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Diversität braucht neue Strukturen | Ein Interview mit den Gründerinnen von www.frauendomaene.at

Die komplexen Herausforderungen unserer Zeit erfordern Lösungen, die unterschiedliche Blickwinkel berücksichtigen – Diversität ist also ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dennoch sind viele Entscheidungs- und Diskussionsrunden nach wie vor sehr homogen besetzt. Sophie Rendl und Hannah Zach möchten das ändern und haben dazu die Online Plattform www.frauendomaene.at ins Leben gerufen.

Die komplexen Herausforderungen unserer Zeit erfordern Lösungen, die unterschiedliche Blickwinkel berücksichtigen - Diversität ist also ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dennoch sind viele Entscheidungs- und Diskussionsrunden nach wie vor sehr homogen besetzt. Sophie Rendl und Hannah Zach möchten das ändern und haben dazu die Online Plattform www.frauendomaene.at ins Leben gerufen.

Barbara Kump (BK): Was war für euch der Anlass, die Plattform www.frauendomaene.at zu gründen?

Sophie Rendl (SR): Wir haben die Frauendomäne – Datenbank für Expert*innen vor ca. 1,5 Jahren gegründet, um die Sichtbarkeit von weiblicher Expertise in allen Fachbereichen zu erhöhen und um der Ausrede “Wir haben keine qualifizierte Frau gefunden” etwas entgegenzusetzen.

Hannah Zach (HZ): Es gibt in Österreich keine Datenbank für alle Fachbereiche, die gleichzeitig auch der gesamten Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung steht, dies wollten wir ändern. Wir wollen es Frauen* ermöglichen, ihre fachliche Kompetenz öffentlich darzustellen und gleichzeitig Organisator*innen dabei unterstützen, ihre Panels, Seminare und Diskussionsrunden geschlechterausgewogen und divers zu konzipieren.

BK: Warum ist es wichtig, dass Frauen auf Podien und in Expertenrunden sitzen?

HZ: Es ist in Österreich in sehr vielen Fachbereichen nach wie vor nicht unüblich, dass ein Podium, ein Gremium, ein Team oder die Führungsebene einer Organisation hauptsächlich, manchmal sogar ausschließlich, aus Männern besteht. Dies erweckt den Eindruck, dass Expertise nur von einer sehr homogenen Bevölkerungsgruppe verkörpert wird. Die mangelnde Sichtbarkeit des eigenen Geschlechts, der eigenen Hautfarbe etc. im beruflichen Kontext und in der Öffentlichkeit führt dazu, dass sich viele Personen nicht repräsentiert sehen und sich daher auch nicht vorstellen können, selbst solche Rollen einzunehmen.

SR: Sichtbarkeit ist natürlich sehr wichtig, reicht für uns alleine jedoch nicht aus. Wir verfolgen in unserer Arbeit einen systemischen Ansatz und sind der Meinung, dass das jetzige System die Bedürfnisse von vielen Menschen gesamtgesellschaftlich nicht mitdenkt. Wir wollen Organisationen dabei unterstützen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es allen Menschen ermöglicht, ihre Expertise und Kompetenz nach ihren Stärken und nicht nach ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung aufbauen zu können.

BK: Das heißt, es geht euch nicht nur um Inklusion und Gerechtigkeit, sondern um den Mehrwert, den Diversität stiften kann. Was ist denn aus eurer Sicht der Nutzen von Diversität?

SR: Die Gesellschaft in Österreich ist sehr divers. Ein diverses Umfeld in einem Unternehmen spiegelt also die gesellschaftliche Realität wider. Schafft ein Unternehmen also noch die richtigen Rahmenbedingungen für diese Diversität, kann es die personelle Vielfalt auch richtig für sich nutzen. Es gibt in der Zwischenzeit zahlreiche Studien – zum Beispiel die McKinsey Studie „Women Matter – Gender diversity, a corporate performance driver” aus 2007 – die belegen, dass diverse Teams sehr wichtig für eine gesunde Unternehmenskultur sind und bessere Ergebnisse liefern. Dies sollte jede Organisation für sich nutzen.

HZ: Gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der Fragestellungen immer komplexer werden. Daher ist es notwendig, dass möglichst viele unterschiedliche Augen auf ein Problem schauen, um die richtigen Antworten zu finden.  Wir wollen jeder Organisation vermitteln, dass sie durch Diversität nur gewinnen kann.

BK: Oft findet man ja in Unternehmen zwar ein klares Bekenntnis zu Diversität – aber die Strukturen erlauben dann nicht, dass Personen aus unterschiedlichen Gruppen die gleichen Chancen haben. Wie geht ihr damit um?

HZ: Wir wollen durch gezielte Maßnahmen die Entstehung einer vielfältigen Unternehmenskultur unterstützen. Denn wir sind der Überzeugung, dass diese Unternehmenskultur und eine darauf aufbauende Strukturänderung nur “von innen heraus” entstehen kann. Wir wollen bei dieser Weichenstellung unterstützend zur Seite stehen.

Sophie Rendl: Ein Beispiel dafür ist die organisationsinterne Erarbeitung eines “Code of Conducts”, in dem eine Organisation in einem mehrstufigen Verfahren ihre Unternehmenskultur, ihre Prinzipien und Werte und den Umgang mit allen Stakeholdern festlegt. Die Frauendomäne bietet neben anderen Leistungen auch die Begleitung bei der Erstellung eines Code of Conducts an [Anm. d. Red: https://www.frauendomaene.at/angebot/].

BK: Was sollte für Unternehmen, die gezielt Diversität nutzen möchten der erste Schritt sein?

SR: Ich glaube ein erster Schritt muss sein, die Wichtigkeit von Diversität zu erkennen. In einem zweiten Schritt müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse der unterschiedlichen Stakeholdergruppen wie die der Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Sponsor*innen etc. herausgearbeitet und für jede Gruppe eine jeweils passende Strategie entworfen werden.

HZ: Zusätzlich zu externen unterstützenden Leistungen, sollte auch ein unternehmensinternes Diversity Management eingerichtet werden. Dadurch wird dem Thema eine gewisse Bedeutung zugeschrieben, die für alle weiteren Schritte notwendige Voraussetzung ist.

BK: Eine abschließende Frage: Was ist denn eure Vision für die Plattform?

HZ: Wir wollen, dass die Frauendomäne die Organisation ist, zu der man kommt, wenn man weibliche Expertise finden oder fördern möchte. Wir wollen die Entität sein, die weibliche Expertise richtig positioniert.

SR: Wir wollen außerdem die Organisation sein, die sich für die Anpassung der Rahmenbedingungen an die Realität von allen Frauen* einsetzt. Dadurch soll das Ziel verfolgt werden, die bestehende Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zu beseitigen und die ökonomische Besserstellung von Frauen zu erreichen.

BK: Vielen Dank für das interessante Interview!

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Mag.a Sophie Rendl hat Rechtswissenschaften in Wien studiert, engagiert sich ehrenamtlich für das Forum Alpbach Network und arbeitet als Juristin im Bereich EU-Recht für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

Hannah Zach, M.A. ist Kommunikationsberaterin mit Fokus auf Communities und Stakeholderstrategien. Nach ihrem Studium Kommunikationsmanagement in Wien und Spanien verantwortete sie unter anderem die Communities der Rechercheplattform Dossier und der Initiativgruppe Alpbach Wien.