Viele Teams sagen von sich, dass sie selbstorganisiert arbeiten. Schaut man genau hin, tun sich große Unterschiede auf. Wo fängt sie an, die Selbstorganisation, und wo hört sie auf? Ein Gastbeitrag von Babette Brinkmann
In den letzten Jahren haben Karl Schattenhofer und ich verschiedene Teams begleitet, um zu verstehen, was Teams genau tun, wenn sie sich selbst organisieren. Und auch wenn es viele Gemeinsamkeiten gab hinsichtlich Gesprächs-, Entscheidungs- und Organisationsmethoden wurde auch deutlich: was und wieviel die Teams selbst organisierten war sehr verschieden. Dabei variierten nicht nur die Freiheitsgrade der Teams, sondern auch die Erwartungen, was man alles selbst organisieren kann, unterschieden sich deutlich.
Selbstorganisation ist nicht gleich Selbstorganisation
Das Konzept der Selbstorganisation kann sich ganz umfassend auf alles beziehen, was es zu tun und zu entscheiden gibt. Das kann so weit gehen, dass ein Team für sich die Frage beantwortet, ob es überhaupt etwas zu tun gibt, in einer Angelegenheit oder dass sich ein Team selbständig ganz neue Herausforderungen sucht. Es ist aber auch dann Selbstorganisation, wenn es sich nur sehr wenig selbst zu organisieren gibt, wie die Frage, wer macht es wann. Das folgende Modell „Stufen der Selbstorganisation“ dient zur Klärung.
In der Organisation wird entschieden: | Das Team klärt und entscheidet im Rahmen der Selbstorganisation: | Stufe der Selbstorganisation |
Nichts | Alles: Ob etwas getan werden soll und was, wie, wer | Umfassend selbstbestimmte Selbstorganisation |
Dass etwas getan werden soll | Was getan werden soll und wie, wer | Selbst gestaltende Selbstorganisation |
Was getan werden soll | Wie und von wem es getan wird | Sich selbst führende Selbstorganisation |
Wie etwas getan werden soll | Wer es wann tut | Mit-Organisation |
Alles: Die Organisation und die von der Organisation eingesetzte Führung legen fest, ob, was, wie und von wem getan werden soll. | Nichts: Das Team wird von außen geführt. Selbstorganisation findet nicht statt. Die einzelnen Teammitglieder sind aufgefordert, Vorgaben aufzunehmen und umzusetzen. | Keine Selbstorganisation |
Zu Beginn braucht es dazu Kommunikation, vielleicht auch Verhandlung zwischen Team und Auftraggeber:in damit alle Seiten wissen, was ist der Rahmen, in dem Selbstorganisation stattfindet. Viele Teams mit denen wir sprachen, berichteten, dass sie über diese Stufen kontinuierlich mit den Ansprechpartner:innen in der Organisation im Gespräch und in der Verhandlung bleiben. Doch ein einheitliches Verständnis zu Beginn erleichtert den Start und wirkt unnötiger Frustration entgegen. Denn nichts ist entmutigender, als nach langem Ringen und Verhandeln gemeinsam eine Lösung zu finden, nur um dann zu erfahren, dass diese Entscheidung woanders getroffen wird. Es gibt nicht den einen, richtigen Weg in der Selbstorganisation und in vielen Fällen werden sich im Laufe der Zeit die Gestaltungsräume der Teams immer wieder verändern.
Die ausführlichen Geschichten der von uns begleiteten Teams, ihre Entwicklung, ihre Unterschiede und was sie ganz konkret tun, um erfolgreich zu sein in der Selbstorganisation können in unserem Buch nachgelesen werden:
Brinkmann, B. & Schattenhofer, K. (2022). Erfolgreiche Teams in der Selbstorganisation – Sechs Aufgaben, damit Teams arbeitsfähig werden – und welche Rolle Führung dabei spielt. Vahlen. Link zum Buch
Babette Brinkmann ist Professorin für Psychologie mit dem Schwerpunkt Organisations- und Gruppenpsychologie an der TH Köln. Sie ist Supervisorin (DGSv), Trainerin für Gruppendynamik (DGGO) und Mitglied bei Tops München-Berlin e.V.
Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Selbstorganisation, Diskurs und gesellschaftlicher Zusammenhalt sowie soziale Nachhaltigkeit.