Vor kurzem hatte ich eine interessante Diskussion darüber, wie zeitgemäß jährliche Mitarbeitergespräche noch sind. Das Instrument des Mitarbeitergesprächs ist in vielen Unternehmen als Instrument zur Leistungsbeurteilung etabliert. Welche Indikatoren konkret zur Leistungsbeurteilung herangezogen werden, kann recht unterschiedlich definiert werden: Die Bandbreite reicht von Erfüllung der Kernaufgaben, Kompetenzen und Skills, Erreichung individueller oder unternehmerischer Ziele bis hin zu zusätzlicher Potenzialeinschätzung. In vielen Unternehmen ist der Zyklus von Mitarbeitergesprächen ein jährlicher Zyklus. Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Zyklus noch zeitgemäß ist oder inwiefern die Beurteilungsspanne an sich ändernde Rahmenbedingungen angepasst werden sollte.
Drei Hauptthesen haben sich in dem Gespräch herauskristallisiert.
These 1: Der Feedbackzyklus wird sich verkürzen
Diese These hat zum Ausgangspunkt die schnellere Arbeitszeit, die auch einen Wandel im Zeitpunkt der Beurteilung nach sich ziehen könnte. Denken wir z.B. an Projektorganisationen in der IT: Sowohl die Entwicklung und Einführung neuer Produkte als auch der damit zusammenhängende Produktlebenszyklus verkürzen sich. Somit wird es auch immer relevanter für Mitarbeiter, Feedback nicht mehr nur jährlich zu bekommen. Die Beurteilung von Arbeitsergebnissen wird daher immer stärker „just-in-time“ (z.B. nach Projektende) relevant.
These 2: Feedback wird weniger top-down basiert und stärker kollaborativ stattfinden
Diese These bezieht sich auf das Verhältnis von Feedbackgeber und Feedbacknehmer. Klassische Ansätze basieren darauf, dass ein Feedbackgeber (meist die Führungskraft) die Leistung eines Feedbacknehmers (dem Mitarbeiter) top-down basiert beurteilt.
Diese Art der Leistungsbeurteilung setzt jedoch voraus, dass die Führungskraft die Leistung des Mitarbeiters tatsächlich einschätzen kann. Immer häufiger jedoch ist dies nicht mehr der Fall: Wenn ein Mitarbeiter als Fachexperte für ein bestimmtes Thema steht, ist es möglich, dass der Mitarbeiter mehr Verständnis und Expertise insbesondere bei komplexen Themenbereichen aufgebaut hat als die Führungskraft. Auch ist vorstellbar, dass Mitarbeiter in Projekten arbeiten, die nicht von der eigentlichen Führungskraft geleitet werden. Diese Entwicklungen haben verschiedene Trends in der Leistungsbeurteilung nach sich gezogen. So werden vermehrt mehrere Feedbackgeber zur Leistungsbeurteilung herangezogen, um das Feedback auf eine objektivere Basis zu stellen (wie dies bspw. bei 360°-Feedback der Fall ist).
Auf der anderen Seite führt Kollaboration und vernetztes Arbeiten verstärkt dazu, dass eine gemeinsame Leistungsbewertung erfolgt. So steht als Feedbacknehmer nicht mehr ein Individuum im Fokus, sondern Leistungsbeurteilung wird anhand von Teamzielen und Teamleistung gemessen.
These 3: Pay for Performance wird für die Gen Y weniger wichtig
Die Generation Y bringt auch eine Veränderung hinsichtlich Entlohnung mit sich: extrinsische Belohnung (wie Gehalt) wird zunehmend unwichtiger. In der täglichen Arbeit steht Selbsterfüllung und Spaß bei der Arbeit im Vordergrund. Die einfache Kopplung an Entlohnung reicht daher nicht unbedingt aus. Die Art der Entlohnung muss neu gedacht werden: intrinsische Belohnung (wie zusätzliche Trainings oder die Möglichkeit von Sabbaticals) treten an die Stelle des monetären Boni.
Insgesamt ist bei dieser Diskussion die Passung des Instruments zu dem jeweiligen Unternehmenskontext von Bedeutung. Ist die Unternehmenskultur durch offenes Feedback geprägt, die Arbeit sehr stark in Projekten organisiert und die Strukturen durch flache Hierarchien gekennzeichnet, kann es durchaus sinnvoll sein, den Einsatz und Nutzen von klassischen Mitarbeitergesprächen neu zu denken.
Was sind Ihre Erfahrungen mit jährlichen Mitarbeitergesprächen? Passt für Ihre Arbeit der jährliche Beurteilungszyklus? Welche alternativen Beurteilungssysteme gibt es?