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Sie haben die Wahl! Macht Sie das glücklich?

Wahlfreiheit macht motiviert und glücklich?  Das ist nicht immer so! Manchmal sind wir sogar engagierter, wenn andere für uns entscheiden. Welche Art der Auswahl zufriedenstellend und motivierend wirkt hängt davon ab, wie wir uns im sozialen Kontext definieren.

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In der Regel geht man davon aus, dass es besser ist, selbst zu entscheiden, als wenn jemand anderes dies für uns tut. Im Arbeitsleben haben wir deshalb häufig die Wahl: flexible Arbeitszeitmodelle, Auswahl zwischen Freizeit oder Ausbezahlung bei Überstunden, die Wahl zwischen verschiedenen Zielen beim Betriebsausflug oder die Entscheidung über das eigene Team sollen Motivation und Arbeitszufriedenheit stärken. Aber ist das auch so?

Das Selbst-Konzept im sozialen Umfeld

Die Forschung hat gezeigt, dass der Umgang mit Auswahl unterschiedlich erlebt wird, je nachdem, wie man sein Selbstkonzept „konstruiert“ (so genanntes self-construal). Die Forschung geht davon aus, dass es Menschen mit independentem und interdependentem Self-construal gibt.

Menschen mit independentem Self-construal schätzen ihre Unabhängigkeit zu Anderen und definieren sich über ihre einzigartigen Eigenschaften. Für Menschen mit interdependentem Self-construal ist die Verbundenheit mit wichtigen anderen Menschen ein Teil dessen, wie sie sich selbst sehen: die Beziehungen zu anderen, Gemeinsamkeiten und das harmonische Miteinander definieren das Selbstkonzept, während bei independenten Menschen gerade die Abgrenzung und Unterschiedlichkeiten entscheidend sind.

Interdependentes Self-construal wird stärker asiatischen Kulturen zugeschrieben, während independentes Self-construal eher ein Teil westlicher Kulturen ist. Aber auch die soziale Herkunft hängt mit dem Self-construal zusammen: Hohe Bildungsstufen gehen häufig mit independentem Self-construal einher, während in klassischen „Arbeiterkreisen“ eher interdependentes  Self-construal gefunden wird. Die Art des Self-construal ist aber individuell und kann innerhalb von Kulturen, der Herkunft und Kontexten variieren. Beide Arten sich selbst zu definieren beeinflussen, wie man mit Auswahl umgeht.

Self-construal und der Umgang mit Auswahl

Menschen mit independentem Self-construal haben vor allem Freude an Aufgaben, die sie selbst ausgesucht haben und die zu ihren eigenen inneren Bedürfnissen passen. Sie zeigen hier auch stärkeres Durchhaltevermögen, wenn es schwierig wird. Sie besitzen lieber Dinge, die einzigartig sind als Dinge, die jede/r hat.

Bei Menschen mit interdependentem Self-construal ist das anders! Sie mögen Dinge, die andere Menschen für sie aussuchen und sind motivierter, wenn eine andere Person für sie eine Aufgabe auswählt. Dabei muss es sich aber um eine Person handeln, die ihnen wichtig ist. Wenn Menschen mit interdependentem Self-construal Geschenke aussuchen, dann tun sie das lieber für Menschen, die ihnen am Herzen liegen, als für sich selbst und sind dabei deutlich aufmerksamer. Freuen tun sie sich selbst ebenfalls mehr über ein gut ausgesuchtes Geschenk als über ein selbst gewähltes.

Mitarbeitende durch Wahlfreiheit motivieren
1. Bei independentem Self-construal
• Lassen Sie Arbeitsaufgaben wo möglich selbst aussuchen.
• Wenn keine Wahlmöglichkeit besteht: betonen Sie die Einzigartigkeit der Aufgabe und die besondere Passung zur Person.
2. Bei interdependentem Self-construal
• Lassen Sie Entscheidungen für Andere treffen, z.B. die Organisation des Jubiläumsfestes oder die Auswahl des Betriebsausflugs.
• Entscheiden Sie auf der Basis der Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Eine aufmerksame Auswahl motiviert hier mehr als die Wahl zu haben.
• Bemühen Sie sich um eine gute Beziehung! Nur die Entscheidungen wichtiger anderer Personen wirken motivierend und zufriedenstellend.

Wichtig ist, für wen man aussucht

Die Wahl zu haben macht also tatsächlich zufriedener, engagierter und motivierter. Entscheidend ist dabei aber, dass Menschen eben mehr oder weniger gerne für sich bzw. für Andere entscheiden und es auch mehr oder weniger mögen, wenn für sie entschieden wird. Wenn Sie also Ihren Mitarbeitenden Wahlfreiheiten anbieten, dann tun Sie das am besten gezielt (siehe Kasten). Wie Sie das Self-construal von Mitarbeitenden herausfinden? Beobachten Sie kleine Entscheidungen, z.B. in der Kantine, bei der Auswahl des Arbeitsmaterials, oder bei der Wahl eines Geschenks für sich/andere und achten Sie darauf, welche Entscheidungen freudig getroffen werden.

 

Literaturnachweis
Iyengar, S. S., & Lepper, M. R. (1999). Rethinking the value of choice: a cultural perspective on intrinsic motivation. Journal of Personality and Social Psychology, 76, 346-366.
Pöhlmann, C., Carranza, E., Hannover, B., & Iyengar, S.S. (2007). Repercussions of self-construal for self-relevant and other-relevant choice. Social Cognition, 25, 284-305.

Zitieren als: Matschke, C. (2017). Sie haben die Wahl. Macht Sie das glücklich? wissens.blitz (174). https://wissensdialoge.de/siehabendiewahl

Wahlfreiheit macht motiviert und glücklich?  Das ist nicht immer so! Manchmal sind wir sogar engagierter, wenn andere für uns entscheiden. Welche Art der Auswahl zufriedenstellend und motivierend wirkt hängt davon ab, wie wir uns im sozialen Kontext definieren.