Sie kennen sie sicher auch, die Rufe nach Qualitätssicherung und -messung. In so ziemlich jeden Arbeitsbereich haben sie Einzug gehalten – und das zu recht! Doch wie sieht es denn mit der Effizienz vorhandener Qualitätskontrollen aus?
Insbesondere in Bereichen, in denen objektive Evaluationen schwierig sind, scheint es mir manchmal mehr um die Objektivierung in Form von Messung und Quantifizierung als um die Qualität an sich zu gehen. Tatsächlich lässt sich Qualität nur schwer quantifizieren.
Nehmen wir das Beispiel Lehr- und Weiterbildungsevaluation: Wann war eine Veranstaltung mit Bildungsauftrag erfolgreich? Wenn die Teilnehmenden etwas gelernt haben. Was messen wir also? Natürlich, den Lernerfolg. Doch wie messen wir ihn? Lässt sich das, was jemand gelernt hat, einfach abfragen? Bei Faktenwissen geht das sicher noch. Aber wann weiß ich, dass ein Lerner eine komplexe Theorie verstanden hat? Wenn er sie wie im Lehrbuch beschreiben kann? Hat er dann nicht vielleicht nur gut wiedergegeben, was er im Lehrbuch gelesen und gelernt hat? Noch schwieriger wird es, wenn es um konkretes Handeln geht, zum Beispiel bei einer Weiterbildung zum Projektmanagement. Ich kann abfragen, ob jemand die Definitionen, Ansätze und Tools aus der Weiterbildung wiedergeben kann. Doch weiß ich damit, dass er die Tools effektiv im Rahmen eines Projektmanagements umsetzen kann?
Sobald das Abfragen des Lernerfolgs schwierig wird, greifen Evaluationen gern auf die Zufriedenheit und Bewertungen der Lernenden zurück. Bereits in einem anderen Dialog habe ich die Frage aufgeworfen, ob Zufriedenheit ein gutes Maß ist, wenn es um Lernen geht. Ich persönlich habe da meine Zweifel.
Wie dann Qualität sicherstellen? Kommen wir noch mal auf die Frage zurück, wann eine Veranstaltung mit Bildungsauftrag erfolgreich war. Hier sehe ich noch Potential spezifischer zu werden. Was steht hinter dem angestrebten Lernprozess? Was soll sich bei den Lernenden verändern? Den Lernenden geht es ja häufig um ein konkretes Handeln: Studierende möchten später im Beruf erfolgreich handeln. Weiterbildungsteilnehmer haben eine Weiterbildung vermutlich ausgesucht, weil sie dadurch mit bestimmten Herausforderungen bei der Arbeit besser fertig werden wollen. Dahinter steht das Konzept der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, das Gefühl, den Erwartungen und Herausforderungen, mit denen man konfrontiert ist, gewachsen zu sein und sie erfolgreich und effizient zu bewältigen.
So messen einige meiner KollegInnen also, wie sich die Selbstwirksamkeitsüberzeugung durch eine Weiterbildung verändert. Der aus meiner Sicht vielversprechendste Ansatz, den ich bisher gesehen habe. Auch, weil hier die Verantwortung des Lerners für die Umsetzung des Gelernten im Vordergrund steht.
Die Verantwortung des Lerners für seinen Lernprozess gleich zu Beginn einer Weiterbildung zu betonen, legt hierbei einen wichtigen Grundstein. Trainer, die es schaffen, Lernende zu aktivieren, sich mit sich selbst und dem eigenen Handeln auseinanderzusetzen, werden meiner Meinung nach die stärksten Lernprozesse anstoßen. Ich benutze bewusst den Begriff anstoßen. Denn der Lernprozess ist mit Ende der Weiterbildung nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Jetzt beginnt er erst richtig! Das ist auch der Grund, warum es ideal – wenn auch organisatorisch schwierig – ist, wenn man die langfristigen Effekte einer Weiterbildung messen würde, 6 Monate und länger nach Abschluss der Weiterbildung.
Gleichzeitig bietet die Betrachtungsweise jedoch auch Ansätze für die Gestaltung von Weiterbildungen. Interaktive Elemente gibt es ja nicht nur, um die Lernenden wachzuhalten und mehr Zufriedenheit hervorzurufen (oder wie ein Trainer einmal zu mir meinte: „durch interaktive Übungen werden die Evaluationen besser“). Nein. Wenn interaktive Elemente so gestaltet sind, dass sie die Lernenden wirklich aktivieren und zur Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Handeln bringen, dann stoßen sie erfolgreich Lernprozesse an. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Lernenden wirklich zum Subjekt ihres eigenen Lernens gemacht werden. Dabei muss man sie auch in ihrer Individualität ernst nehmen: Was für einen Lernenden funktioniert, funktioniert für eine andere Lernende noch lange nicht. Er hat vielleicht die Freiräume von seinem Chef, seine Arbeit umzuorganisieren. Sie muss sich gegebenenfalls mit bestimmten Vorgaben der Leitungsebene arrangieren.
Sich im Vorfeld mehr Gedanken darüber zu machen, was man bei denen Lernenden anstoßen möchte oder welche Ziele die Lernenden selbst verfolgen, kann zu einer klaren Zieldefinition für die Veranstaltung und eine effektivere Auswahl von Methoden zur Gestaltung des Lernprozesses führen. Es kann gleichzeitig die Basis sein, um die Erreichung der gesteckten Ziele zu messen. Manchmal bleibt die Messung jedoch schwierig und die Bewertung der Qualität subjektiv, basierend auf Beobachtungen während der Veranstaltung und herauszulesen zwischen den Zeilen des Teilnehmerfeedbacks. Ob nun vermeintlich objektiv gemessen oder subjektiv eingeschätzt – eine Nachbetrachtung ist wichtig, um Qualität zu erhalten und auszubauen.
Gleichzeitig ist jede Gruppe von Lernenden unterschiedlicher. Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für eine Gruppe: Was bei der einen Gruppe funktioniert, funktioniert bei einer anderen Gruppe noch lange nicht. Und so gilt es, sich auf jede neue Gruppe von Lernenden neu einzustellen.
Darüber hinaus finde ich die Betrachtung des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen wichtig: Dem Erreichen von Lernzielen und Kreieren von Nutzen für die Lernenden stehen die eingesetzten Ressourcen zeitlicher und finanzieller Natur gegenüber. Ein Ausdruck von Qualität ist es für mich auch, wenn sich Nutzen und Ressourceneinsatz die Waage halten.
Qualität ist also nicht durch ihre Messung gesichert. Qualität ist gesichert, wenn Ziele einer Maßnahme klar sind, die Maßnahme entsprechend gestaltet wird und dabei die Aktivierung der Lernenden unter Berücksichtigung ihrer Unterschiedlichkeit ernst genommen wird.
Bildnachweis: Karl-Ernst Wodzicki