Ich nutze kein WhatsApp. Wenn Menschen das mitbekommen, folgt fast immer die Frage: „Warum nicht?“ Einmal war die Reaktion anders: „Das muss ein schönes Leben sein.“
Ja, das ist es.
WhatsApp – und ähnliche Anbieter – haben die Kommunikation vereinfacht. Man kann sich in Gruppen organisieren und muss nicht mehr jeden und jede Einzelne informieren. Mit einer Nachricht in die Gruppe sind alle informiert. Es ist viel kostengünstiger – zumindest für jene ohne SMS-Flatrate.
Doch schnell nimmt die Anzahl der Gruppen und Kontakte zu. Die Schulgruppe. Die Kolleg*innen. Die Familie. Die eigene Sportgruppe – und die des Kindes. Die beste Freundin. Und und und. Das kann schnell zu einer Informationsflut führen, die nur noch schwer zu übersehen und zu bewältigen ist. Wenn man sich dann noch zu jeder neu eingehenden Nachricht benachrichtigen lässt, macht das Mobiltelefon alle paar Minuten „bing“.
Ja, die Abstimmungen gehen schnell. Ja, man ist schnell und immer informiert über nahezu alles. Ja, das ist auch unglaublich praktisch – für so viele Dinge.
Gleichzeitig verliert man schnell die Kontrolle. Kommunikation wird es etwas reaktives.
Kommunikation aktiv gestalten
Ich habe für mich beschlossen, dass Kommunikation für mich etwas aktives und selbstgesteuertes sein soll. Ich bin nicht ständig erreichbar. Ich antworte selten sofort auf eine E-Mail. Ich habe alle Benachrichtigungsfunktionen auf meinem Mobiltelefon abgestellt – stelle nur zeitweise und zweckorientiert einzelne Benachrichtigungsfunktionen an. Mein Mobiltelefon macht nur „bing“, wenn ich eine SMS bekomme (was selten passiert, auch dank WhatsApp und Co.) und wenn ich mir bewusst eine Erinnerung oder einen Timer eingestellt habe.
Es geht mir bei der Nicht-Nutzung von WhatsApp und Co. also nicht nur um datenschutzrechtliche Aspekte und die Frage, was die Anbieter mit unseren Daten so alles machen. Für mich ist dieses Tool ein Inbegriff der nicht mehr selbststeuerbaren Kommunikation. Natürlich kann ich auch einfach die Hälfte meiner Nachrichten ignorieren. Doch die Anreizstrukturen sind stark, so dass es nicht einfach ist, eine Kommunikation zu verlassen, die man erst mal „betreten“ hat.
Kommunikation in unterschiedlichen Lebenswelten trennen
Dazu sehe ich die Gefahr der Vermischung unterschiedlicher Lebenswelten wie Familie, Freizeit und Beruf. Ich sehe große Vorteile darin, die Kommunikation in unterschiedlichen Lebenswelten zu trennen, insbesondere die berufliche Lebenswelt von den anderen Lebenswelten. Denn so kann ich vom beruflichen richtig abschalten, ohne mich privat aus der Kommunikation mit anderen auszuklinken.
Unterschiedliche Kommunikationskanäle zielgerichtet nutzen
Ich bin zudem großer Fan von unterschiedlichen Kommunikationskanälen und auch jener, die die Kommunikation mit einer Gruppe von Menschen ermöglichen. Im Team nutzen wir ein universitätsinternes Chatsystem, das uns sowohl die Kommunikation untereinander als auch im Team oder in vordefinierten Klein- und Projektgruppen ermöglicht – und unglaublich vereinfacht. Das ist – in der Pandemie – unser Flurfunk geworden und es verhindert, dass unsere E-Mail-Inboxen überquellen. Es ist sogar mehr als unser Flurfunk, weil alle teilhaben können (auch wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, mal nicht vor Ort sind). Dieses Chatsystem ist allerdings nur offen, wenn ich arbeite – oder es bewusst öffne.
Wichtig bei unterschiedlichen Kommunikationskanälen ist mir, dass mir die Funktionen und Nutzungsformen klar sind und diese auch jenen klar sind, mit denen ich diese Kommunikationskanäle nutze. Unterschiedliche Kommunikationstools sind dabei auch für unterschiedliche Kommunikationsziele geeignet. So werden bei uns wichtige Dinge immer noch per E-Mail und möglichst zusätzlich im Teammeeting kommuniziert. Im Chat ist die Gefahr zu groß, dass sie in der alltäglichen Kommunikation untergehen.
Dadurch, wie ich meine Kommunikation organisiere, habe ich das Gefühl, mehr Kontrolle zu haben. Es gibt natürlich auch bei mir Momente, in denen ich mich fremdgesteuert fühle, z.B. dann wenn sich viele E-Mail in der Inbox angesammelt haben. Doch diese Momente sind deutlich seltener geworden.