digitalen Raum ist es wichtig, sich die Zeit für Small Talk zu nehmen. In Online-Meetings geht häufig das Zwischenmenschliche verloren, weil wenig Zeit bleibt, sich über persönliche Hintergründe auszutauschen. Anders als in Präsenzmeetings ist man in digitalen Meetings nur einen Klick entfernt vom letzten Gespräch und hat kaum Gelegenheit die gerade erlebte Situation hinter sich zu lassen und sich auf die nächste zu fokussieren.

Auch im Lernkontext wie in Trainings oder Seminaren bietet sich ein Check-In an, um das Energielevel von Beginn an hochzuhalten. Ich setze Check-Ins sogar in meinen Vorlesungen ein (mit maximal 12 TeilnehmerInnen). Danach sind die Studierenden wacher und somit besser bei der Sache, wenn sie zuvor schon mal kräftig gelacht oder sich kreative Antworten ausgedacht haben: 

  • Wenn Du ein Kuchen wärst, welcher wäre das und warum?
  • Wo wärst Du jetzt gern? Und warum?
  • Welche Superkraft hättest Du gerne?

Welche Fragen eignen sich?

Die Frage, die alle beantworten sollen, kann mit dem Thema des Meetings oder Workshops in Zusammenhang stehen (z.B. „Was sind Deine Erwartungen an den heutigen Workshop?“), muss aber nicht. Die Frage sollte leicht zu beantworten sein und nicht zu persönlich werden. Ideal sind Fragen, die einen gewissen Spielraum lassen, wie viel jeder von sich preisgeben will. 

Eine Frage wie “Wie fühlst Du Dich heute?” kann helfen, einen offenen und unterstützenden Raum für Austausch zu schaffen. Die Frage “Mit welchen Herausforderungen bist Du in letzter Zeit konfrontiert?” kann dazu beitragen, einen Raum für Problemlösungen zu eröffnen. Check-ins sollten allerdings nicht genutzt werden, um Kritik oder Feedback zu geben. Hierfür gibt es besser passende Formate. Hier sind ein paar weitere Ideen für Fragen:

  • Mit wem würdest Du gerne mal einen Tag lang Dein Leben tauschen?
  • Welche Idee, von der Du gehört oder gelesen hast, hat Dich inspiriert?
  • Welchen Namen würdest Du wählen, wenn Du Deinen verändern dürftest?
  • Wenn Du mit einer Person Deiner Wahl zu Mittag essen könntest, wen würdest Du wählen? 
  • Was ist Dir in letzter Zeit durch den Kopf gegangen?
  • Wann hast du zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht? Was war das?
  • Worauf freust du dich in dieser Woche besonders?
  • Was tut dir gut, wenn du gestresst bist?
  • Welches Buch liest Du gerade?
  • Wenn du in eine andere Zeit reisen könntest: Welche wäre das?

Es lohnt sich, sich im Vorfeld gut zu überlegen, welche Art von Frage zur Gruppe und deren Situation passt. Zum einen macht es einen Unterschied, ob es sich um ein Team oder eine Gruppe handelt. Eine Gruppe ist ein eher loses Gefüge. Die Mitglieder werden sich vermutlich nicht oft wiederbegegnen (z.B. bei einer eintägigen externen Weiterbildung). Ein Team hingegen ist längerfristig voneinander abhängig, weshalb die Teambindung intensiver ist. Entsprechend darf eine Check-In Frage bei einem Team auch tiefer gehen. 

Für ein neu zusammengestelltes Team ist ein Check-In besonders wertvoll, weil sich dabei alle besser kennenlernen können. Allerdings sind dann zu persönliche und emotionale Check-Ins eher unpassend. Doch auch für Teams, die schon länger zusammenarbeiten, können Check-Ins einen Mehrwert bringen.

Für eine Stimmungsabfrage nach Gefühlen ist das Mood Meter zu empfehlen. Hier sucht sich jeder Teilnehmende einen von 16 vorgegebenen Gemütszuständen aus, der am besten die eigene aktuelle Stimmungslage beschreibt (z.B. dankbar, heiter, energetisch, begeistert, ausgelaugt, entmutigt, frustriert, aufgewühlt) und erklärt kurz, wie es dazu kommt. Neben rein sprachlichen Check-Ins können auch Bilder verwendet werden – wie zum Beispiel die Gefühlsmonster oder Mood Bilder mit Menschen, Tieren oder Landschaften. Ich verwende auch gerne das Bild vom Energieglas:

Dieser Beitrag widmet sich gezielt der Frage, warum ein Check-In sehr gut investierte Zeit ist.

Welchen Mehrwert bringt die Check-In Methode?

1) Stärkere Fokussierung

Ein Check-in lässt ablenkende Gedanken und Sorgen automatisch in den Hintergrund treten und macht den Kopf frei.Das Vorherige kann man dann leichter hinter sich lassen und gedanklich präsent im Hier und Jetzt sein.

2) Aktivierung

Dadurch, dass alle gleich zu Beginn aktiv einbezogen werden, bricht das Eis. Die Scheu einzelner Teilnehmenden, etwas beizutragen, sinkt und die Aktivität und Interaktion im Meeting steigen.

3) Gegenseitiges Kennenlernen

Die Beteiligten erfahren Dinge voneinander, die sie vielleicht vorher noch nicht wussten und lernen sich auf diese Weise besser kennen. Mehr Austausch untereinander fördert Nähe und gegenseitiges Verständnis. Trotzdem sollte niemand unter Druck gesetzt werden, etwas zu sagen. Das erzeugt womöglich Stress und wirkt sich kontraproduktiv aus.

4) Positive Arbeitsatmosphäre

Insbesondere wenn lustige auflockernde Fragen zum Einsatz kommen (z.B. Wenn Du ein wildes Tier wärst, was wärst Du dann?), entstehen häufig Gelächter und gute Stimmung. Die Forschung von Barbara Fredrickson zeigt, dass man kreativer ist, wenn man positive Emotionen verspürt. Denn positive Emotionen erweitern unsere Aufmerksamkeit, d.h. wir kommen aus dem Tunnelblick heraus und erweitern unseren Blickwinkel. Wir denken breiter und auch mal „quer“. Dadurch finden wir kreativere Lösungen.

5) Besseres Teamklima

Ein Check-In trägt dazu bei, ein Gefühl der Verbundenheit und Gemeinschaft zu erzeugen – wichtige Voraussetzungen für gute Zusammenarbeit. Dadurch, dass zu Beginn jeder zu Wort kommt und jeder gehört wird,entsteht ein Teamklima von Wertschätzung, Vertrauen und Respekt.

6) Hohe Psychologische Sicherheit

Genügend Raum für Austausch zu Beginn eines Teammeetings wirkt sich förderlich auf die Psychologische Sicherheit im Team aus (Hier erfahren Sie mehr über das Konzept der Psychologischen Sicherheit). Wenn die Mitglieder eines Teams eine hohe psychologische Sicherheit haben, dann trauen sie sich eher, unangenehme Dinge anzusprechen (z.B., dass etwas nicht gut läuft). Insbesondere bei Teams, die hauptsächlich virtuell zusammenarbeiten, spielt die psychologische Sicherheit eine besonders wichtige Rolle, um das volle Teampotential entfalten zu können. 

Wie gelingt ein Check-In?

Hier sind drei Tipps, damit der Check-In richtig gut gelingt:

1) Warum tun wir das?

Es ist wichtig, dass alle Beteiligten verstehen, was ein Check-In ist und warum das wichtig ist. Wenn Sie z.B. in Ihrem Team zum ersten Mal ein Check-In ausprobieren wollen, nehmen Sie sich zuvor ein paar Minuten Zeit, um zu erläutern, wie ein Check-In zu einer produktiveren und positiveren Gesprächsatmosphäre beitragen kann. Wenn der Sinn verstanden ist, wird es allen leichter fallen, sich darauf einzulassen.

2) In der Kürze liegt die Würze

Damit die Antworten aller TeilnehmerInnen kurz und knackig ausfallen, ist es hilfreich, die Erwartungen im Vorfeld zu kommunizieren. Klare Anweisungen über die erwartete Länge sind hilfreich setzen einen Rahmen. Zum Beispiel soll die Antwort „mit drei Schlagwörtern“ oder „in einem Satz“ erfolgen oder „nicht länger als 1 Minute“ dauern.

3) Wer zuerst? 

Es ist ratsam, sich im Vorfeld Gedanken über die Reihenfolge zu machen – insbesondere in virtuellen Settings. Damit wird Leerlaufzeit vermieden, in der unklar bleibt, wer als nächstes an der Reihe ist. Im virtuellen Raum ist es gar nicht so einfach, den Staffelstab weiterzugeben. Eine Möglichkeit wäre, dass immer derjenige, der gerade dran war den nächsten nominiert.