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Boreout – wenn Unterforderung am Arbeitsplatz krank macht

Bei Burnout entsteht Erschöpfung durch permanente Überforderung. Doch was viele unterschätzen: Erschöpfung kann auch durch Unterforderung und Langeweile entstehen.

Thomas hat Spaß an seinem Job im Bereich Unternehmenskultur. Er ist gut vernetzt und hat verantwortungsvolle Aufgaben. Doch nach einer grundlegenden Veränderung der Unternehmensstruktur gerät sein Arbeitsbereich immer mehr aus dem Fokus. Obwohl er sich bis dato gut vernetzt fühlte, erfährt er immer häufiger erst im Nachhinein von relevanten Entscheidungen, es gehen Informationen an ihm vorbei und seine Beratung wird nur noch selten angefragt. Während seine KollegInnen viel zu tun haben, bleibt sein Kalender leer – was ihm anfangs sehr unangenehm ist. Weil er fast nichts mehr zu tun hat, vergehen die Arbeitsstunden nur schleppend und seine Arbeit erscheint ihm sinnlos. Obwohl er nur wenig „schafft“, fühlt er sich nach Feierabend kaputt und energielos. Thomas leidet an Boreout.

Was ist Boreout?

Boreout (von Englisch boredom = Langeweile) wird als belastende Langeweile bezeichnet und stellt somit den Gegenpol zum Burnout dar. Während Menschen mit Burnout sich ausgebrannt fühlen und über Erschöpfung, Lustlosigkeit und Überforderung klagen, stehen bei Boreout Langeweile, Erschöpfung und Lustlosigkeit durch eine permanente qualitative und quantitative Unterforderung im Mittelpunkt. Während Burnout gefährlicher Weise mit dem Glorienschein der Wichtigkeit versehen ist, entsteht beim Betroffenen von Boreout aufgrund der fehlenden Wirksamkeit oft ein Eindruck der eigenen Bedeutungs- und Nutzlosigkeit. Kompetenzen können wenig oder gar nicht eingebracht werden und die Beschäftigten fühlen sich schlecht, weil sie zu wenig arbeiten bzw. erreichen. Bei länger anhaltender Unterforderung können Selbstzweifel aufkommen, so dass das Selbstbewusstsein ins Schwanken gerät. Es droht ein Verlust der Lebensfreude und der Leistungsfähigkeit.

Die Folgen von Boreout

Hat man nichts (Sinnvolles) zu tun, entsteht bei den Betroffenen neben der negativen Stimmung auch eine Antriebs- und Energielosigkeit, die sich auf das Privatleben übertragen und sogar die Entwicklung körperlicher Symptome begünstigen kann. Dazu zählen Infektionsanfälligkeit, Tinnitus, Magenbeschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen sowie Schwindelgefühle.

Warnsignale: Leiden Sie an Boreout? (Selbstcheck der Techniker Krankenkasse)

  • Sie erledigen während der Arbeitszeit immer wieder nicht-Berufliches oder verschicken private Nachrichten 
  • Sie haben kein Interesse an Ihrer Arbeit und fühlen sich gelangweilt oder unterfordert. 
  • Sie spielen anderen vor, dass Sie viel zu tun haben.
  • Nach der Arbeit sind Sie erschöpft, obwohl Sie keinen stressigen Tag hatten.
  • Sie sehen keinen tieferen Sinn in Ihrer Arbeit und fühlen sich unglücklich.
  • Sie „strecken“ die vorhandene Arbeit und arbeiten langsamer als eigentlich nötig.
  • Sie würden am liebsten den Job wechseln, aber äußere Faktoren halten sie davon ab.

Auch aus Unternehmenssicht ist Boreout problematisch, denn aus den gesundheitlichen Folgen resultieren Fehltage, die den Arbeitgeber wirtschaftlich direkt belasten. Die Unternehmensberater Philippe Rothlin und Peter R. Werder schätzen in ihrem Buch „Unterfordert: Diagnose Boreout  – wenn Langeweile krank macht“ (2007), dass das weit verbreite, aber unterschätzte Phänomen in Deutschland einen gesamtwirtschaftlichen Schaden im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich verursacht. Was also können Unternehmen und Betroffene tun?

Ansatzpunkte für Unternehmen

Aufgepasst bei der Personalauswahl! Schon bei Einstellung neuer Mitarbeitenden kann Boreout vorgebeugt werden: es sollte nicht nur auf die Passung des Bewerbers auf aktuelle Aufgaben der Stelle geachtet werden, sondern auch in Blick genommen werden, wie stark der Wachstumswille bzw. das Wachstumspotential des Bewerbers ausgeprägt ist. Bietet die ausgeschriebene Stelle langfristig nur wenig Entwicklungsmöglichkeiten, birgt das die Gefahr, dass der neue Mitarbeiter schnell am Ende seiner Wachstumskurve ankommt und seinen Aufgaben entwächst.

Bei kurzfristigen „Flauten“ im Aufgabenvolumen kann es bereits helfen, dass ggf. die Präsenzpflicht am Arbeitsplatz ausgesetzt wird bzw. Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden. Solche ruhigeren Phasen könnten darüber hinaus aktiv genutzt werden, um sinnvolle Weiterbildungen, Veranstaltungen oder Selbstlern-Formate zu ermöglichen.

Führungskräfte sollten versuchen, die Aufgabenbereiche ihrer Mitarbeiter an deren Profil oder an neue Umstände anzupassen. Gleichzeitig will die Aufgabenverteilung im Team beobachtet und gesteuert werden, damit nicht Einzelne überlastet und Andere unterausgelastet sind.

Darüber hinaus ist wichtig, dass Führungskräfte und Mitarbeitenden-Vertretungen für das Thema Boreout  sensibilisiert werden, so dass Betroffene leichter Unterstützung finden.

Ansatzpunkte für Betroffene

Boreout -Betroffenen wird häufig wenig Verständnis entgegengebracht, wenn sie über ihr Problem sprechen. Die Situation wird von Außenstehenden als attraktiv bewertet („Das hätte ich auch gerne mal!“). Oder aber es taucht der Verdacht auf, es läge am Mitarbeitenden selbst. So ist es nicht verwunderlich, dass Betroffene ihren Zustand anfangs häufig vertuschen, z.B. indem eine hohe Auslastung vorgetäuscht wird. Zur unbefriedigenden Situation kommt dann der Druck, diese geheim halten zu müssen.

Stattdessen sollten Betroffene mit Führungskräften oder Personalern ins Gespräch gehen und gemeinsam Lösungen entwickeln, sofern ein gutes Verhältnis besteht. Fruchtet all das nichts und es eröffnet sich den Betroffenen keine Perspektive, sollten sie versuchen, die Inaktivität zu überwinden und um Versetzung bitten oder sogar extern nach einer neuen Stelle umschauen. Love it, change it or leave it… 

Bei Burnout entsteht Erschöpfung durch permanente Überforderung. Doch was viele unterschätzen: Erschöpfung kann auch durch Unterforderung und Langeweile entstehen.

Diplom-Psychologin Steffanie Beckmann ist Coach (DGfC) und Personalentwicklerin mit den Schwerpunktthemen Selbstentwicklung & Führung.