Wozu braucht es eigentlich Führungskräfte?

Diese Frage stellte eine ehemalige Kollegin auf einem Alumni-Treffen unseres früheren Arbeitgebers, als sie über ihre berufliche Entwicklung sprach. Ich fand diese Frage spannend. Denn ich sehe in der Antwort auf diese Frage der Weg, eine gute Führungskraft zu werden. Lassen Sie mich das ausführen.

Diese Frage stellte eine ehemalige Kollegin auf einem Alumni-Treffen unseres früheren Arbeitgebers, als sie über ihre berufliche Entwicklung sprach. Ich fand diese Frage spannend. Denn ich sehe in der Antwort auf diese Frage der Weg, eine gute Führungskraft zu werden. Lassen Sie mich das ausführen.

Die Übernahme von Führungsrollen wird hierzulande vor allem als zwangsläufiger Karriereschritt gesehen. Es gibt zwar auch Optionen auf Fachkarrieren. Doch die klassische Vorstellung von Karriere ist immer noch mit der Übernahme von mehr und mehr Führungsverantwortung verbunden.

Aus diesem Grund werden viele Menschen einfach deshalb Führungskräfte, weil sie Karriere machen wollen – oder müssen, um in der Organisation bleiben zu können. Seltener visieren Menschen Führungsrollen an, um Führung von und entsprechende Verantwortung für Menschen zu übernehmen. Und doch sind Führungskräfte dafür da, Führung von und Verantwortung für Menschen zu übernehmen.

Das heißt, um eine Führungsrolle gut auszufüllen, braucht es ein Bewusstsein darüber, wozu die jeweilige Führungsrolle da ist und welche Verantwortung konkret damit verbunden ist. Es braucht eine Antwort auf die Frage: Wozu braucht es mich als Führungskraft eigentlich?

Da die meisten Menschen ihre Aufstiege in Führungsrollen mit ihrer fachlichen Entwicklung und Expertise verbinden, gehen sie mitunter davon aus, dass es darum geht, mehr zu wissen als jene, die sie führen. Das mag beim Führen kleiner Teams sogar noch stimmen. Doch schon hier geht es nicht alleine darum. Es geht darum, dem Team eine Arbeitsstruktur zu geben, in der es gut funktioniert und die Erwartungen gemeinsam erfüllt, die die Organisation an das Team hat. Es geht auch darum, das Team in die Organisation einzubinden und dabei unter anderem die Erwartungen an das Team zu klären und mit zu definieren. Die meiste Zeit ihrer Arbeit verbringt eine Führungskraft also bereits als Teamleitung nicht mehr mit der Arbeit an Aufgaben des Teams.

Führt man schließlich mehrere Teams oder gar eine Abteilung mit mehreren Hierarchieebenen, hat die Führungsverantwortung immer noch eine gemeinsame fachliche Klammer. Es wird jedoch immer unwahrscheinlicher, dass eine Führungskraft mehr weiß als alle anderen in der Hierarchie unter ihr. Hingegen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man Arbeitsbereiche vertritt, für die man keine spezifische fachliche Expertise hat.

Die Gestaltung der (Zusammen-)Arbeitsstruktur wird immer mehr zur Hauptaufgabe, je höher die Führungsrolle in der Hierarchie verortet ist. Das Führen von Führungskräften der Hierarchiestufe unter der eigenen und die Zusammenarbeit mit Führungskräften auf der gleichen Hierarchiestufe sind dann die zentralen Führungsaufgaben. Dazu die Zusammenarbeit mit der eigenen Führungskraft in der nächst höheren Hierarchieebene. Es geht also immer weniger darum, die konkreten Aufgaben in den Teams zu organisieren.

Das führt dazu, dass die eigene fachliche Expertise generalistischer wird (bzw. werden muss). Das heißt, dass man konkrete Entwicklungen bezogen auf eine spezifische fachliche Expertise nicht mehr in Gänze mitbekommt. Hingegen sollte eine Führungskraft dann mehr über allgemeine Entwicklungen und Trends sowie strategische Aspekte des eigenen Fachgebiets wissen.

Für die Übernahme von mehr und mehr Führungsverantwortung geht es folglich darum, ganz neue, nicht fachbezogene Kompetenzen zu entwickeln, wie beispielsweise aktives Zuhören und Feedback geben. Und es geht darum, sich die eigene Rolle bewusst zu machen und diese im Wechselspiel mit anderen Führungskräften um sich herum zu klären und auszuhandeln.

Soweit das Ideal.

Da sich meiner Erfahrung nach die wenigsten Führungskräfte einmal mit der Antwort auf die Frage „Wozu braucht es mich als Führungskraft eigentlich?“ beschäftigt haben, fokussieren sie häufig nach wie vor die eigene fachliche Entwicklung. Das führt nicht selten dazu, dass viele Führungskräfte ihrem Selbstverständnis nach ihr fachliches Verantwortungsgebiet selbst vertreten und die spezifische fachliche Expertise aus ihren Teams nicht ausreichend abrufen. Sie überfordern damit nicht nur sich selbst, sondern erfüllen ihre eigentliche Aufgabe auch nicht.

Führungskräfteentwicklung soll hier häufig Abhilfe schaffen. Doch gibt es keinen Standardkanon an Führungskompetenzen, die nur trainiert werden müssen, damit alles besser wird. Am Anfang einer wirkungsvollen Führungskräfteentwicklung steht die Frage: Wozu braucht es mich als Führungskraft eigentlich? Erst, wenn diese Frage im Wechselspiel mit anderen Führungskräften der eigenen Organisation beantwortet ist, kann sich eine Führungskraft damit beschäftigen, was sie braucht, um diesen Erwartungen gerecht zu werden. Dann kann sie reflektieren, welche ihrer Stärken sie nutzen kann und welche Kompetenzen sie noch entwickeln sollte.

Die Führungskräfteentwicklung kann einen Rahmen bieten, dies zu tun. Sie kann diesen Rahmen jedoch nur wirkungsvoll bieten, wenn die Organisation bereit ist, sich auch mit der Frage zu beschäftigen, wozu es welche Führungskraft eigentlich braucht. Denn die Antwort auf diese Frage lässt sich nicht im luftleeren Raum entwickeln. Führungskräfte aller Hierarchieebenen, inklusive der obersten, brauchen die Bereitschaft, sich mit ihren jeweiligen Rollen und Funktionen gemeinsam auseinanderzusetzen.

Warum das heute wichtiger denn je ist, hat auch damit zu tun, dass die Entwicklung hin zu einer globalisierten Wissensgesellschaft die Arbeitswelt komplexer und unberechenbarer gemacht hat. Das hat die Rolle von Führungskräften verändert. Noch weniger als früher können sie heute alles wissen und überschauen. Arbeitsteiliges Arbeiten hat seine Grenzen. Fachgebiete greifen sehr viel stärker ineinander. Wechselwirkungen müssen berücksichtigt werden. Das macht das Miteinander gestalten nicht nur anspruchsvoller, sondern auch noch notwendiger als früher.

Deshalb ist es wichtig, sich der Frage, wozu es eigentlich Führungskräfte braucht, ganz offen zu stellen. Denn wahrscheinlich sind die Antworten der Vergangenheit selten die Antworten der Zukunft.

Also: Wozu braucht es Sie als Führungskraft eigentlich? Gehen Sie dazu ins Gespräch mit anderen Führungskräften in Ihrer Organisation ebenso wie mit Ihrem Team oder Ihrer Abteilung. Nur so können Sie dieser Rolle auch gerecht werden. Nur so können Sie in und an dieser Rolle wachsen und Ihre Kompetenzen entsprechend weiterentwickeln. Es beginnt mit Ihrer Antwort auf die Frage, wozu es Sie als Führungskraft eigentlich braucht. Finden – oder aktualisieren – Sie Ihre Antworten.