Als Vorgesetzte/r ist man automatisch in einer Führungsposition – in der man nicht „nicht“ führen kann. Den Einfluss, den man auf seine Mitarbeitenden hat, sollte man nicht unterschätzen, auch – oder gerade dann – wenn man sich eigentlich nicht als Führungskraft wahrnimmt.
Dieser wissens.blitz wurde am 15.01.2013 inhaltlich erweitert.
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In bestimmten Bereichen sehen sich Vorgesetze oft nicht als Führungskräfte. In Universitäten und Forschungsinstituten wird zum Beispiel die Freiheit der Forschung und das Ziel, einen eigenständig agierenden wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden, als Gründe für nicht „gezeigtes“ Führungsverhalten genannt. Aber vergleichbar mit der Kommunikation kann man nicht „nicht“ führen – und das Verhalten der Vorgesetzten ist hoch relevant.
Schmidt und Richter haben sich in einer Interviewstudie (2008) und einer Fragebogenerhebung (2009) mit dem Führungsverhalten an deutschen Universitäten auseinandergesetzt. Sie unterschieden nach Lewin drei Führungsstile: laissez-faire, autokratisch und kooperativ.
Laissez-Faire Stil: Führungsperson vermeidet steuern- des Handeln, überlässt Mitarbeiter sich selbst, greift in der Regel nicht in laufende Arbeitsprozesse ein, zeigt keine besondere Aufmerksamkeit für deren Arbeit
Autokratischer Stil: Führungsperson vergibt Aufträge und trifft Entscheidungen ohne aktive Einbindung der Mitarbeiter und ohne deren Interessen gezielt zu berücksichtigen, schafft eine autoritäre und von Statusunterschieden geprägte Arbeitsbeziehung
Kooperativer Stil: Führungsperson bezieht Einschätzungen und Motivation der Mitarbeiter in Aufträge und Entscheidungen mit ein, zeigt sich an Entwicklung und Förderung interessiert, stellt wertschätzende Kommunikation sicher.
Führungsstile (zitiert nach Schmidt & Richter, 2009)
Ein konkreter Führungsstil kann hierbei Anteile aller drei Führungsstile haben. Was Schmidt und Richter überzeugend zeigen ist, dass die Führungsstile keine Sache von persönlicher Präferenz sind, sondern gravierende Auswirkungen auf affektives Commitment, Leistungsmotivation, Fluktuationsneigung der Mitarbeiter, die wahrgenommene Qualität der Arbeitsbeziehung sowie die Gesamtleistung des jeweiligen Arbeitsbereichs haben.
Laissez-faire als falsche Interpretation von akademischer Freiheit und der Entwicklung zum eigenständigen Wissenschaftler
Problematisch ist schlechte Führungsverhalten, das sich oft durch die Abwesenheit von Führungsverhalten kennzeichnet. Schlechte Führung ist typischerweise nicht der Tyrann, der in seiner Abteilung wie ein selbsternannter Gott handelt, sondern „das Fehlen eines systematischen, d. h. gezielten, absichtsvollen, reflektierten Führungshandelns“.
Beispiele für schlechte Führung (Auswahl)
- „Kritiker, die ihre Kritik nicht mit konstruktiven Änderungsvorschlägen und Ermutigung verbinden,“
- „Vorgesetzte, die Vorschläge machen und sich optimistisch hinsichtlich der Umsetzung zeigen – ohne ihren Mitarbeitern eine offenbar notwendige Unterstützung zur konkreten Umsetzung anzubieten und ohne Impulse zu geben, wie aus einer optimistischen Grundhaltung ein messbarer Erfolg werden kann,“
- „Promotionsbetreuer, die vor allem durch Abwesenheit glänzen.“ (zitiert nach Schmidt & Richter, 2009)
Führungsverhalten steht nicht im Widerspruch mit akademischer Freiheit oder der Ausbildung eines eigenständig agierenden wissenschaftlichen Nachwuchses – es schließt einen Mentor, der „eine beratende Funktion gegenüber den Promovierenden zuweist und diese Beziehung nicht als Arrangement ansieht, das die Gefahr beinhaltet, die mit dem wissenschaftlichen Arbeiten verbundene Selbstständigkeit zu beeinträchtigen“ nicht aus (die Autoren zitieren hier Becker, Engler, Lien , und Schäfer, 2002).
Gute Führung
Es gibt viele Beispiele für gute Führung im akademischen Kontext, von Professoren, die ihre Mitarbeiter unterstützen, ihnen helfen gute Leistung zu erbringen, sie ermutigen, ihnen Türen öffnen und mit Rat zur Seite stehen. Dieses Führungsverhalten ist üblicherweise hoch kooperativ und gering in laissez-faire und autokratischem Verhalten. Es weist die besten Ergebnisse auf. Idealerweise ist dies kombiniert mit einer Werteorientierung, d.h. dem Leben von ethischen Werte wie Respekt, Transparenz, und Fairness bei dem die Führungsperson mit guten Beispiel vorangeht.
Dieses Führungsverhalten, auch in einem führungsfernen Kontext wie Universitäten und Instituten, ist notwendig, um wissenschaftlichen Nachwuchs optimal zu fördern und die höchst mögliche Leistung zu erzielen.
Literatur:
Schmidt, B., & Richter, A. (2009). Zwischen Laissez-Faire, Autokratie und Kooperation: Führungsstile von Professorinnen und Professoren. Beiträge zur Hochschulforschung, 31(4), 8-35.
Schmidt, B., & Richter, A. (2008). Unterstützender Mentor oder abwesender Aufgabenverteiler? – Eine qualitative Interviewstudie zum Führungshandeln von Professorinnen und Professoren aus der Sicht von Promovierenden. Beiträge zur Hochschulforschung, 30(4), 34-58.
Bildnachweis: Richard Feynman (center) and Robert Oppenheimer (right of Feynman) at Los Alamos National Laboratory during the Manhattan Project. Original source from http://www.lanl.gov/worldview/welcome/history/12_oppie-arrives.html {{PD-USGov}}
Zitieren als: Wessel, D. (2011). Vorgesetzte/r aber keine Führungskraft? wissens.blitz (36). https://wissensdialoge.de/vorgesetzter_aber_keine_fuehrungskraft