Klopf klopf… Warum wir andere bei der Arbeit unterbrechen

Weniger direkte Unterbrechungen bei der Arbeit – das ist einer der Faktoren, hinsichtlich derer sich meine Arbeit im Home Office deutlich von der im Büro unterscheidet. Einerseits ermöglicht dies ein konzentrierteres Arbeiten, andererseits fehlt somit der direkte Austausch mit Kolleg*innen. Was motiviert Menschen eigentlich dazu, bei jemandem an die Bürotür zu klopfen? Unterbrechen wir andere im eigenen Interesse oder auch, um anderen zu helfen? Eine neue Studienreihe zeigt: Unterbrechungen sind womöglich besser, als ihr Ruf vermuten lässt.

In ihren Studien nahmen Leon Toebben, Anne Casper, Wilken Wehrt und Sabine Sonnentag (2024) erstmals die Perspektive der Person ein, die andere unterbricht, statt derjenigen, die unterbrochen werden. Genauer wollten sie herausfinden: Was sind die (guten?) Gründe, warum wir andere unterbrechen? Und haben Unterbrechungen auch positive Folgen?

Als „Unterbrechung“ wurden unerwartete, persönliche (d.h. nicht virtuelle) Begegnungen definiert, die von KollegInnen initiiert werden und zumindest kurzfristig den Fortschritt bei deren laufenden Arbeitsaufgaben stören. Genauer betrachtet wurde, welche Arten von Unterbrechungen es bei der Arbeit gibt.

In den Fokus gerückt wurden 6 Kategorien an Unterbrechungen. Der Unterteilung liegt die Idee zugrunde, dass Menschen (a) generell motiviert sind, bei der Arbeit gute Leistung zu zeigen, (b) den Wunsch haben, zu ihren Mitmenschen eine gute Beziehung zu haben und (c) sich bei der Arbeit gut zu fühlen. Hinzu kam die Idee, dass wir andere im eigenen Interesse unterbrechen können (um selbst Informationen zu bekommen bzw. uns auszutauschen); wir können andere aber auch in deren Interesse unterbrechen (und unserem Gegenüber proaktiv Informationen bzw. Hilfe anbieten).

Entsprechend wurden unterschieden:

  • Unterbrechungen bezogen auf Leistung (performance interruptions): Diese Unterbrechungen dienen instrumentell der Verbesserung der Arbeitsleistung.  Beispiele: Im eigenen Interesse könnten wir z.B. entscheiden, jemanden zu unterbrechen, um Informationen zu unserer Aufgabe oder Rat bei einem Projekt zu erbitten; im Interesse des Gegenübers könnten wir hingegen einer/m Kolleg*in proaktiv anbieten, ihm/ihr bei einer Aufgabe zu helfen.
  • Unterbrechungen bezogen auf Zugehörigkeit (belongingness interruptions): Diese dienen dazu, ein Gefühl von Zugehörigkeit und sozialer Bindung unter Kolleg*innen zu fördern. Beispiele: Im eigenen Interesse können wir jemanden unterbrechen, um im persönlichen Austausch mit der Person zu sein; im Interesse des Gegenübers unterbrechen wir vielleicht jemanden, um ihm/ihr gegenüber Wertschätzung für seinen/ihren letzten Vortrag auszudrücken.
  • Hedonische Unterbrechungen: Letztere dienen dazu, die eigene Stimmung zu verbessern. Beispiele: Im eigenen Interesse unterbrechen wir womöglich jemanden, um uns nach einer negativen Rückmeldung von ihm/ihr ermutigen zu lassen; im Interesse des Gegenübers unterbrechen wir sie/ihn z.B., um ihre/seine privaten Probleme anzuhören und ihr/ihm Empathie entgegenzubringen

In einer ersten Studie wurde betrachtet: Passen diese Kategorien auf reale Unterbrechungen im Arbeitskontext? Und wie häufig kommt jede Form vor? Dazu sollten 60 Mitarbeitende die letzten drei Male erinnern, an denen sie jemanden bei der Arbeit persönlich unterbrochen hatten, und die Gründe für diese Unterbrechung aufschreiben. Tatsächlich konnte die große Mehrzahl (85,9 %) aller genannten Unterbrechungen diesen sechs Kategorien zugeordnet werden. Knapp die Hälfte (47.1 %) aller Unterbrechungen waren Leistungsunterbrechungen im eigenen Interesse (d.h. man hatte jemanden unterbrochen, um die eigene Leistung zu verbessern) – wobei diese oftmals Hand-in-Hand gingen mit am Gegenüber orientierten Leistungsunterbrechungen, um proaktiv auch dem jeweils anderen zu helfen.

Die Forschenden entwickelten zudem einen Fragebogen, mit deren Hilfe sich die verschiedenen Unterbrechungen erfassen lassen (z.B. „Ich wende mich an andere, während diese mit ihrer Arbeit beschäftigt sind, ohne dass diese damit rechnen…“ „…um sie um Hilfe bei meinen Aufgaben zu bitten“, „…um mich als Teil der Gruppe zu fühlen“, „… um mich besser zu fühlen“, „…um ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen“, „…um zu bewirken, dass sie sich in der Gruppe akzeptiert fühlen“ usw.). Damit konnten sie auch zeigen, dass diese Formen von Unterbrechungen je mit unterschiedlichen positiven Ergebnissen einhergehen können – wie beispielsweise einer guten Qualität der persönlichen Beziehungen, aber auch mit aufgabenbezogener Hilfe für KollegInnen.

Ein erstes Fazit: Menschen unterbrechen ihre Kolleg*innen somit offenbar aus sehr unterschiedlichen Gründen – und sie tun dies nicht nur im eigenen Interesse, sondern oft auch, um den Kolleg*innen zu helfen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine große Anzahl Unterbrechungen außerdem nicht „nur“ zum persönlichen Austausch, sondern zur Verbesserung der Leistung genutzt wird. Damit sind Unterbrechungen womöglich besser als ihr Ruf – zumindest, wenn wir sie rücksichtsvoll und umsichtig initiieren.

Quelle: Toebben, L., Casper, A., Wehrt, W., & Sonnentag, S. (2024). Reasons for interruptions at work: Illuminating the perspective of the interrupter. Journal of Organizational Behavior. https://doi.org/10.1002/job.2819

Weniger direkte Unterbrechungen bei der Arbeit – das ist einer der Faktoren, hinsichtlich derer sich meine Arbeit im Home Office deutlich von der im Büro unterscheidet. Einerseits ermöglicht dies ein konzentrierteres Arbeiten, andererseits fehlt somit der direkte Austausch mit Kolleg*innen. Was motiviert Menschen eigentlich dazu, bei jemandem an die Bürotür zu klopfen? Unterbrechen wir andere im eigenen Interesse oder auch, um anderen zu helfen? Eine neue Studienreihe zeigt: Unterbrechungen sind womöglich besser, als ihr Ruf vermuten lässt.