Transaktive Gedächtnissysteme und Wissensmanagement
„Man muss nicht alles wissen – man muss nur wissen, wer es weiß.“ (unbekannt)
Download: wissens.blitz (9)
Transaktive Gedächtnissysteme – Ein Experiment
Daniel M. Wegner hat in den 90er Jahren Paare und Dyaden in einer Gedächtnisaufgabe aufgefordert, sich Begriffe aus sieben Alltagsbereichen zu merken und später wieder zu erinnern. Die „natürlichen“ Paare schnitten hier weit besser ab als die zufällig zugeteilten Dyaden. Grund dafür war, dass sie die jeweilige Expertise ihres Partners kannten und sich auf ihre eigenen Expertisen konzentrieren konnten. Wegner illustrierte mit diesem Experiment, dass sich in engen Beziehungen ein sogenanntes transaktives Gedächtnissystem aufbaut, das es erlaubt, die Gedächtnisressourcen nach bestehenden Expertisen sinnvoll aufzuteilen und so individuelle Gedächtnissysteme zu einem gemeinsamen Gedächtnispool zusammenzufassen. Andere Personen fungieren also als externe Informationsspeicher. Speicherung und Abruf von Informationen erfolgen in einem transaktivem Gedächtnissystem quasi „arbeitsteilig“.
Ein transaktives Gedächtnissystem
- entsteht durch die Kombination von individuellem Gedächtnis und den Kommunikationsprozessen zwischen Individuen
- enthält alles, was ein einzelnes Individuum weiß oder aber von anderen Individuen erfahren kann
- eignet sich vor allem dann, wenn Gruppenmitglieder unterschiedliche Expertise aufweisen.
Transaktive Gedächtnissysteme in Organisationen
Mit Hilfe eines transaktiven Gedächtnissystems weiß eine Gruppe potentiell mehr als ein Individuum. Die Vorteile für modernes Wissensmanagement in Unternehmen liegen auf der Hand: Statt das verfügbare Wissen der Organisationsmitglieder zu lokalisieren und zu dokumentieren, hat heutiges Wissensmanagement das Ziel, gerade diejenigen Personen in Kontakt zu bringen, die keinen regelmäßigen Kontakt haben – also das (Mit-) Teilen von Wissen über Arbeitsteams, Unternehmensbereiche oder sogar Organisationsgrenzen hinweg zu unterstützen. Dabei wird das Teilen und Generieren von Wissen im persönlichen Austausch neben dem Lokalisieren und Dokumentieren besonders relevant, wenn es um den Austausch von Wissen geht, das personengebunden und lokal verfügbar vorliegt und nur schwer explizierbar ist (siehe auch der wissens.blitz zum Thema Handlungswissen). Wissen wird also nicht mehr (nur) „on stock“ verfügbar gemacht, sondern steht „on demand“ (ad hoc herstellbar, situativ, unabhängig von Ort und Zeit) zur Verfügung.
Aufbau eines Transaktiven Gedächtnissystems
Voraussetzung für das Funktionieren von transaktiven Gedächtnissystemen in Organisationen ist allerdings, dass die einzelnen Personen „wissen, wer was weiß“. Man geht davon aus, dass sich ein transaktives Gedächtnissystem im Zuge einer engeren Zusammenarbeit aufbaut – Kommunikation wird als ausschlaggebend betrachtet, um etwas über die Expertisen der anderen zu erfahren. Grundlegende Informationen über die Expertise der anderen erhalten wir aber auch bereits durch Basisinformationen wie beruflicher Hintergrund, Unternehmensbereich, Position im Unternehmen etc. Technisch gelöst werden kann dies beispielsweise durch Experten-Suchdienste, ausführliche Jobprofile, Wissenslandkarten oder „Gelbe Seiten“. Das Wissen um die Expertise beeinflusst letztlich, welche Information man bei wem erfragt: Weiß Herr Meier, dass seine Kollegin Expertin für Excel ist, konsultiert er sie bei Problemen mit Excel. Die Forschung zeigt auch, dass dabei ausschlaggebend ist, dass Herr Meier ihre Expertise anerkennt und wertschätzt. Weiterhin ist die direkte und prompte Zugangsmöglichkeit zu entsprechenden Experten natürlich maßgeblich für eine erfolgreiche Informationssuche.
Fazit
Entscheidend für erfolgreichen Informationsaustausch ist
- Wissen über die Expertise der anderen,
- die Wertschätzung der spezifischen Expertise der anderen (im Vergleich zur eigenen Kompetenz) und
der Zugang zu den jeweiligen Experten.Wissensmanagement muss also - ein Bewusstsein über die verfügbare Expertisen anderer schaffen,
die zur eigenen Expertise komplementären Aspekte transparent machen und die direkte Kontaktaufnahme ermöglichen.
Als Lösung empfiehlt sich die Nutzung von SocialSoftware-Technologien, die die Kommunikation, Kollaboration und Netzwerkbildung aktiv unterstützt.
Zitieren als: Knipfer, K. (2011). Transaktive Gedächtnissysteme und Wissensmanagement. wissens.blitz (9). https://wissensdialoge.de/Transaktives_Gedaechtnis
„die Forschung zeigt auch, dass dabei ausschlaggebend ist,das Herr Meier Ihre Expertise anerkennt und wertschätzt.“
Das ist für mich einer der ausschlaggebensten Punkte, wenn es darum geht, ob es funktionieren kann, das Wissen in Unternehmen geteilt wird.
Nämlich das die Mitarbeiter unterstützt werden, in einer fairen konstruktiven Weise zu arbeiten und oder auch zu konkurrieren.
Regelmässige Supervisionsangebote halte ich für unerlässlich.
Meines persönlichen Erachtens ist das ein weites Problemfeld,“Mobbing“ in Firmen und ich denke, das zur Wissensvermittlung unbedingt dazugehört, wertschätzenden Umgang zu lernen.
Danke für den Kommentar. Sicher ist eine Relexion des eigenen Handelns und der Zusammenarbeit im Team eine Möglichkeit, um auch den Informationsaustausch positiv zu beinflussen. Ob aber Supersvisionangebote (im betrieblichen Kontext redet man ja meistens von Coaching, obwohls inhaltlich ähnlich ist) speziell für das Entstehen von Transaktiven Gedächtnissystemen unerlässlich sind weiß ich nicht. Ich würde eher sagen, dass es eine Unternehmenkultur geben muss, die es zulässt, dass nicht jeder alles wissen muss, sondern gezielt (z.B. durch die Struktur der Organisationform) komplementäre Expertisen fördert und diese transparent macht. Dann „muss“ ich das Wissen der anderen wertschätzen, weil ich es brauch um handeln zu können.
Die Frage ist doch, ob transaktive Gedächtnissysteme sich nicht wesentlich besser entwickeln in Gruppen, die sozial kompetent und verträglich funktionieren.
Ich vermute es,möchte es aber als Frage in den Raum stellen??
Genau, das finde ich sehr spannend!
Gibt es dazu Studien, Artikel?
Der Wissensblitz sagt (wie ich es verstanden habe), Wissensmanagement soll die Bildung und Weiterentwicklung eines Transaktiven Gedächtnisses innerhalb einer Organisation fördern – das finde ich interessant.
Ich glaube allerdings, man sollte 2 Fälle unterscheiden:
1.) Frau Berger sucht eine bestimmte Information und weiß nicht, dass Frau Huber im gleichen Unternehmen diese Information besitzt (Aufgaben-/Ziel-orientiert); gutes Wissensmanagement führt dazu, dass Frau Berger leicht herausfinden kann, dass Frau Huber ihr helfen kann.
2.) Frau Berger und Frau Huber arbeiten zwar im gleichen Unternehmen, wissen aber nicht woran die Kollegin jeweils arbeitet bzw. welches Wissen sie hat; Wissensmanagement-Maßnahmen (Software, organisierte Treffen…) fördern den Austausch und ’stärken‘ das Transaktive Gedächtnis. Durch die Kombination des Wissens von Frau Huber und Frau Berger können Synergien und Innovation entstehen.
Fall 1 spart einem Mitarbeiter (und dem Gesamtunternehmen) in der Regel Zeit, Fall 2 kostet Zeit, bringt aber potenziellen Mehrwert für die Zukunft.
Oder?