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Weise Entscheidungen: Zeigen Sie Verstand, Herz und Rückgrat!

Viele Probleme unserer modernen Welt erfordern schwierige Entscheidungen, die sich mit „reiner Vernunft“ nicht lösen lassen. Stattdessen sind „weise Entscheidungen“ gefragt. Aber was bedeutet das?

Viele Probleme unserer modernen Welt erfordern schwierige Entscheidungen, die sich mit „reiner Vernunft“ nicht lösen lassen. Stattdessen sind „weise Entscheidungen“ gefragt. Aber was bedeutet das?

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Sollen Mobilfunk-Betreiber Daten von Kunden herausgeben, wenn diese im Verdacht stehen, ein Verbrechen zu planen? Soll in der Landwirtschaft auf gentechnisch verändertes Saatgut verzichtet werden, auch wenn damit der Einsatz von Giftstoffen in der Schädlingsbekämpfung reduziert werden kann? Unter anderem aufgrund der globalisierten Wirtschaft stehen viele Entscheidungsträger immer häufiger vor solchen „wicked problems“ (dt. etwa „gemeinen“, „bösartigen“ Problemen), die extrem viele Facetten aufweisen. Rein rationale Entscheidungsmodelle können der Komplexität solcher Probleme nicht Rechnung tragen, weil es meist keine eindeutige „beste“ Lösung gibt.

Als Alternative schlagen Elangovan und Suddaby (2019) vor, Entscheidungsträger sollten weise entscheiden, indem sie (1) Vernunft, (2) Mitgefühl und (3) moralische Aspekte in Balance bringen (siehe Abbildung).

Viele Probleme unserer modernen Welt erfordern schwierige Entscheidungen, die sich mit „reiner Vernunft“ nicht lösen lassen. Stattdessen sind „weise Entscheidungen“ gefragt. Aber was bedeutet das?

Vernunft

Eine weise Entscheidung erfordert zunächst, dass sie anhand kritischer Reflexion und umfassender Beurteilung getroffen wird. Dazu gehören einerseits rationale, „harte“ Daten und Befunde, andererseits aber auch eher implizites Wissen, das auf Intuition und Erfahrung beruht (siehe auch wissens.blitze 173, 178, 187, 189). Wenn rationale Befunde und Intuition sich widersprechen, sollte man den Widersprüchen auf den Grund gehen, bis die rationale und die intuitive Einschätzung übereinstimmen.

Mitgefühl

Außerdem berücksichtigt eine weise Entscheidung die Bedürfnisse, Emotionen und Motive der von den Auswirkungen betroffenen Personen – sie erfordert also Mitgefühl. Betroffene werden eine Entscheidung auch umso eher mit-tragen, als sie das Gefühl haben, ihre Bedürfnisse wurden gesehen und verstanden. Dennoch sollten Entscheidungs-träger nicht von den Emotionen der Betroffenen überwältigt werden, sondern müssen sich auch abgrenzen können, um entscheidungsfähig zu bleiben.

Moral

Als drittes sollten moralische Überlegungen in eine weise Entscheidung einfließen. Die Herausforderung hierbei ist, dass oft mehrere moralische Aspekte gleichzeitig im Spiel sind – z.B. „Datenschutz/Privacy“ versus „Sicherheit“ bei der Frage, ob Mobilfunkdaten an Sicherheitsorgane gegeben werden dürfen. Diese müssen gegeneinander abgewogen bzw. in Einklang gebracht werden. Wichtig ist daher, sich die unter-schiedlichen ethischen Aspekte überhaupt einmal bewusst zu machen, indem man das Problem aus möglichst vielen verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet.

Barrieren für weise Entscheidungen

Die Funktionslogik vieler moderner Organisationen verhindert oft weise Entscheidungen: Wenn schnelle bzw. schnell sichtbare Erfolge erzielt werden müssen (z.B. Aktienkurse, Quartalsergebnisse) ist es oft schwer, für längerfristige Perspektiven zu argumentieren. Gleichzeitig führt das getrennte Beurteilen und Vergleichen unterschiedlicher Organisationseinheiten zu ‚Silo-Denken‘: Auswirkungen der eigenen Entscheidung auf eine andere werden nicht berücksichtigt. Eine der größten Barrieren weiser Entscheidungen ist jedoch die zunehmende Geschwindigkeit: Wenn alles schnell gehen muss, bleibt wenig Zeit, um Probleme wirklich tiefgreifend zu analysieren und verstehen – die wichtigste Grundlage für weise Entscheidungen.

Weisheit kultivieren

Um weise Entscheidungen in Organisationen zu fördern, schlagen Elangovan und Suddaby (2019) zwei Maßnahmen vor: Erstens sollte die Diversität in Organisationen – und vor allem in Schlüsselpositionen – erhöht werden. Je mehr unterschiedliche Perspektiven vorhanden sind, desto eher können unterschiedliche Dimensionen einer Entscheidung gesehen und balanciert werden. Zweitens sollten Entscheidungsträger verstärkt Imaginationstechniken und Storytelling (wissens.blitz 74) einsetzen. Solche Techniken machen es notwendig, Probleme und mögliche Lösungen ganzheitlich zu erfassen und abzuwägen.

 

Literaturnachweis: Elangovan, A. R., & Suddaby, R. (2019) Solomons for our times: Wisdom in decision-making in organizations. Organizational Dynamics.

Zitieren als: Kump, B. (2019). Weise Entscheidungen: Zeigen Sie Verstand, Herz und Rückgrat! wissens.blitz (199). https://wissensdialoge.de/weise-Entscheidungen