Psychologische Sicherheit in hybriden Teams fördern

Vielleicht kommt Ihnen die folgende Situation bekannt vor: Im Teammeeting wird besprochen, wer diese eine besonders lästige Aufgabe übernehmen kann. Niemand meldet sich freiwillig. Jede Person hat gute Gründe, warum sie findet, dass jemand anderes diese Aufgabe übernehmen sollte. Doch niemand sagt etwas, niemand spricht die eigenen Gedanken aus. Es herrscht einfach Stille.

Ein weiteres Beispiel, das Sie eventuell schon erlebt haben: Sie haben schon länger diese eine Idee im Kopf, die Sie gerne mal im Team vorstellen möchten. Doch immer wieder schieben Sie Ihr Vorhaben auf. Es plagt Sie der Gedanke, die anderen könnten ihre Idee albern oder dumm finden.

Was ist hier los in diesen Teams? Warum werden Dinge nicht angesprochen? Die Ursache liegt in einer geringen Psychologischen Sicherheit.

Was bedeutet psychologische Sicherheit?

Psychologische Sicherheit bezieht sich auf den Glauben, ein Risiko eingehen zu können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Teammitglieder, die sich psychologisch sicher fühlen, denken wenig über negative Konsequenzen (wie Bestrafung oder Ausgrenzung) nach, wenn es darum geht ihre eigene Meinung und Ideen einzubringen. Beispielsweise hat ein Team eine hohe Psychologische Sicherheit, wenn die Teammitglieder das Gefühl haben, sie selbst sein zu dürfen und sich trauen, etwas Unangenehmes anzusprechen (z.B. dass etwas nicht gut läuft).

Das Konzept der Psychologischen Sicherheit wurde 1999 von Amy Edmondson eingeführt. Dabei handelt es sich um eine Eigenschaft des Teams – und nicht der Organisation oder eines Individuums. So konnte Edmondson zeigen, dass Psychologische Sicherheit in unterschiedlichen Teams (auch derselben Organisation) sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann.

In den Anfängen ihrer Forschung stellte Edmondson überraschenderweise fest, dass die besten Teams mehr Fehler machen als die schlechteren Teams. Später kam sie der Sache auf die Spur: In Wirklichkeit machten die besten Teams nicht mehr Fehler, sondern weniger. Doch die Offenheit und Bereitschaft, Fehler anzusprechen, war höher.

Warum ist Psychologische Sicherheit so wichtig?

Psychologische Sicherheit ist ein Schlüsselfaktor für Teamleistung. Mitarbeitende, die sich im Team psychologisch sicher fühlen, stellen mehr Fragen und geben mehr Feedback. Sie geben nicht nur häufiger Fehler zu, sondern fragen auch öfter nach Hilfe und lernen gemeinsam aus Fehlern (Newman et al., 2017).

Psychologische Sicherheit führt durch verbessertes gemeinsames Lernen im Team zu einer höheren Teamleistung. So fördert Psychologische Sicherheit Innovation, kreatives Denken sowie die Bereitschaft des Einzelnen, sich einzubringen.

Psychologische Sicherheit bildet das Fundament für eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Menschen, die sich sicher fühlen, können leichter lernen und wachsen. In einer zunehmend komplexeren Welt wird Psychologische Sicherheit umso wichtiger, denn wenn im Außen keine Stabilität herrscht, bedarf es einer stabilen und verlässlichen Arbeitsumwelt im Team (Edmondson & Lei, 2014).

Wie kann Psychologische Sicherheit im eigenen Team gefördert werden?

Unabhängig ob in einem Präsenz- oder Online-Setting ist es nicht die Aufgabe der Führungskraft allein, eine Teamkultur zu schaffen, in der sich alle trauen Dinge anzusprechen. Jeder Einzelne kann hier einen Beitrag leisten. Hier sind 4 praktische Tipps, wie Sie als Führungskraft die Psychologische Sicherheit in Ihrem Team fördern können:

1) Fördern Sie Neugier, indem Sie selbst viele Fragen stellen!

 – und zwar auch solche, bei denen Sie riskieren, sich selbst zu blamieren oder inkompetent oder unwissend dazustehen. So werden auch andere mutiger werden, mehr Fragen zu stellen (siehe auch der Beitrag über Shoshin).

2) Sprechen Sie über Ihre eigenen Fehler!

Thematisieren Sie, was Ihnen nicht oder weniger gut gelungen ist oder wo Sie vielleicht einen Fehler gemacht haben. Zeigen Sie sich als Mensch verletzlich. Sprechen Sie über Ihre Unsicherheiten oder Befürchtungen und laden Sie andere dazu ein, es ebenso zu tun. Seien

3) Fordern Sie aktiv Feedback ein!

Von Zeit zu Zeit kann es sinnvoll sein, die Psychologische Sicherheit im eigenen Team anhand einer kurzen Umfrage besprechbar zu machen. Wo stehen wir als Team eigentlich gerade, was die Psychologische Sicherheit angelangt? Jeder beantwortet (anonym) eine Auswahl der folgenden Fragen:

• „Ich halte manchmal Fragen zurück, weil ich keinen schlechten Eindruck machen will.“
• „Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht übelgenommen.“
• „Ich werde mit meinen Anliegen gehört.“
• „Ich habe keine Scheu Probleme und schwierige Themen offen anzusprechen“

Anschließend wird das Ergebnis dieses Pulse Checks gemeinsam im Team besprochen.

4) Fragen Sie aktiv nach, wie es Ihren Mitarbeitenden geht!

Auf eine allgemeine Frage wie „Wie geht es Dir?“ werden Sie wahrscheinlich eher allgemeinere Antworten wie „Danke, gut!“ oder „Passt schon!“ bekommen. Probieren Sie es stattdessen doch einmal mit: „Was beschäftigt Dich derzeit?“ oder „Was ist gerade Deine größte Sorge oder Dein größter Stress?“

Ergänzend ist das Buch „Die angstfreie Organisation: wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen“ von Amy Edmondson (2020) dazu lesenswert.

Wie kann Psychologische Sicherheit in Online-Settings gefördert werden?

Es ist schon unter normalen Umständen eine hohe Kunst, eine Teamkultur zu erschaffen, in der auch unangenehme Dinge besprechbar sind. Doch was passiert, wenn sich die Teammitglieder nur noch selten im Büro zusammenkommen und hauptsächlich digital miteinander kommunizieren? Vermutlich würden Sie Ihre Bedenken zu einer Sache eher äußern, wenn Sie gemeinsam an einem Tisch zusammensitzen. Aber die Bedenken im virtuellen Meeting ansprechen oder sogar extra eine Email schreiben?

Gerade in der digitalen Welt treten Schwierigkeiten auf, die es so zuvor nicht gegeben hat. Informationen werden nicht so weitergegeben, wie sie gemeint waren, Missverständnisse kommen auf, Blickkontakt und Körpersprache fallen weg. Die Kommunikation verändert sich grundlegend. Und genau aus diesem Grund ist die psychologische Sicherheit in der digitalen Arbeitswelt noch wichtiger als im Büro. Daher habe ich hier noch 4 weitere praktische Tipps speziell für die digitale Zusammenarbeit im Team:

1) Reservieren Sie Zeit für ein Check-In zu Beginn des Teammeetings!

Bei einem Check-in beantworten alle Teilnehmenden ein oder zwei Fragen. Folgende Fragen eignen sich:

  • „Wenn Du eine Batterie wärst, wie geladen wärst Du heute?“
  • „Welches Tier drückt aus, wie Du Dich heute fühlst?“
  • „Was tust Du, um den heutigen Tag kreativer zu machen?“
  • „Was war bisher Dein Highlight der Woche?“
  • „Was hast Du diese Woche schon gelernt?“

Die wenigen Minuten zu Beginn sind gut investiert, denn die Aufwärmfragen erleichtern das Ankommen und fördern das Vertrauen in der Gruppe. Weitere Inspiration für Check-in Fragen finden Sie auf der Seite tschek.in

2) Versuchen Sie, auch in virtuellen Meetings eine angenehme Atmosphäre zu schaffen!

Lassen Sie alle Teilnehmer zu Wort kommen und ausreden. Wenn die Technik dies erschwert, finden Sie eine Lösung dafür (wie bspw. das Melden durch ein Handzeichen oder eine Meldung im Chat). Versuchen Sie, Missverständnisse auch als solche zu sehen und aufzuklären. Emojis können nützlich sein, um Emotionen auch online zu übermitteln.

Nutzen Sie Werkzeuge, um spontanes Feedback leichter zu machen! Es gibt viele Plattformen (z.B. menti.com), die es dem Team einfacher machen Feedback zu geben – über Abstimmungen, Umfragen und Kommentare.

3) Machen Sie es schwer zu schweigen!

Wenn im Online-Meeting die eigene Kamera aus ist, kann man sich ganz prima hinter dem eigenen Profilbild oder der schwarzen Kachel verstecken. Das Schweigen in einer Gruppe sollte immer thematisiert werden. Die Stille hat etwas zu sagen und kann mit der Zeit sehr unangenehm werden, wenn sie nicht adressiert wird. Folgende Fragen könnten hilfreich sein, das Schweigen zu brechen:

  • „Worüber sprechen wir gerade nicht? Wo schauen wir gerade nicht hin?“
  • „Angenommen das Schweigen könnte sprechen – was würde es uns sagen?“

4) Zeigen Sie, dass Sie erreichbar sind, trotz der räumlichen Distanz!

Organisieren Sie regelmäßig 1:1-Meetings, um persönliche Gespräche mit jedem Teammitglied führen zu können. Fragen Sie nach ihrer Meinung und ihren Ideen.


Literatur:

Edmondson, A.C. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383. 

Edmondson, A.C. & Lei, Z. (2014): Psychological Safety: The history, renaissance and future of an interpersonal construct. Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior, 1, 23-43.

Edmondson, A. C. (2020). Die angstfreie Organisation: wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen. Verlag Franz Vahlen.

Newman, A., et al. (2017), Psychological safety: A systematic review of the literature. Human Resource Management Review, 27(3), 521-535.

Vielleicht kommt Ihnen die folgende Situation bekannt vor: Im Teammeeting wird besprochen, wer diese eine besonders lästige Aufgabe übernehmen kann. Niemand meldet sich freiwillig. Jede Person hat gute Gründe, warum sie findet, dass jemand anderes diese Aufgabe übernehmen sollte. Doch niemand sagt etwas, niemand spricht die eigenen Gedanken aus. Es herrscht einfach Stille.