Gestärkt durch die Krise – gestärkt aus der Krise!

Warum es jetzt auf Teamresilienz ankommt

Aktuell erleben viele von uns, dass durch die Corona-Krise etablierte Arbeitsroutinen nicht mehr funktionieren und wir uns auf neue Arten der Zusammenarbeit einstellen müssen. Statt dem gewohnten Teammeeting finden Absprachen nun per Videokonferenz statt. Wir erhalten kaum Feedback von anderen, sondern müssen aktiv danach fragen. Der Austausch erfolgt nicht mehr informell an der Kaffeemaschine, sondern muss jetzt geplant werden. Teammitglieder fallen aufgrund von Krankheit aus oder können nicht die gewohnte Leistung erbringen. Viele Teams stehen unter dem Druck, in einer unklaren Gesamtsituation weiter zum Geschäftserfolg beizutragen. Gleichzeitig machen sich viele Sorgen darüber, ob ihr Unternehmen die Krise gut übersteht oder ob der eigene Job in Gefahr ist. Wir machen uns über unsere Familie und Freunde Sorgen und hoffen, dass sie gesund bleiben. Die Corona-Krise bedeutet in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere Herausforderung und Belastung für Teams in Organisationen.

Teamresilienz ist die Fähigkeit von Teams, Herausforderungen, Druck oder Stress, die den Teamzusammenhalt, die Zusammenarbeit im Team oder die Teamleistung gefährden, zu überwinden, sich davon rasch zu erholen und (wieder) leistungsfähig zu sein.

Die Resilienzforschung beschäftigt sich mit der Frage, wie Teams mit solchen besonderen Belastungen gut umgehen und welche Verhaltensweisen sie stark dafür machen, Krisen und herausfordernde Zeiten zu meistern – und möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Alliger und Kolleg*innen (2015) haben sehr konkrete Hinweise und Empfehlungen zusammengestellt, die ich hier kurz zusammenfasse.

Was machen resiliente Teams anders?

Resiliente Teams erkennen schnell (an), welche Herausforderungen die Teamarbeit gefährden und wenden sich diesen Problemen frühzeitig zu, während weniger resiliente Teams Warnsignale lange ignorieren. Resiliente Teams nutzen ihre sozialen und emotionale Ressourcen wie Zusammenhalt und soziale Unterstützung, um die Krise zu meistern. Sie geben sich gegenseitig Kraft, die Krise erfolgreich zu meistern. Sie erkennen, wann jemand Unterstützung braucht und können Arbeitsprozesse auch unter Stress aufrechterhalten, indem sie füreinander einspringen. Ein Symptom für geringe Resilienz sind dagegen schwelende Konflikte zwischen Teammitgliedern, ein Ausbleiben der Kommunikation und schlechte Stimmung im Team. Resiliente Teams finden kreative Lösungsvorschläge, experimentieren mit neuen Ansätzen und finden innovative Ansätze, um mit Herausforderungen umzugehen. Dagegen verbleiben weniger resiliente Teams in einem Zustand der Passivität und bestärken sich gegenseitig in ihrem Gefühl der Hilflosigkeit.

Wie kann man Teamresilienz stärken?

Soforthilfe: Unmittelbar helfen standardisierte Prozesse und Checklisten. Bestenfalls existieren sie bereits vor der Krise, denn sie helfen dem Team, die Aufgaben im „Tagesgeschäft“ in strukturierter und zügiger Art und Weise weiter zu bearbeiten und damit mehr Zeit und Energie für den Umgang mit der besonderen Situation zu haben. Es hilft außerdem, Informationen darüber zu haben, wer welche Fachkenntnisse und Kompetenzen hat und bei Problemen und Fragen unterstützen kann.

Teams sollten sich Zeit nehmen, über aktuelle Herausforderungen und wie sie damit umgehen zu sprechen (siehe auch wissens.blitz 186). Folgende Leitfragen können diese Diskussion strukturieren:

  • Vor welchen konkreten Herausforderungen stehen wir gerade? Welche Herausforderungen werden noch auf uns zukommen?
  • Wie gehen wir als Team gerade mit der Situation um? Was ist hilfreich, was ist weniger hilfreich?
  • Wie können wir noch besser mit der Situation umgehen? Was braucht jede/r einzelne – und was kann jede/r geben?
  • Was nehmen wir uns konkret vor?

Der beste Weg, die Teamresilienz nach der Überwindung der aktuellen Herausforderungen langfristig zu stärken, ist ein ‚Post-Corona-Debrief‘: Dabei werden Reflexion, Diskussion und Planung kombiniert. Die Teams haben die Gelegenheit, ihre persönlichen „Lesson Learned“ nach der Bewältigung der Krise abzuleiten. Das Team kann sich hierzu folgende Fragen stellen:

  • Wie gut sind wir als Team mit den Herausforderungen umgangen?
  • Welche Verhaltensweisen resilienter Teams (s.o.) haben wir gezeigt? Welche nicht – und warum nicht?
  • Was können wir tun, um mit zukünftigen Herausforderungen besser umzugehen (bspw. Checklisten erstellen, s.o.)?

Teams durch die Krise / aus der Krise „führen“

Eine besondere Rolle hat die Teamleitung inne: Sie kann „Resilienzkiller“ minimieren. Transparente Kommunikation ist besonders wichtig – auch dass die Situation unklar ist, darf  und soll explizit ausgedrückt werden. Als Vorbild sollte die Teamleitung eigene Herausforderungen und Stress selbst ansprechen. Sie muss Hinweise und nonverbale Warnsignale aus dem Team ernst nehmen und sich dann dafür Zeit nehmen. Sie muss dazu ermutigen, Herausforderungen und Probleme anzusprechen und sich aktiv Unterstützung von Teamkolleg*innen zu holen. Sie muss Verständnis dafür zeigen, dass die gewohnte Teameffizienz und -leistung vorübergehend nicht erreicht werden kann. Sie sollte Wertschätzung für jede Anstrengung ausdrücken, in der kritischen Situation weiterhin gut zusammenzuarbeiten. Sie muss Zeit und Raum für Teamreflexion und -diskussion geben, so dass das Team regelmäßig prüfen kann, ob es gute Lösungen für aktuelle Probleme finden konnte. Und zuletzt: Sie sollte Zuversicht und Vertrauen in das Team ausdrücken!

Kommen Sie gut durch die Krise und bleiben Sie gesund!

Referenz: Alliger et al. (2015). Team resilience: How teams flourish under pressure. Organizational Dynamics, 44, 176–184.

Warum es jetzt auf Teamresilienz ankommt

Kristin Knipfer

Dr. Kristin Knipfer forscht an der TU München an der Schnittstelle von organisationalem Lernen, Führung und Führungskräfteentwicklung. Sie untersucht unter anderem, wie Führungspersonen das Lernen von Organisationsmitgliedern, Teams und der Organisation als Ganzes erleichtern – oder verhindern. Sie ist als Dozentin für das Executive Education Center der TUM sowie als Trainerin für wissenschaftliche Einrichtungen tätig. Auf wissens.dialoge schreibt sie zu den Themen Führung und Lernen.