Kluge Menschen durchdenken neue Informationen, bevor sie sich überzeugen lassen – sollte man meinen. Studien haben jedoch gezeigt, dass wir häufig Daumenregeln nutzen bei der Entscheidung, welchen Argumenten wir Gehör schenken. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, aus welcher Gruppe der/ die Informant/ in kommt.
Wer sagt das?
Wir alle sind in unserer täglichen Arbeit mit paradoxen Anforderungen konfrontiert: Organisationale Prozesse und Regeln müssen eingehalten werden, gleichzeitig erfordern neue Entwicklungen wie die Digitalisierung schnellere und flexiblere Abläufe. Führungskräfte fragen sich, wie sie ihren Mitarbeitenden ausreichend Freiräume zur persönlichen Entfaltung geben können, während sie gleichzeitig die notwendige Kontrolle über die Erreichung gemeinsamer Ziele behalten. Mitarbeitende sollen einerseits schnell Ergebnisse erzielen, andererseits immer eine hohe Qualität der Arbeitsergebnisse erreichen.
Das sind Beispiele für paradoxe Anforderungen – also widersprüchliche, jedoch miteinander verbundene Anforderungen, die gleichzeitig auftreten und über die Zeit hinweg bestehen bleiben (siehe auch wissens.blitz 131). Paradoxe eröffnen einerseits Möglichkeiten für Innovation, erzeugen jedoch auch Spannungen. Wenn Mitarbeitende mit der Ambivalenz und Unsicherheit unter paradoxen Anforderungen nicht effektiv umgehen können, äußert sich das oft in Frustration und Widerstand.
Information aus eigenen / fremden Reihen
Die Forschung hat gezeigt, dass man starken Argumenten aus der eigenen Gruppe viel Gewicht bei der eigenen Entscheidung gibt, während man schwachen Argumenten wenig Gewicht beimisst. Das ist aber nur bei Themen der Fall, die für die Gruppe relevant sind. Wenn das Thema für die Gruppe irrelevant ist, dann glaubt man den Argumenten aus der eigenen Gruppe – egal, ob es sich um starke oder schwache Argumente handelt. Wenn die gleiche Information aber aus einer anderen Gruppe kommt, dann zeigt sich ebenso kein Unterschied in der Überzeugungskraft starker oder schwacher Argumente: man lehnt sie gleichermaßen ab! Abhängig davon, wer die sachlichen Informationen präsentiert, erscheinen sie einem also einmal überzeugend, während sie einem von einer anderer Quelle schwach erscheinen. Im schlechtesten Fall kann die eigene Überzeugung also auf einer Reihe von schwachen Argumenten beruhen, bloß weil sie beispielsweise aus der eigenen Abteilung, von anderen Führungskräften, aus der eigenen Organisation oder von Menschen mit ähnlicher Weltanschauung stammen.
Die Tendenz, dass wir Menschen aus den eigenen Reihen mehr Überzeugungskraft einräumen und ihren Argumenten im Zweifelsfall mehr Aufmerksamkeit schenken als „den Anderen“, ist so stark, dass sie sich bereits durch subtile Kleinigkeiten auslösen lässt. Beim gemeinsamen Lernen mit Wikis reicht bereits ein Nickname, der eine Gruppenmitgliedschaft anzeigt. So
Nationalmannschaft während der WM beim kollaborativen Wissensaustausch mit Wikis schlechter miteinander lernen, wenn Fans einer anderen Nationalmannschaft mit ihnen gemeinsam das Wiki bearbeiten: sie ignorieren neues Wissen stärker und lernen weniger. Und das, obwohl das Lernthema nichts mit Fußball zu tun hatte! Wie kommt es, dass unsere Informationsverarbeitung so unsachlich sein kann?
So fokussieren Sie die Informationsverarbeitung Ihres Teams auf die Sache:
- Bei Themen, die die eigene Gruppe nicht direkt betreffen: erhöhen Sie die Relevanz der Sache! Machen Sie Bezüge und Konsequenzen der Informationen für die eigene Gruppe klar.
- Verwischen Sie Gruppengrenzen, wenn wichtige Informationen aus anderen Gruppen kommen. Betonen Sie dafür gemeinsame übergeordnete Gruppen ( z.B. den Sektor im Markt) oder quer liegende Gemeinsamkeiten (z.B. die Herkunft).
Vermeiden Sie bei schriftlichen Informationen die Nennung von Gruppenmitgliedschaften
Informationsverarbeitung ist sparsam
Die menschliche Informationsverarbeitung konzentriert sich auf das Wichtigste und spart Ressourcen durch die Nutzung verschiedener „Daumenregeln“. Eine davon ist, dass man Menschen aus der eigenen Gruppe vertrauen kann. Wir gehen davon aus, dass uns diese Menschen ähnlicher sind als Menschen aus anderen Gruppen, und dass sie die gleichen Interessen verfolgen wie wir. Dieses grundsätzliche Vertrauen führt dazu, dass wir Informationen aus der eigenen Gruppe stärker durchdenken und besser erinnern. Wenn das Thema nicht so wichtig ist, dann spart sich die Informationsverarbeitung den Aufwand und neigt dazu, alle Argumente anzunehmen. In solchen Fällen schenken wir schwachen Argumenten also zu viel Gehör und übersehen leicht gute Argumente aus anderen Gruppen. Bei wichtigen Entscheidungen lohnt es sich deshalb, Gruppengrenzen aufzubrechen oder die Wichtigkeit von Themen aufzuzeigen (siehe Kasten), damit der Blick auf die Qualität der Argumente wieder frei ist.
Literaturnachweis: Mackie, D. M., Worth, L. T., & Asuncion, A. G. (1990) Processing of persuasive ingroup messages. Journal of Personality and Social Psychology, 58, 812-822. Matschke, C., Moskaliuk, J., & Kimmerle, J. (2014). The impact of group membership on collaborative learning with Wikis. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 16, 127-131.
Zitieren als: Matschke, C. (2017). Überzeugungen. wissens.blitz (185). https://wissensdialoge.de/persuasion