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Mit welchen Themen sich ArbeitspsychologInnen in der digitalisierten Welt beschäftigen

Alle sprechen über Digitalisierung, Arbeitswelt 4.0, New Work oder New Ways of Working. Die Implementierung von New-Work-Neuerungen betrifft vor allem PraktikerInnen. Das sind Arbeitgebende, die ihre Unternehmen auf dem aktuellsten Stand halten wollen, aber auch Arbeitnehmende, die von entsprechenden Neuerungen in Form von Chancen aber auch Risiken betroffen sind. Während sich also vor allem PraktikerInnen der Digitalisierung stellen (müssen), arbeiten auch PsychologInnen ‚im Backoffice‘ auf Hochtouren. Wieso? – Weil diese mit Herzblut versuchen, PraktikerInnen vor möglichen Herausforderungen (und sogar Riskiken) von New Work zu bewahren.

Erst mal: was bedeutet New Work? – Fragt man in die Runde, kommt mit Sicherheit in 9 von 10 Antworten: „HomeOffice!, was sonst?“ Und ja, ein Bestandteil von New Work ist mit Sicherheit die Flexibilität im Hinblick auf die Frage, wo man arbeitet. Doch trotzdem – es ist auch so viel mehr.

Zum einen verändern sich mit der Digitalisierung die Eigenschaften von Jobs. Die Metaanalyse von Wegman, Hoffman, Carter, Twenge, and Guenole (2018) hat beispielsweise gezeigt, dass Jobs heutzutage eine breitere Fächerung an Fähigkeiten verlangen. Dies bedeutet, dass neue Kompetenzen gewonnen und dazugelernt werden müssen. Zusätzlich steigt auch der Grad der wechselseitigen Abhängigkeit, was zur vermehrten Arbeit in (virtuellen) Teams und in Form von Kollaborationen führt. Dass man sich dabei aufeinander verlassen können muss, muss ich, glaube ich, nicht näher erörtern. Last but not least – Jobs bieten heutzutage einen erhöhten Grad an Autonomie. Endlich! Das HomeOffice kommt wieder ins Spiel. Und ja, viele Jobs können heutzutage zeitlich und örtlich flexibler oder „on remote“ ausgeführt werden.

Nicht nur die Eigenschaften eines Jobs verändern sich, sondern auch die Eigenschaften der Arbeitsumgebung. Anstelle von Einzelbüros prägen Großraumbüros mit flexiblen Arbeitsplätzen die heutige Unternehmenslandschaft. Wenn man Glück hat, gibt es zusätzlich einen Kicker zum Relaxen hier und einen hellen Raum zum Kreativ-Sein da – Büros in New Work bieten sowohl offene als auch private Arbeitsräume, aber auch entspannende und anregende Orte für verschiedene Anlässe.

Nun ist die Digitalisierung aber in vollem Gange und es ist vermutlich der sinnvollere Weg, sie nicht als gut oder schlecht zu bewerten, sondern ihre Chancen und Risiken zu erkennen und gezielt mit diesen so zu arbeiten, dass sie zum größten Teil positive Konsequenzen für uns hervorbringen können. Und genau dies ist auch das Ziel von Arbeits-, Organisations- und WirtschaftspsychologInnen. Auf der AOW Tagung 2019 in Braunschweig präsentierten nationale und internationale PsychologInnen unter dem Thema „Neue Formen der Arbeit in der digitalisierten Welt: Veränderungskompetenzen stärken“ ihre Arbeit. Besonders bei einer solchen Veranstaltung wird die Vielfalt und Bandbreite der Themen klar:

Zum Beispiel ist ein großes Thema der Arbeitspsychologie gerade, welche neuen oder sich verändernden Kompetenzen die digitalisierte Arbeitswelt mit sich bringt und wie diese durch verschiedene (z.B. formelle oder informelle Lernmethoden) bewusst in Unternehmen gefördert werden können, sodass Mitarbeitende sich nicht von neuen Technologien überrannt fühlen. Eine Rolle spielt hier beispielsweise auch die Prävention von der durch die Technologie zustande kommenden Gefahr eines sogenannten “Informationsfluterlebens“.

Zusätzlich gewinnt die arbeitspsychologische Teamforschung einen enormen Stellenwert und untersucht, welche Herausforderungen sich für Teams in der digitalisierten Arbeitswelt ergeben und welche Methoden effektiv sind, um Teamarbeiten zu verbessern. Zum Beispiel ist hier ein Thema – Sie haben bestimmt darauf gewartet – „agilen Methoden“.

Auch Kommunikationsförderung spielt im Bereich der wechselseitigen Zusammenarbeit eine wichtige Rolle oder, wie einzelne Menschen sich am besten verhalten, wenn sie Mitglied verschiedener Teams sind. Was hier das Spannende istbwohl die Technologien ja ursprünglich maßgeblich zu einer Wandlung der Arbeitswelt und damit zu „New Work“ geführt haben – können wir sie nun bewusst auch einsetzen, um Kollaboration, Kooperation und Kommunikation zu verbessern. Bis zu welchem Grad ist das möglich? – Auch das ist eine Frage, mit der sich ArbeitspsychologInnen beschäftigen.

Zusätzlich ist die (zeitliche und örtliche) Flexibilität und inwieweit diese überhaupt positiv ist, eine Angelegenheit, die näherer Untersuchung bedarf. Wie gehen Mitarbeitende eigentlich mit einem erhöhten Level an Autonomie um? Positiv sind selbstbestimmte Eigenschaften des Jobs sicherlich in dem Ausmaß, in dem sich Mitarbeitende auch trotzdem noch mit ihrer Arbeit, ihrem Unternehmen und ihrem Team identifizieren können. Außerdem sollte eine mögliche Dezentralisierung, die auch durch die Neugestaltung der Unternehmenslandschaft herbeigeführt werden kann, nicht zu niedrigerer Motivation oder Kommunikation führen. Um diese Risiken zu adressieren, beschäftigen sich PsychologInnen sehr stark mit dem Konstrukt des „psychologischen Empowerments“. „Psychologisches Empowerment“ beinhaltet, dass Menschen ihren Job als bedeutsam empfinden, ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit entwickeln und das Gefühl von Einfluss erleben. ArbeitspsychologInnen suchen hier nach Bedingungen, die das Empowerment von Führungskräften und Mitarbeitenden im Rahmen von New Work fördern können.

Nun, was bedeutet New Work für praktisch Arbeitende und was bedeutet New Work für PsychologInnen? PraktikerInnen setzen New Work um und sind von den Auswirkungen betroffen. PsychologInnen kommen in der Gestaltung bei allem zum Zuge, was zwischen der Implementierung von New Work und den Auswirkungen passiert. Im besten Fall helfen sie, New Work so zu gestalten, dass bald niemand mehr auch nur ansatzweise an Kabeltelefone denken muss.

Literaturnachweis: Wegman, L. A., Hoffman, B. J., Carter, N. T., Twenge, J. M., & Guenole, N. (2018). Placing Job Characteristics in Context: Cross- Temporal Meta-Analysis of Changes in Job Characteristics Since 1975. Journal of Management, 44, 352-386.