Künstliche Intelligenz (KI) ist aus mehreren Gründen von hoher Relevanz für die Personalentwicklung. Zum einen brauchen immer mehr Mitarbeiter Know-How zu technologischen Trends wie Big Data, Cloud Computing, Machine Learning oder Robotic. Entsprechend ist KI ein Lerngegenstand, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Aber auch Personalentwickler selbst sollten auch zumindest über ein Basiswissen zum Thema KI verfügen, denn KI wird die Weiterbildung in den nächsten Jahren maßgeblich verändern. In diesem Beitrag wird erklärt, was KI bedeutet, wie sie im Alltag Anwendung findet und wie KI das Lernen in Organisationen verändern wird.
Was ist Künstliche Intelligenz?
Unter Künstlicher Intelligenz (KI) wird die Fähigkeit von Maschinen und Systemen verstanden, intelligentes menschliches Verhalten nachzuahmen. Eine KI löst Probleme weitestgehend eigenständig und autark. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Für die Landwirtschaft kann eine KI beispielsweise basierend auf Satellitenbildern auswerten, welche Bereiche eines Feldes besonders trocken sind und die Bewässerung somit gezielter steuern und Wasser sparen. In den Städten kann KI den Verkehrsfluss optimieren. Auch Fahrerassistenzsysteme beruhen auf KI. Im öffentlichen Nahverkehr kann KI Züge, Rolltreppen oder andere mechanische Anlagen warten. Mit Hilfe von akustischen Sensoren „hört“ die KI, wenn etwas unregelmäßig läuft und meldet die Abweichung schon bevor eine Störung eintritt. Auf diese Weise ermöglicht KI eine vorausschauende Instandhaltung von Maschinen und Anlagen.
Machine Learning (ML) ist ein Teilbereich (siehe Abbildung) und wichtiger Treiber von Künstlicher Intelligenz. Im Kern geht es bei maschinellem Lernen darum, dass ein System selbstständig Wissen aus Erfahrung generiert, also lernt. Einem Modell werden so viele Daten wie möglich vorgelegt, so dass die Maschine die zugrundeliegenden Strukturen, Regeln, Muster und Gesetzmäßigkeiten selbst erkennt. Voraussetzung dafür ist eine hochwertige Datenbasis.
Machine Learning wird anhand eines Beispiels aus der Bilderkennung greifbarer: Man zeigt einem Programm Millionen Hunde- und Katzenbilder bis es eigenständig Hunde von Katzen unterscheiden kann. Je mehr Bilder „gefüttert“ werden, desto besser wird die KI und dann lernt sie auch, z.B. Chihuahuas von Muffins zu unterscheiden (siehe Abbildung, twitter.com/teenybiscuit ). Die Gesichtserkennung von facebook basiert auf ebenfalls auf Machine Learning – ebenso die personalisierten Empfehlungen bei Netflix.
Deep Learning (DL) ist eine Teildisziplin des maschinellen Lernens unter Einsatz von künstlichen neuronalen Netzen. Während der Ansatz für klassisches maschinelles Lernen aus einer mathematischen Logik heraus entwickelt wurde, gibt es für künstliche neuronale Netze ein Vorbild aus der Natur: biologische neuronale Netze. Ein Beispiel für Deep Learning ist das Übersetzungsprogramm DeepL, das neuronale Netze nutzt, um nicht ein Wort nach dem anderen zu betrachten, sondern alle Wörter parallel zu analysieren.
Chatbots basieren auf KI
Chatbots sind intelligente Systeme, mit denen Anwender sich unterhalten können. Sie werden auch als text- oder sprachbasierte Dialogsysteme bezeichnet (Satow, 2018). Chatbots versuchen, das menschliche Verhalten zu simulieren und die Unterhaltung so natürlich wie möglich zu gestalten. Die meisten Chatbots erfordern die Eingabe von Text über eine Tastatur. Doch es gibt auch digitale Assistenten, die gesprochene Sprache verstehen und auf Zuruf einfache Aufgaben erledigen. Die zwei bekanntesten sprachbasierten digitalen Assistenten sind „Siri“ von Apple und „Alexa“ von Amazon. „Siri, wie wird das Wetter morgen?“
Heute kommen Chatbots an vielen Stellen zum Einsatz: Es gibt Chatbots, die auf Webseiten die Fragen von Besuchern beantworten, in Applikationen Software-Anwendern bei Problemen helfen, im Auto als digitale Assistenten das Schiebedach öffnen, im Haus das Licht steuern oder als App auf dem Handy Einkaufslisten führen (Satow, 2018). Die Bots erkennen mit Hilfe mathematischer Modelle die Anliegen und Absichten ihrer Gesprächspartner, generieren passende Antworten und führen Aktionen aus.
Wie kann KI das Lernen unterstützen?
Zugegebenermaßen stecken Chatbots noch in den Kinderschuhen – oder befinden sich zumindest noch in Ausbildung. Dennoch birgen sie ein enormes Potential – nicht zuletzt für das Lernen. Beispielsweise können Chatbots Online Communities betreuen, indem sie die Teilnehmenden begrüßen und deren (Standard-)Fragen beantworten. Beim Sprachenlernen kann ein Chatbot als Dialogpartner dienen und Feedback geben.
Ich persönlich finde die Technologie der automatischen Spracherkennung (ASR – Automatic Speech Recognition und NLP – Natural Language Processing) sehr vielversprechend. Dadurch können Trainer in Echtzeit transkribiert und übersetzt werden. Wenn also eine chinesische Kollegin in einer Live Session eine neue Software erklärt, könnten die KollegInnen in Deutschland den Vortrag live mit deutschen Untertiteln verfolgen. Diese Technologie kann auch das gemeinsame Lernen in MOOCs (Massive Open Online Courses) verbessern, die in internationalen Firmen häufig mit dem Problem unterschiedlicher Landessprachen kämpfen.
Des Weiteren kann KI Vorwissen der Lerner überprüfen und Lernleistungen bewerten. Darüber hinaus können mit Hilfe von KI Tests und Assessments personalisiert werden, denn standardisierte Tests sind für manche Lerner zu einfach und für andere zu schwer.
Durch die Erfassung von Daten, die beim Lernprozess generiert werden, lassen sich mit Hilfe von komplexen Algorithmen Lernbedarfe erkennen und individuelle Lernpfade erstellen (Learning Analytics). Dieses personalisierte Empfehlen von Lerninhalten wird Adaptives Lernen genannt und ebenso von KI unterstützt.
Darf ich vorstellen? Matti – mein persönlicher Lernassistent
Ich persönlich habe die Vision, dass eines Tages jeder Mensch seinen eigenen persönlichen Lernassistenten haben wird, der einen ein Leben lang begleitet. Nennen wir ihn einmal Matti. Matti begleitet mich bereits in der Grundschulzeit. Er merkt ganz genau, mit welchen Formaten mir das Lernen leichter fällt. Als ich in der zweiten Klasse bin, weiß er, dass ich zwar die Verben und Adverben schon verstanden habe, aber die Nomen mir noch immer noch Rätsel aufgeben. Deshalb schlägt er mir eine Übung vor, in der ich die Großschreibung üben kann. Als ich in der fünften Klasse bin, will sich mir die Sache mit den Brüchen einfach nicht erschließen. Weil Matti weiß, dass ich ein visueller Lerntyp bin, schlägt er mir ein passendes Video vor. In der 10. Klasse kämpfe ich mächtig mit den Französisch Vokabeln. Matti hat aber über die letzten Jahre im Englischunterricht herausgefunden, dass ich mir Vokabeln am besten merke, wenn ich sie am späten Vormittag lerne, denn dann ist meine Konzentration am besten. Er fragt mich die Vokabeln ab und wir führen ein Gespräch auf Französisch. Dabei weist er mich auf die richtige Aussprache hin. Egal ob ich einen Fahrradreifen wechseln möchte oder herausfinden muss, wie man einen Teig „blind backen“ kann – Matti kann mit passenden kleinen Lerneinheiten weiterhelfen. Als ich Biomedizin studiere, erkennt Matti mit Hilfe von Eye Tracking Software und videobasierter Gesichtserkennung, welche chemische Formel ich länger fixiere oder wiederholt lese. Daraus schließt er, welchen Teil ich noch nicht richtig verstanden habe und bietet ihn am nächsten Tag noch einmal an. Außerdem bringt er mich mit zwei Kommilitonen zusammen, die gerade an ähnlichen Themen arbeiten, denn Matti hat bemerkt, dass ich durch Austausch mit anderen mein Wissen leichter vertiefe. Als ich später in einer Firma für Medizingeräte arbeite, schlägt mir Matti die Podcasts und Videos zu den neuesten Produkten vor. Da er Zugriff auf meinen Terminkalender hat, weiß er, wann ich Freiräume für neuen Input habe. Übrigens sind Matti, Siri und Alexa „dicke Freunde“ und nachts, wenn ich schlafe, schmieden sie Pläne, was sie am nächsten Tag mit mir vorhaben… eine dystopische Vorstellung, oder? Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Entscheidung, was ich wann, wo und wie tue oder lerne immer noch bei mir liegt. Mein persönlicher Lernassistent macht mir nur Vorschläge.
Brauchen wir dann keine Personalentwicklung mehr?
Was bedeutet das für Personalentwickler und Trainer? Werden die dann nicht mehr gebraucht? Doch – unbedingt! Der Einsatz von KI wird repetitive Arbeit abnehmen und dadurch mehr Freiräume für die menschlichen Lernbegleiter schaffen, sich auf Design, Motivation, Inspiration und persönlichen Austausch zu fokussieren. Aus meiner Sicht ist das eine Frage der Haltung: Wir sollten uns nicht fragen, wann eine KI uns ersetzen wird, sondern warum wir weiter eine Aufgabe übernehmen sollen, die eine KI viel besser kann, während es Wichtigeres für uns zu tun gibt – zum Beispiel in persönlichen (menschlichen) Austausch zu gehen.
Literatur:
Satow, L. (2018). Lernen mit Chatbots und digitalen Assistenten. In K. Wilbers (Hrsg.), Handbuch E-Learning. Köln: Wolters Kluwer.