Häufig führen „Vorinformationen“ zu neuen Mitarbeitenden dazu, dass wir eine bestimmte Erwartung an deren Leistungen haben. Tatsächlich führen allein diese Erwartungen schon zu subtilen Veränderungen im Führungsstil und können so bewirken, dass sich die Leistung der Mitarbeitenden verändert – und sich unsere Erwartungen damit erfüllen.
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Stellen Sie sich vor, Sie übernehmen einen neuen Mitarbeiter in Ihr Team. Seine vorherige Chefin beschreibt ihn als vielversprechenden Mitarbeiter mit großem Potential. Natürlich freut Sie diese Prognose und sie erwarten viel Gutes von dem neuen Teammitglied. Tatsächlich können Sie nach einigen Monaten bereits bestätigen, dass sich der neue Mitarbeiter sehr gut entwickelt und erstklassige Arbeit leistet.
Häufig erleben wir, dass unsere erste Erwartungen sich tatsächlich bestätigen. Liegt das immer daran, dass unsere erste Einschätzung zutreffend war? Die Forschung zeigt, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss: Erstaunlicherweise kann schon allein die positive Erwartung an sich zu einer Leistungsverbesserung bei anderen führen. Dieser Effekt wird als Pygmalion-Effekt bezeichnet und konnte in verschiedenen Kontexten gezeigt werden: wenn zufällig ausgewählte Mitarbeitende den Führungskräften als „vielversprechend“ vorgestellt wurden, dann zeigten diese nach einer gewissen Zeit tatsächlich bessere Leistungen als andere Mitarbeiter, die genauso kompetent waren, über die aber keine solch günstige Prognose kommuniziert wurde. Vor allem Mitarbeitende, die im normalen oder schwächeren Leistungsbereich lagen, profitierten vom Effekt der positiven Erwartung. Wie kommt es aber, dass die bloße Erwartung von guten Leistungen, die andere stellen, bereits die Leistung fördern kann?
Wie funktioniert der Pygmalion-Effekt?
Gute Erwartungen der Führungskraft führen zu einem subtil besseren Führungsstil. Zum Einen investiert die Führungskraft mehr in ein gutes Arbeitsklima bzw. eine bessere Beziehung zum Mitarbeitenden. Außerdem erhalten Mitarbeitende, von denen man Gutes erwartet, herausforderndere Aufgaben als solche, von denen man weniger Besonderes erwartet. Auch bei der Ausführung von Aufgaben erhalten diese Mitarbeitende mehr Möglichkeiten, und nicht zuletzt geben Führungskräfte ihnen informativeres Feedback. Dem neuen Mitarbeiter würden Sie also, allein aufgrund der guten Erwartungen, die in Ihnen geschürt wurden, insgesamt freundlicher begegenen, Sie würden ihm anspruchsvollere Aufgaben zuteilen, ihm bei der Erfüllung mehr Gestaltungsspielraum einräumen und ihm detaillierteres Feedback zu seiner Arbeit geben. Als Konsequenz würde Ihr Mitarbeiter selbst eine höhere Erwartung an seine eigene Leistung stellen. Bei hohen Selbsterwartungen steigt die Leistungsmotivation – der Mitarbeiter geht also motivierter an seine Aufgaben heran und seine Leistung profitiert davon. Auf diese Weise entsteht eine Positiv-Spirale: Ihre Erwartungen steigern die Leistungen des Mitarbeiters, die widerum Ihre Erwartung bestätigen und steigern. Leider gibt es dabei aber auch den umgekehrten Effekt (Golem-Effekt): auch eine negative Erwartung kann sich selbst bestätigen. Mitarbeitende, die man als wenig entwicklungsfähig wahrnimmt, wird man beim Beziehungsaufbau, der Aufgabenverteilung und im Feedback weniger aufmerksam behandeln als andere Mitarbeiter, wodurch deren Leistung sinken kann.
Die Macht der guten Erwartung
Gute wie schlechte Erwartungen entstehen schnell und leicht: schon die Kleidung oder Sprechweise einer Person können Erwartungen schüren. Auch „Hintergrundinformationen“ wie Herkunft oder Hobbies können Erwartungen senken oder steigern. Vor allem aber entstehen arbeitsbezogene Erwartungen durch Bewerbungsunterlagen, Qualifikationsmerkmale und sog. „Insider-Informationen“ vorheriger Arbeitsstellen.
Diese Erwartungen lassen sich zwar nicht so leicht ändern. Für Führungskräfte lohnt es sich aber, im Kopf zu behalten, welche Macht gute Erwartungen auf die Leistung der Mitarbeitenden haben. Als Führungskraft kann man sich genau dieses Wissen zunutze machen und es in den eigenen Führungsstil integrieren.
Literaturnachweis:
Eden, D. (1992). Leadership and expectations: Pygmalion effects and other self-fulfilling prophecies in organizations. Leadership Quaterly, 3, 271-305.
Kierein, N. M., & Gold, M. A. (2000). Pygmalion in work organizations: a meta-analysis. Journal of Organizational Behavior, 21, 913-928.
Zitieren als: Matschke, C. (2014). Pygmalion in Organisationen. wissens.blitz (145). https://wissensdialoge.de/pygmalioneffekt