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Human Sustainability at Work

Sustainability – Nachhaltigkeit – ist in aller Munde. Auch an der TUM wurde soeben ein Strategiepapier veröffentlicht, das konkrete Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit vorschlägt. Als Verantwortliche für das Thema Leadership and Talent Management an der TUM habe ich mich gefragt: Was hat das Thema Nachhaltigkeit mit mir/meiner Arbeit zu tun?

Und „just-in-time“ stolpere ich gestern über einen Artikel, der gerade im Journal of Management erschienen ist (Barnes et al., 2022, siehe unten). Der Artikel startet mit der Annahme, dass Organisationen dann am besten „performen“, wenn auch die „Human Resource“ nachhaltig „ge-managed“ wird (Entschuldigung für das Denglish, es lässt sich am besten so darstellen). Nun will ich Menschen sicher nicht als Ressource verstehen, aber aus Managementsicht kann ich diese Perspektive nachvollziehen. Ausgehend von dieser Grundannahme wird Human Sustainability so definiert:

Human sustainability is „an employee’s ongoing ability to maintain health (psychological, social, and physical) without subverting growth (the investment of resources into expanding the self beyond its current state) or generativity (the investment of resources into expansion outside or beyond the self)“ (Barnes et al., 2022, p. 2).

Und hier hatte ich bereits das erste Aha: Human Sustainability wird in Zusammenhang gebracht mit Gesundheit (spannend!) und persönlichem Wachstum bzw. Verantwortungsübernahme für andere (und hier ist nicht Wachstum im Sinne von mehr Gewinn gemeint!). Genauer gesagt: Human Sustainability besteht dann, wenn Mitarbeitende ihre Gesundheit erhalten können, ohne persönliches Wachstum und Verantwortungsübernahme einzubüßen.

Die Autor*innen schlagen einen theoretischen Rahmen vor, der Human Sustainability näher beschreibt: Die sogenannte Restricted Employee Sustainability Theory. Die Abbildung unten ist dem Artikel entnommen (Barnes et al., 2022, p. 3)

Sustainability – Nachhaltigkeit – ist in aller Munde. Auch an der TUM wurde soeben ein Strategiepapier veröffentlicht, das konkrete Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit vorschlägt. Als Verantwortliche für das Thema Leadership and Talent Management an der TUM habe ich mich gefragt: Was hat das Thema Nachhaltigkeit mit mir zu tun?

Abb. 1: Restricted Employee Susatainability Theory

Um diese Theorie herzuleiten, beziehen sich Barnes et al. auf andere (psychologische) Theorien, u.a. diese drei Theorien, deren Kernannahmen ich ganz kurz zusammenfasse:

  1. Effort Reward Imbalance Theory – Menschen haben das Bedürfnis, dass die „Rewards“ ihrem „Effort“ entsprechen; ist dieses Bedürfnis nicht erfüllt, verringert das ihre (psychische/physische) Gesundheit
  2. Self-Determination Theory – Menschen möchten sich als kompetent, autonom und gebunden erleben, damit sie gesund bleiben
  3. Job-Demands-Resources-Model – Wenn Menschen sich überfordert fühlen, weil die Anforderungen ihre Ressourcen übersteigen, leidet ihre Gesundheit

Spannend fand ich auch den Bezug zur Dynamic Energy Budget Theory, die davon ausgeht, dass Organismen chronischen und/oder akuten Stressfaktoren ausgesetzt sind, die ihre Gesundheit bedrohen, und konstant versuchen, eine Balance zwischen Anforderungen und Ressourcen (wieder) herzustellen. Auch am Arbeitsplatz sind wir konstant oder in bestimmten (Krisen)Situationen solchen „Bedrohungen“ ausgesetzt, also Anforderungen, die möglicherweise kurz- oder langfristig unsere Gesundheit beeinträchtigen. Das können emotionale Anforderungen sein wie eine hohe psychische Belastung in Care-Berufen und großer Zeitdruck, interpersonelle Herausforderungen wie schlechte Führung, Konflikte oder Diskriminierung am Arbeitsplatz, aber auch Jobunsicherheit.

Um (wieder) eine Balance herzustellen können wir

1) Ressourcen aufrechterhalten bzw. zurückgewinnen (in erster Linie durch Erholung, also Schlaf, Pausen, Urlaub, Sport, soziale Aktitiväten u.a.),

2) daran „wachsen“ und persönlich reifen (Sinn in der Arbeit suchen, Selbstwirksamkeit und Empowerment erleben und konkreter: Weiterbildungsangebote wahrnehmen, einen neuen spannenden Job annehmen, der uns persönlich weiterbringt) und

3) Verantwortung für andere übernehmen, um das Kollektiv zu stärken (Mentoring anbieten, Rat einholen / geben, Empathie zeigen).

Interessanterweise geht diese Theorie davon aus, dass es unser Ziel ist, die Balance aus Anforderungen und Ressourcen stabil zu halten – und damit auch gesundheitlich stabil zu sein. Die Autor*innen beschreiben das als „Überleben“ (Surviving) und kritisieren zurecht, dass es ja nicht nur darum gehen kann, irgendwie im Job zu bestehen, sondern dass Menschen bestenfalls eine „positive Energiebilanz“ am Arbeitsplatz erreichen wollen, also dass uns die Arbeit nicht Energie nimmt sondern gibt (Thriving). Und dafür müssen die drei oben genannten Strategien zusammenspielen – und nicht in Konkurrenz zueinander stehen: Aufrechterhaltung * Wachstum *Verantwortungsübernahme. Ein konkretes Beispiel: Die gewünschte Beförderung geht auf Kosten der Gesundheit, weil man (zeitweise) mehr und intensiv arbeitet und dadurch die Erholung zu kurz kommt – also Wachstum auf Kosten von Erholung…wie solche unterschiedlichen, möglicherweise konkurrierenden Ziele vereinbar sind, ist eine offene Frage, die die Autor*innen am Ende auch als Forschungsanregung formulieren.

Und die letzte wichtige Frage, die der Artikel aufwirft ist: Wie kann Human Sustainability in Organisationen gemessen werden? Und wie können Anreize geschaffen werden, Human Sustainability zu bewahren/steigern?

Quelle:

Barnes, C. M., Wagner, D. T., Schabram, K., & Boncoeur, D. (2022). Human Sustainability and Work: A Meta-Synthesis and New Theoretical Framework. Journal of Management, Online First. https://doi.org/10.1177/01492063221131541