„Sociability“ – ein Erfolgsfaktor beim Wissensmanagement?

Facebook ist mittlerweile nach Google zum am häufigsten genutzten Internetdienst in Deutschland geworden (in Amerika hat Facebook Google bereits überholt!). Andere, ähnliche Internetdienste sind Facebook dicht auf den Fersen (z.B. youtube, twitter). Eben habe ich eine Studie entdeckt, die (möglicherweise?) eine Erklärung für den Erfolg von Facebook & Co. liefert: Die 2010 erst publizierte Studie (Gao et al., Computers in Human Behavior) wies nach, dass die wahrgenommene „Sociability“ maßgeblich mitbestimmt, ob Personen motiviert sind, eine Computer- bzw. Internetanwendung zu nutzen!

Was ist diese „Sociability“, die scheinbar über Erfolg oder Misserfolg entscheidet? Sociability bezieht sich auf die Interaktion zwischen Nutzern – sie beschreibt die „menschliche“ Seite eines Systems und ist damit für mich als Psychologin besonders interessant! Man spricht also von der Sociability eines Systems, um dessen „Lebendigkeit“ zu beschreiben (siehe auch die Publikationen von Preece et al. zu diesem Thema). Leider lässt sich der Begriff schlecht übersetzen (weder „Geselligkeit“ noch „Gemütlichkeit“ trifft es ganz…), deshalb bleibe ich für diesen Beitrag beim englischen Begriff.

Die Überlegungen zu Sociability lassen sich leicht auf heutige Wissensmanagementsysteme übertragen, insbesondere da hier häufig Web2.0-Anwendungen implementiert werden (bspw. Unternehmenswikis, -blogs, Communities etc). Aber wie kann man die Sociability eines Wissensmanagementsystems erhöhen? Die Methode der Wahl, eine hohe Sociability zu erreichen, muss es sicherlich sein, schon bei der Auswahl oder der Entwicklung eines Wissensmanagementsystems vor allem die (sozialen!) Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer zu berücksichtigen statt Standardlösungen zu implementieren:

Wer sind die zukünftigen Nutzer, was sind deren Ziele und Bedürfnisse?
Welche sozialen Interaktionen zwischen Nutzern sind gewünscht?
Welche sozialen „Funktionen“ des Systems werden erwartet?
Welche Kontaktmöglichkeiten möchten/brauchen die Nutzer?
(Wie) Sollen die Interaktionen der Nutzer reguliert werden?
Wie können soziale Beziehungen aufgebaut werden?
Wie kann die Identifikation mit der Gruppe der Nutzer gefördert werden?

Spannend wird es nun, wenn man bedenkt, dass die Sociability eines Systems dynamisch ist: Ein Computersystem mag zwar ein bestimmtes (Aktivierungs-)Potenzial in Bezug auf Interaktion und Kommunikation aufweisen, aber letztlich kann das Design des Systems nicht vorwegnehmen, was sich an sozialen Interaktionen und Beziehungen zwischen den Nutzern entwickelt, wie viel echte Partizipation und Interaktion sich entwickelt!

(Vorläufiges) Fazit: Nicht nur die Usability (Benutzerfreundlichkeit) entscheidet also über Erfolg oder Misserfolg eines Systems, sondern auch die Sociability – nicht umsonst heißen Web2.0-Anwendungen und -dienste auch Social Software oder Social Web! Obwohl das direkt einsichtig erscheint, gibt es meines Wissens bislang zwar etablierte Kriterien und Designstandards für die Usability, nicht aber für die Sociability eines Systems?! Es gibt viel zu tun…und viel zu wissen;) Ich blogge deshalb weiter auf wissensdialoge.de!

Bildnachweis: Gerd Altmann / pixelio.de

Kristin Knipfer

Dr. Kristin Knipfer forscht an der TU München an der Schnittstelle von organisationalem Lernen, Führung und Führungskräfteentwicklung. Sie untersucht unter anderem, wie Führungspersonen das Lernen von Organisationsmitgliedern, Teams und der Organisation als Ganzes erleichtern – oder verhindern. Sie ist als Dozentin für das Executive Education Center der TUM sowie als Trainerin für wissenschaftliche Einrichtungen tätig. Auf wissens.dialoge schreibt sie zu den Themen Führung und Lernen.

5 thoughts on “„Sociability“ – ein Erfolgsfaktor beim Wissensmanagement?

  • 26. Januar 2011 um 10:11
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    Es ergeben Sie für mich zwei Fragen:
    1.) Ist Sociability nicht einfach Aspekt von Usability? Letztlich bestimmt also das Design (damit meine ich Aussehen aber eben auch Interaktionsdesign und Informationsdesign.) Das Design legt dem Benutzer nahe welche Interaktionmöglichkeiten genutzt werden, welche Art von Inhalten ausgetauscht werden, wie Kontakte geknüpft werden.

    Beispiel: Ich wähle XING für berufliche Kontakte, weil das Design mir gleich klar macht, dass es um berufliches geht (Prominent ist: Firma, Berufsbezeichnung, Tätigkeite, ich suche, ich biete). Ich nutze Facebook für private Kontakte, weil das Design mit gleich klar mache, hier gehts um Private (Prominent ist: Freunde, Interessen, Wohnort, Fotos )

    2.) Kann Sociability überhaupt systemseitig beeinflusst werden? Sind es nicht viel mehr „soft-factors“ oder psychologische (wegen mir auch gesellschaftliche Aspekte) die „in das System hineininterpretiert werden“. Wer Sociability designen will, muss also gar nicht bei System ansetzen, sondern bei den Nutzern. Beispiel: Wieso wird Facebook immer beliebter als StudiVZ? Ist das wirklich eine Frage des Systemdesigns, oder spielen andere Faktoren ein Rolle? Oder Warum finden (fast) alle das neue iPad gut, obwohl es Produkte mit gleichen oder sogar besseren Funktionen gibt?

  • 28. Januar 2011 um 10:12
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    zu 1) In erster Linie (bzw. im traditionellen Sinne) bezieht sich Usability auf die Interaktion eines Nutzers mit einem System (= Human-Computer-Interaction), wobei auch die Nutzungsabsicht (also quasi die „Aufgabe“) berücksichtigt werden muss. Sociability dagegen bezieht sich nach Preece und Kollegen auf die Interaktion zwischen mehreren Nutzern (= Human-Human-Interaction). Mit dieser Unterscheidung wollten Preece und Kollegen verdeutlichen , dass heutige bspw. Online Communities und andere Social Software sowohl technische als auch soziale Komponenten haben, also sozio-technische Systeme sind.

    Wenn man jetzt aber bedenkt, dass bei Social Software und Social Web-Anwendungen wie bspw. facebook die Aufgabe bzw. Nutzungsabsicht ja die Interaktion mit anderen ist (Kommunikation und Interaktion als „task“), dann verschwimmen beide Begriffe und es wird klar, dass Sociability auch als „Usability des Social Web“ beschrieben werden kann. Insofern gebe ich Dir recht, dass es nicht unabhängige Konzepte sind!

    Aber: Spannend fand ich eine Studie von Phang et al. (2009), die zeigt, dass die wahrgenommene Usability und die wahrgenommene Sociability völlig unterschiedliche Auswirkungen auf das Verhalten in Online Communities hat. Die Usability beeinflusste nämlich vor allem den Abruf von Wissen, die Sociability das Ausmaß, in dem die Nutzer eigenes Wissen beitragen!

    Aus psychologischer Sicht scheint es also sinnvoll zu sein, beide Konzepte zu trennen bzw. exlizit zu berücksichtigen!

    zu 2) Du hast vollkommen recht, man kann die Sociability nicht vollständig „kontrollieren“, da sie dynamisch ist und sich durch die Nutzer erst entwickelt bzw verändert (siehe vorletzter Absatz meines Beitrags). Man kann aber im Design bestimmte Affordanzen schaffen, und durch die Berücksichtigung von Nutzererwartungen und -bedarfen in Bezug auf die sozialen Aspekte bereits die Grundlage für eine hohe Sociability schaffen. Ich würde also abschließend sagen, dass man bei Entwicklung oder Auswahl zwei Aspekte berücksichtigen muss: a) „designing usability“ und b) „supporting sociability“!

  • 2. Februar 2011 um 21:14
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    mmmh … was heißt denn jetzt Sociability genau? Ist ein System, dass die Nutzer zur Interaktion anregt „sociable“? Oder ist es auch sociable wenn es einfach nur Spaß macht, mit einer Software zu arbeiten? Oder braucht es dafür immer auch andere Nutzer?

  • 15. Februar 2011 um 11:43
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    Ich habe nochmal ein wenig recherchiert, wie „Sociability“ operationalisiert wird, welches also Indikatoren für Sociability sind. Dabei wird in der Regel via Fragebogen oder Befragung die Wahrnehmung der Sociability bei den Nutzern abgefragt – einige wenige Artikel fokussieren mehr auf die technischen Aspekte und versuchen, Checklisten und Guidelines aufzustellen.

    Preece, die ja den Begriff geprägt hat spricht von folgenden faktoren, die beeinflussen, ob ein System sociable ist bzw. als sociable wahrgenommen wird: Soziale Präsenz (die lässt sich bspw. erreichen durch User Profile, Nutzung von Avataren, Informationen zum Online Status anderer Nutzer, aber sie hängt natürlich auch stark ab von den Nutzeraktivitäten selbst, also bspw. wie regelmäßig in einer Community Nachrichten gepostet werden oder wie „lebendig“ Chats sind u.ä.), Common Ground (also ob die Nutzer ein gemeinsames Verständnis/eine gemeinsame Sprache entwickeln konnten), Sense of Belonging (ein Zugehörigkeitsgefühl und die Identifizierung mit der Community – was vor allem von einer Passung von eigenen und Community-Zielen abhängt – sicher kann uns Katrin Wodzicki dazu noch mehr erzählen?), und Cooperation and Trust, also die gemeinsame Arbeit an gemeinsamen Zielen bzw. Vertrauen zur Community und anderen Nutzern (das kann systemseitig zum einen mitbestimmt werden bspw. über Transparenz zu den Regeln bzgl. Datenschutz und das entwicklet sich natrülich über die Zeit durch die Interaktion der Nutzer).

  • 16. Februar 2011 um 10:54
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    Hallo und vielen Dank für diese aufschlussreiche, verständliche Erklärung.
    Jetzt ist mir klarer ,was „sociability“ bedeutet.

    „Die Überlegungen zu Sociability lassen sich leicht auf heutige Wissensmanagementsysteme übertragen, insbesondere da hier häufig Web2.0-Anwendungen implementiert werden (bspw. Unternehmenswikis, -blogs, Communities etc). Aber wie kann man die Sociability eines Wissensmanagementsystems erhöhen?“

    Wenn es natürlich möglich wäre, ein Wissensmanagementsystem zu entwickeln,welches das Wissen einer Firma optimal vernetzt,den Datenschutz berücksichtig und gleichzeitig die sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiter schafft zu berücksichtigen, d. h, sich in einem Nutzersystem einer Firma eine „social“Community entwickeln würde das wäre eine gute Perspektive.

    „Sense of Belonging (ein Zugehörigkeitsgefühl und die Identifizierung mit der Community – was vor allem von einer Passung von eigenen und Community-Zielen abhängt – sicher kann uns Katrin Wodzicki dazu noch mehr erzählen?)“

    Ist das eine Möglichkeit, dass Mitarbeiter sich mit „ihrer“ Firma und dem implementierten Wissensmanagementsystem identifizieren?

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