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Symposium „Jenseits des Elfenbeinturms“ – Ein Erfahrungsbericht

„Universitäten sind kein Ort der Inspiration.“ Mit dieser Aussage provozierte Prof. Dr. Helmut Willke (Zeppelin Universität Friedrichshafen) die Zuhörerschaft. Als erster Redner des Symposium „Jenseits des Elfenbeinturms. Wie relevant ist unsere Wissenschaft?“ wählte er die mahnende Stimme und arbeitete vor allem die Schwachstellen der deutschen Universitätslandschaft heraus. Er stellte in Frage, dass die deutsche Wissenschaft schon in der globalen Wissensgesellschaft angekommen ist. Es fehle zum einen die Orientierung an der internationalen Konkurrenz. Zum anderen haben deutsche Universitäten noch keine Strukturen geschaffen, um aus ForscherInnen mehr als konkurrierende EinzelkämpferInnen zu machen und so tatsächlich eine „kollektive“ Intelligenz zu sein. Professor Willkes forderte eine theoriegetriebene und theorietreibende Orientierung der universitären Forschung sowie eine professionalisierende, praxisorientierte Ausbildung der Studierenden. Prof. Dr. Joachim Knape (Universität Tübingen) verteidigte in seinem „Gegenreferat“ die deutschen Universitäten. Sie seien vergleichsweise schlecht finanziert. Während allen deutschen Universitäten gerade einmal 12 Mrd. Euro jährlich zur Verfügung stehen, erhält die US-amerikanische Eliteuniversität Harvard alleine ein jährliches Budget von 4 Mrd. Euro. Die deutsche Wirtschaft investierte 45 Mrd. Euro in Forschungsaktivitäten. Nichtsdestotrotz seien die deutschen Universitäten ein Teil der im internationalen Vergleich herausragenden deutschen Infrastruktur, und sie prägten die Funktionseliten Deutschlands. Zum Nachdenken regte er mit seine Äußerung an, dass die deutsche Wirtschaft nicht an der Finanzierung der Universitäten beteiligt sei, obwohl sie als „Abnehmerin“ der Studierenden von deren Arbeit profitiere.

Heinrich Tiemann (Staatssekretär a.D.) und Dr. h. c. Heike Schmoll (F.A.Z.) setzten sich mit der Rolle der Wissenschaft in der Politikberatung auseinander. Herr Tiemann forderte die Wissenschaft auf, sich in die Politikberatung einzumischen und dafür von der Beratungskompetenz von privaten Stiftungen und Beratungsunternehmen zu lernen. Frau Schmoll wies auf die unterschiedlichen Handlungslogiken der Systeme Politik und Wissenschaft hin. Ohne ein wechselseitiges Verständnis dieser Logiken sowie einer gegenseitigen Akzeptanz ist kein effektives Zusammenarbeiten möglich.

Wie würden deutsche WissenschaftlerInnen auf den ZEIT-Aufruf „Mischt Euch ein!“ (ZEIT, 2011/23) reagieren? Diese Frage stellte Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Universität Tübingen) an den Anfang seiner Überlegungen. Er fordert WissenschaftlerInnen auf, sich an einer „komplexitätsreduzierenden Komplexitätserhaltung“ zu versuchen, um so der verständlichen Darstellung von Forschung in den Medien gerecht zu werden ohne den eigenen Anspruch zu verraten. Dr. Tanjev Schultz (Süddeutsche Zeitung) ergänzte diese Überlegungen mit den „wahren“ Kriterien der Expertenauswahl in der Medienlandschaft: Neben zeitnahen Erreichbarkeit – ein nicht zu unterschätzendes Problem – nannte er auch die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge und Forschungsergebnisse kurz, prägnant und verständlich ausdrücken zu können. Natürlich ist ein mediales ‚Eingeführt-Sein‘ sowie das Vertreten von griffigen und/oder exotischen Positionen nicht abträglich. Schließlich gehe es in den Medien selten darum, wissenschaftlich fundiertes Wissen darzustellen (mit Ausnahme spezieller Wissenschaftsformate), sondern informierte Meinungen zu äußern.

Das sind meine sicherlich selektiven Eindrücke, die ich von der Veranstaltung mitgenommen haben. Mein forderndes Fazit an WissenschaftlerInnen (mich nicht ausgenommen) lautet:

Schauen wir über den Tellerrand der wissenschaftlichen Community hinaus! Interdisziplinarität ist längst ein gefordertes Kriterium. Aber Kommunikation mit Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Interessengruppen steht noch selten auf der Agenda. Hierin liegt nicht nur eine große Chance für eine stärkere Praxisorientierung der Lehre, sondern auch eine Quelle von Inspiration.

Mischen wir uns ein! Auch wenn öffentliche Meinungsäußerungen von WissenschaftlerInnen verpönt sind, müssen wir uns am gesellschaftlichen Diskurs im Bereich unserer Expertise beteiligen. Nur so stellen wir sicher, dass unsere Forschungsergebnisse wahrgenommen und berücksichtigt werden.

Lernen wir uns allgemeinverständlich auszudrücken! Eine besondere Herausforderung sehe ich darin, dass wir das ‚Deutsch schreiben‘ neu lernen müssen – denn Englisch ist in der Wissenschaft zum Nonplusultra geworden. Präsenz in deutschen Medien entfaltet keine Wirkung, wenn wir nicht verstanden werden.

Meine Hoffnung bleibt, dass unser Blog hier einen Beitrag leistet – als Ort des Lernens von WissenschaftlerInnen und als Ort des Dialogs mit Nicht-WissenschaftlerInnen.