Network Mapping ist eine Selbstführungsmethode, die Individuen und Teams hilft, Netzwerke bewusst und nachhaltig zu gestalten. Ein kleines Tool mit großer Wirkung.
Es ist bekannt, dass man durch ein gutes Netzwerk persönliche, sowie Team – oder Projektziele besser erreichen kann. Beziehungen, die das Netzwerk im Wesentlichen ausmachen, helfen uns beispielsweise an Informationen zu gelangen und stellen damit das Fundament einer erfolgreichen Zusammenarbeit dar. Im Organisations-Kontext ist Netzwerkarbeit heute besonders entscheidend: sie ermöglicht das Aufbrechen von Silos sowie den Einbezug von Personen und Teams mit diversen Perspektiven, und somit auch die erfolgreiche Verwirklichung eines gemeinsamen Ziels. Die meisten Ziele können nicht durch ein isoliertes Arbeiten erreicht werden und sind nur in Interaktion mit anderen Stakeholdern realisierbar. Netzwerke, das Beziehungsgeflecht zwischen Menschen, Teams oder Organisationen, sind also die Basis für eine effektive Kollaboration, die einem gemeinsamen Ziel dient.
Beziehungen und Kollaboration als Future Skill
Unter diesem Gesichtspunkt ist es keine Überraschung, dass „Beziehungen und Kollaboration“ als eine der zukunftsentscheidenden Kompetenzen, den sogenannten „Future Skills“, ernannt wurden (Spiegel et al., 2021). Zu diesem Skillset gehört der Aufbau von Netzwerken und die Schaffung eines Umfelds in der Co-Creation mit unterschiedlichsten Perspektiven entstehen kann. Die Fähigkeit Netzwerke zu analysieren und systematisch aufzubauen, spielen daher im Hinblick auf die Gestaltung der komplexen Zukunft der Arbeitswelt eine zentrale Rolle.
Was ist Network Mapping?
Seit Anbeginn der Menschheit kreieren wir Bilder und Karten, um Komplexität herunterzubrechen, wie zum Beispiel bei geografischen Landkarten. Dabei wird durch Größe, Distanz und Farbgebung durch Visualisierung vereinfacht. Diese Landkarten bilden wiederum die Basis für eine gemeinsame Planung von Routen. Auch Beziehungen sind komplexe Geflechte, die mit Hilfe von Visulisierung – wie dem „Network Mapping“, einer Art Röntgenbild der bestehenden und fehlenden sozialen Kontakte – entschlüsselt werden können. Dieses Bild hilft, das Netzwerk zu analysieren und Routen zum Beziehungsaufbau zu planen. Beim Network Mapping wird aber nicht nur ein Netzwerk an Personen mit deren Beziehungen kartografiert, es dient zusätzlich als Grundlage, die Eigenschaften der Beziehungen zu erörtern sowie durch gezielte Reflexion und Diskussion einen strategisch Netzwerkaufbau und -pflege zu planen.
Wie funktioniert das Network Mapping in der Praxis?
Laden Sie zum Network Mapping Personen ein, die ein gemeinsames Ziel verfolgen (Projektgruppe oder Team). Achten Sie darauf diverse Interessensvertreter, die multiple Perspektiven einbringen, zu inkludieren.
Tipp: Durch die gemeinsame Erstellung von Netzwerk-Karten kann ein Gefühl der Identität entstehen. Die Co-Creation der Karte kann die Mobilisierung für ein gemeinsames Ziel beschleunigen. Daher eigenen sich Netzwerk-Karten besonders zu Beginn eines gemeinsamen Projekts.
Zum Erstellen der Netzwerk-Karte in Präsenz benötigt man:
- 2-3x Metaplanwandbögen oder Flipchart-Papier
- Post-its in mind. 6 Farben
- Marker zum Beschriften der Post-its
- Ca. 2 Stunden in einer Gruppe von 2 bis max. 6 Personen
Die Network Map wird anhand der folgenden fünf Schritte erstellt:
1. Ziel definieren: Da wir uns in unterschiedlichen Netzwerken bewegen, muss zunächst Konsens über das zu erreichende Ziel geschaffen werden. Beispiele: „Wir wollen unsere Sichtbarkeit als Experten zum Thema „Female Leadership steigern“, „Wir wollen unser Projekt STAR in die nächste Phase bringen“, „Wir wollen unser Fundraising optimieren“,… Schreiben Sie das Ziel als Überschrift auf den Bogen.
2. Liste und Kategorien anlegen: Erstellen Sie in der Gruppe eine Liste an Personen und Organisationen (auch wenn es noch keine/n AnsprechpartnerIn gibt), die im Zusammenhang mit Ihrem Ziel stehen. Hierbei schreiben alle Teilnehmenden zuerst eine Liste für sich, damit Sie sich nicht gegenseitig beeinflussen. Denken Sie hier ‚breit‘ – Quantität über Qualität. Das bedeutet, dass auch Personen außerhalb des direkten Umfelds oder der Organisation gelistet werden können. Lesen Sie anschließend Ihre Kontakte vor und identifizieren Sie zusammen in der Gruppe Kategorien: Können Sie Personen/Organisationen erkennen, die etwas gemein haben? (Bsp. interne und externe Unternehmenskontakte) Teilen Sie jeder Kategorie eine Farbe zu – diese Farbkodierung hilft bei der Reflexion und Analyse. Schreiben Sie anschließend alle eruierten Namen auf die farblich passenden Post-its.
3. „Network Map“ erstellen: Im dritten Schritt werden alle Namen der Workshop-TeilnehmerInnen in die Mitte des Metaplanwandbogens geschrieben. Anschließend platzieren Sie im Team die Post-its ihrer Netzwerkakteure nach wahrgenommener Nähe. Personen oder Organisationen, die Ihnen nah stehen (einfach einen Kontakt herzustellen, Vertrauensverhältnis bereits aufgebaut) werden nah an der Mitte platziert. Personen oder Organisationen, zu denen (noch) kein Kontakt besteht, platzieren Sie weiter entfernt von der Mitte. So skizzieren Sie Ihre persönlich wahrgenommene Nähe oder Distanz zu den Netzwerkakteuren. Während des Mappings können Sie die Positionen auch immer wieder überdenken und die Post-its dementsprechend verschieben.
Tipp: Streben Sie nicht nach der “perfekten“ Karte. Der Mehrwert des Workshops ist die anschließende Reflexion und Diskussion. Es ist ein Werkzeug, gemeinsam zu lernen und zu planen.
4. Netzwerk und Beobachtungen analysieren: Nachdem die Netzwerk-Karte erstellt ist, geht es an die Betrachtung. Folgende Fragen helfen bei der Analyse des Netzwerks:
- Wie sieht das Netzwerk auf den ersten Blick aus? Gibt es einen soliden Kern an Akteuren, die zur Zielerreichung beitragen?
- Wer hat Macht und Expertise?
- Welche Beziehungen sollten intensiviert oder neu erschlossen werden?
- Gibt es Brückenbauer die Cluster verbinden? Wer könnte als Schlüsselfigur fungieren und neue Möglichkeiten/Kontakte eröffnen?
- Ist es einfach, Personen in der Distanz zu erreichen, die wichtig für die weitere Umsetzung/Ressourcen/Perspektiven sind (via Brückenbauer)?
- Gibt es einzelne Akteure, die die Zielerreichung beeinflussen oder sogar hemmen? („Bottlenecks“)
- Wer fehlt im Netzwerk (kann auch externe Expertise sein)? Wer sollte noch einbezogen werden?
Während der Analyse fallen Ihnen sicher weitere Akteure ein. Fügen Sie diese Ihrer Netzwerk-Karte hinzu. Visualisieren Sie mit dem Marker Verbindungen zwischen den Netzwerk-Akteuren und kreisen Sie Cluster und Bereiche ein, in denen Verbindungen fehlen (sogenannte „Löcher“ im Netzwerk).
5. Netzwerkausbau & Management planen: Im finalen Schritt geht es um die Ausarbeitung des Netzwerkaufbaus anhand der Netzwerkbeobachtungen. Die Erstellung einer Timeline mit den konkreten Action Points hilft beim Netzwerk-Management.
- Was nehmen Sie sich vor? Welche Beziehungen haben Priorität?
- Wann, wer und mit welchem Inhalt werden die Netzwerkakteure kontaktiert?
- Welche Zeitfenster reservieren Sie sich, um Kontakte aufzubauen?
Eine Netzwerk-Karte ist nie statisch. Sie ist eine Momentaufnahme. Mit jedem neuen Kontakt oder Intensivierung einer Beziehung, wie zum Beispiel von „kenne ich flüchtig“ zu „pflege ich einen tiefgreifenden Austausch“, ändert sich die Komposition. Daher eignet sich eine Netzwerk-Karte als Tool um den Kontaktaufbau auch über einen längeren Zeitraum im Team zu tracken.
Tipp: Ein nachhaltiges Netzwerk beruht auf Reziprozität, dem Prinzip des wechselseitigen Gebens und Nehmens. Grundsätzlich ist empfohlen, sich bei der Kontaktaufnahme auf das Geben zu fokussieren und sich zu fragen „Was kann ich einbringen oder anbieten?“ (dazu gehören auch wertschätzende Worte). Eine gegensätzliche Haltung, die das Gegenüber nur (be-)nutzt, verhindert einen gesunden Beziehungsaufbau.
Literatur
Spiegel, P., Pechstein, A., Grüneberg, A., & von Hattburg, A. T. (2021). Future Skills: 30 zukunftsentscheidende Kompetenzen und wie wir sie lernen können. Vahlen.
Falls Sie das „Network Mapping“ Tool von Julia Schönbrunn ausprobieren wollen, können Sie eine pdf oder Mural Vorlage bei der Autorin Julia Schönbrunn anfragen ([email protected]).
Dr. Julia Schönbrunn hat im Bereich Organisationsentwicklung und soziale Netzwerke an der University of Greenwich (UK) am CBNA (Centre for Business Network Analysis) promoviert. Sie hat einen langjährigen Hintergrund im Management und ist Organisationsentwicklerin mit dem Schwerpunkt identitätsfördernder Vernetzung. Julia nutzt Vernetzungsmethoden, um Beziehungen und Kollaboration in Organisationen für ein erfolgreiches Transformation-Management zu fördern. Als Dozentin, u.a. an der WU Executive Academy in Wien, fördert Sie bei Führungskräften und Studierenden ein agiles und vernetztes Mindset zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Arbeitswelt.