Raus aus der Überlastung durch souveränes Nein sagen

Im Büro habe ich einen vollen Terminplan, und die nächsten Tage sind stark durchgetaktet, damit ich alle anstehenden Aufgaben gut und termingerecht erledigen kann. Das Telefon reißt mich aus der Konzentration und eine Kollegin fragt, ob ich sie „mal eben“ bei der Überarbeitung ihres Miro-Boards für einen Workshop nachmittags unterstützen kann. Nach dem anstrengenden Tag liege ich in der Hängematte und genieße die Ruhe, als mein Sohn vorbeikommt und – natürlich sofort! – beim Umräumen seines Zimmers Hilfe braucht. Abends schreibt meine Schwester in die Familien-Gruppe, dass für die nächste Woche das Geburtstagsgeschenk für unsere Tante organisiert werden muss und bittet mich, spontan einzuspringen – ich hätte doch immer die besten Ideen.

Im Büro habe ich einen vollen Terminplan, und die nächsten Tage sind stark durchgetaktet, damit ich alle anstehenden Aufgaben gut und termingerecht erledigen kann. Das Telefon reißt mich aus der Konzentration und eine Kollegin fragt, ob ich sie „mal eben“ bei der Überarbeitung ihres Miro-Boards für einen Workshop nachmittags unterstützen kann. Nach dem anstrengenden Tag liege ich in der Hängematte und genieße die Ruhe, als mein Sohn vorbeikommt und - natürlich sofort! - beim Umräumen seines Zimmers Hilfe braucht. Abends schreibt meine Schwester in die Familien-Gruppe, dass für die nächste Woche das Geburtstagsgeschenk für unsere Tante organisiert werden muss und bittet mich, spontan einzuspringen - ich hätte doch immer die besten Ideen.

Diese Liste ließe sich unendlich weiterführen. Während wir versuchen, mit den Anforderungen rund um Arbeit, Familie, Freunde, Haushalt und Ehrenamt zu jonglieren, landen ständig neue Bälle in unserem Spielfeld bzw. erleben wir Situationen, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen. 

Selbst-Check

Kennen Sie das auch? Für einen kurzen Selbst-Check beantworten Sie die folgenden Fragen für sich selbst:

  • Wie oft stelle ich meine eigenen Bedürfnisse zurück, um die meiner Mitmenschen zu erfüllen?
  • Wie oft ärgere ich mich, dass ich (vermeintlich) etwas tun muss?
  • Wie oft übernehme ich Aufgaben, bei denen ich mich nie getraut hätte, sie an andere zu „delegieren“? 
  • Wie oft fühle ich mich überlastet?
  • Wie oft frage ich mich: „warum immer ich“?
  • Wie oft sage ich ja, obwohl mein innerer Kompass auf NEIN! steht?

Warum das Nein sagen so schwierig ist

Vielen Menschen fällt es schwer, Nein zu sagen und sich abzugrenzen. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, ist es sinnvoll, einen Blick auf unsere Kindheit und Jugend zu richten: in dieser Lebensphase sind wir darauf angewiesen, dass andere Menschen sich um uns kümmern. Gerade in der frühen Kindheit sind Verbindungen überlebenswichtig. Ein Säugling oder Kleinkind braucht in hohem Maße Nahrung, Schutz und Zuwendung. Auch bei älteren Kindern und Jugendlichen müssen neben physiologischen auch emotionale und soziale Bedürfnisse erfüllt werden, damit sie sich gut entwickeln und Schritt für Schritt selbständiger werden können.
Auch Familien, Beziehungen, Schulen, Vereine, Netzwerke, Unternehmen usw. funktionieren nur dann gut, wenn jeder nicht nur auf eigene Bedürfnisse schaut. Es ist also grundsätzlich nichts Schlechtes daran, anderen Menschen helfen zu wollen. Eine Studie der Yale University (Raposa et al., 2016) zeigt sogar, dass Altruismus – die uneigennützige Unterstützung anderer Menschen – Stress reduzieren und für positive Emotionen und Wohlbefinden sorgen kann. 

Kritisch wird es erst dann, wenn man dazu neigt, regelmäßig und automatisch die eigenen Prioritäten zurückzustellen, weil man nicht Nein sagen kann. Denn das bedeutet in der Folge entweder, eigene Ziele aus den Augen zu verlieren oder aber zusätzlich zu den eigenen Aufgaben weitere ToDos zu übernehmen. Die Folge sind Stress und Überlastung. 

Ja sagen ist funktional

Irgendeinen Vorteil muss dieses Verhalten ja haben. Je nach Kontext bzw. Persönlichkeit haben wir bestimmte Glaubenssätze bzw. erfüllen wir uns durch das Ja bestimmte Bedürfnisse, z.B.:

  • Akzeptanz / Gemocht werden: Mir ist es wichtig, was Andere von mir denken – vielleicht glaube ich sogar, nur dann gemocht zu werden, wenn ich zu allem Ja sage und alles für meine Mitmenschen tue, wogegen ein Nein gleich gesetzt wird mit Ablehnung der Person. 
  • Harmonie / Konfliktvermeidung: Ich erwarte einen Konflikt, wenn ich Nein sage und vermeide ihn – vielleicht weil ich denke, nicht gut im Streiten zu sein, es sich nicht gut anfühlt oder aus Angst vor einer möglichen Eskalation bzw. im Extremfall sogar dem Abreißen der Verbindung.
  • Aufopferung: Ich brauche das gute Gefühl, gebraucht zu werden – vielleicht weil ich glaube, dass darin meine Rolle bzw. Daseinsberechtigung besteht.
  • „Fear of missing out“: Ich will immer dabei sein, wo etwas los ist und tanze aus Angst etwas zu verpassen auf jeder Hochzeit.
  • Perfektionismus / Kontrolle: Ich glaube, nichts geht ohne mich. Wenn ich mich nicht kümmere, gibt es kein gutes Ergebnis.

Menschen sagen also oft Ja zu wenig attraktiven Tätigkeiten, um positive Gefühle zu erzielen bzw. negative Emotionen zu vermeiden. Häufig folgen auf ein erfolgreich geäußertes Nein ein schlechtes Gewissen, Schuldgefühle, Verlegenheit oder Scham.

Ein Ergebnis könnte z.B. sein, dass ich die Auseinandersetzung mit meinem Gegenüber vermeide (positive Konsequenz), aber mit dem Ergebnis, dass ich den Konflikt nach innen verlagere, weil es mir gegen den Strich geht, dass ich etwas übernehme, das mir nicht wichtig ist – mein Wert kollidiert mit dem Ja. Oder aber ich nehme die negative Konsequenz in Kauf, dass die zusätzliche Arbeit auf Kosten der Aufgaben geht, an denen ich gemessen werde.

Ein Gewinn des Nein-Sagens könnte andererseits sein, dass ich meine Mitmenschen zu einer besseren Planung „erziehe“ – wenn sie merken, dass ich gerne unterstütze, aber mit größerem Vorlauf (Beispiel Kollegin / Sohn).

Praktische Tipps 

Der erste Schritt ist die persönliche Selbstreflektion. Sobald ich das Augenmerk auf das Thema richte, lerne ich meine eigenen Beweggründe bzw. Trigger besser kennen – eine gute Voraussetzung dafür, nicht mehr automatisch und zu jeder Anfrage Ja zu sagen. Um herauszufinden, was Ihre persönlichen Beweggründe sein könnten, empfehle ich folgende Reflexionsfragen – am besten mit einer konkreten Situation vor Augen:

  • Was ist mein persönlicher Gewinn, wenn ich Ja sage?
  • Was sind die Kosten?
  • Was gewinne ich, wenn ich Nein sage?

Die folgenden Strategien können hilfreich sein:

  • Empathie äußern: „Ich verstehe gut, dass Du Dir für (…) Unterstützung wünschst, aber damit meine Präsentation für morgen gut vorbereitet ist, muss ich jetzt dafür die Folien erstellen“
  • Nicht moralisieren: sich selbst klar machen, dass die Ablehnung einer Bitte zu diesem Zeitpunkt nicht heißt, dass Sie nicht hilfsbereit sind: „Grundsätzlich unterstütze ich Dich gerne, aber bitte hab auch Verständnis dafür, dass…“
  • Vertagen: um Zeit für ein Abwägen der Kosten / Gewinne eines Ja oder Neins zu bekommen, schlagen Sie einen Zeitpunkt vor, an dem Sie Rückmeldung zu der Bitte Ihres Gegenübers geben können. „Ich schaue in meinen Terminkalender / spreche mit meiner Familie etc. und gebe Dir dann in einer Stunde / morgen… Bescheid.“
  • Alternativen anbieten: „Leider kann ich nicht …, aber wenn es Dir hilft…“
  • Wenn-dann konkret und konsequent formulieren und umsetzen: „Wenn ich meine Aufgabe fertig habe, dann kann ich Dir helfen“
  • Mit kleinen Schritten und im geschützten Rahmen anfangen (wenn nicht viel auf dem Spiel steht), um zu üben Nein zu sagen und den eigenen Stil zu finden – anschließend die Vorteile Ihres Neins reflektieren.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein zwei neue Glaubenssätze zu dem Thema vorschlagen:

  • „Nein sagen ist Selbstfürsorge“
  • „Mein Nein gibt mir den Raum, zu den für mich wichtigen Dingen Ja zu sagen – mich auf die Dinge zu konzentrieren, die mir selbst am Herzen liegen“

Vielleicht finden Sie für sich auch noch einen neuen, für Sie inspirierenden Satz?

In diesem Sinne: Viel Erfolg!


Literatur

Raposa, E. B., Laws, H. B., & Ansell, E. B. (2016). Prosocial Behavior Mitigates the Negative Effects of Stress in Everyday Life. Clinical Psychological Science4(4), 691–698. https://doi.org/10.1177/2167702615611073


Im Büro habe ich einen vollen Terminplan, und die nächsten Tage sind stark durchgetaktet, damit ich alle anstehenden Aufgaben gut und termingerecht erledigen kann. Das Telefon reißt mich aus der Konzentration und eine Kollegin fragt, ob ich sie „mal eben“ bei der Überarbeitung ihres Miro-Boards für einen Workshop nachmittags unterstützen kann. Nach dem anstrengenden Tag liege ich in der Hängematte und genieße die Ruhe, als mein Sohn vorbeikommt und - natürlich sofort! - beim Umräumen seines Zimmers Hilfe braucht. Abends schreibt meine Schwester in die Familien-Gruppe, dass für die nächste Woche das Geburtstagsgeschenk für unsere Tante organisiert werden muss und bittet mich, spontan einzuspringen - ich hätte doch immer die besten Ideen.

Diplom-Psychologin Steffanie Beckmann ist Coach (DGfC) und Personalentwicklerin mit den Schwerpunktthemen Selbstentwicklung & Führung und setzt Mentorings, Coachings und Trainings bei einem genossenschaftlichen Arbeitgeber in Münster um.