Eine Führungsrolle zu erlangen, kann ein wichtiges Ziel in der persönlichen Karrierelaufbahn sein. Eine solche Position ist allerdings nicht für jeden Menschen gleichermaßen anziehend. Welche Motive können beeinflussen, ob Menschen nach einer Führungs- oder Machtrolle streben? Neue Forschung schlägt drei mögliche Motive vor: Dominanz, Prestige und Führung.
Gibt es ein generelles Machtmotiv? Gibt es also Menschen, die generell eher nach viel bzw. solche, die eher nach wenig „Macht“ streben (z.B. einer einflussreichen Position oder einer Führungsrolle)? Und wie sagt dieses Motiv Verhalten vorher? Die Grundidee eines solchen Machtmotivs wird schon seit einigen Jahrzehnten in der psychologischen Forschung verfolgt.
Suessenbach & Kollegen (2018) schlugen nun vor, dass sich ein Machtmotiv in drei Bereiche aufteilen lässt: Dominanz, Prestige und Führung. Diese Motive zu kennen, könnte helfen vorherzusagen, wie Personen eine machtvolle Rolle tatsächlich ausüben würden, wenn sie diese innehätten.
Unterschiedliche Typen von Hierarchien
Die Idee der Forscher, dass es drei mögliche Motive geben könnte (statt nur einem oder zwei, wie zuvor oft diskutiert), basiert auf theoretischen Annahmen und Beobachtungen dazu, wie sich Hierarchien entwickeln – z.B. dann, wenn Führungsrollen nicht formal vergeben werden, sondern sich informeller (z.B. in gleichberechtigten Teams) entwickeln. Folgende Typen von Hierarchien werden unterschieden:
- Dominanz-Hierarchie: Entwickelt sich dadurch, dass eine Person Macht „an sich nimmt“ und die übrigen dazu bringt, ihr zu folgen (wie sie z.B. auch im Tierreich oftmals bestehen);
- Prestige-Hierarchie: Entwickelt sich dadurch, dass eine Person besondere Kompetenzen aufweist und ihr deshalb von anderen Personen freiwillig Macht zugestanden wird;
- Führungs-Hierarchie: Entwickelt sich dadurch, dass eine Person die Initiative und Verantwortung für das Team übernimmt und sie auf ein gemeinsames Ziel hin lenkt, wodurch ihr freiwillig Macht zugestanden wird.
Bisherige Forschung zeigt: Menschen bevorzugen in der Regel solche Hierarchien, die durch Kooperation geprägt sind – das sind eher Prestige- oder womöglich Führungs-Hierarchien; es gibt allerdings auch Studien, die zeigen, dass in Zeiten von Krisen und Unsicherheit oft „dominante“ Machthaber bevorzugt werden.
Unterschiedliche Motive für „Macht“
Wie stehen diese Hierarchien im Zusammenhang mit einem persönlichen Motiv, Macht zu erlangen? Die Idee hier ist: Menschen können aus diesen drei Gründen nach Macht streben – es also attraktiv finden, eine mächtige Rolle einzunehmen, weil diese Rolle ihnen die Möglichkeit zu Dominanz, Prestige und/oder Führung bietet:
- Dominanz-Motiv: Macht scheint attraktiv, weil sie hilft, andere dazu zu bringen, den eigenen Zielen zu folgen; steht im Zusammenhang mit einem erhöhten Ausdruck von Ärger und verbal aggressiven Äußerungen
- Prestige-Motiv: Macht scheint attraktiv, weil sie Bewunderung und Respekt (insbesondere für die eigenen Fähigkeiten oder das eigene Wissen) von anderen schaffen kann; steht im Zusammenhang mit Angst vor Statusverlust und dem Äußern (nicht unbedingt dem tatsächlichen Verfolgen) von hohen moralischen Standards, was man tun oder lassen sollte
- Führungs-Motiv: Macht scheint attraktiv, weil sie Verantwortungsübernahme für das Team ermöglicht; steht im Zusammenhang mit emotionaler Stabilität und mehr Hilfeverhalten
Die Motive könnten Verhalten vorhersagen
In ihren Studien befragten die Forscher mehrere Hunderte Teilnehmende aus den USA und GB. In Summe ergaben sich dabei für beide Länder relativ ähnliche Ergebnisse. Obwohl sich die drei Motive klar trennen lassen, scheinen sie jedoch auch gewisse Überlappungen zu haben und gemeinsam ein generelles Machtmotiv zu repräsentieren – d.h. auch, dass sich eine Person nicht immer klar (nur) einem Motiv zuordnen lässt und dass, um mögliches Verhalten z.B. in einer Führungsrolle vorherzusagen, das Ausmaß aller drei Motive berücksichtigt werden sollte.
Echtes Verhalten zu erfassen, ist sehr aufwendig, daher betrachteten die Forscher in einem ersten Schritt Verhaltensweisen z.B. in einem ökonomischen Spiel („dictator game“). Hier können die Teilnehmenden Geldbeträge unter sich und einem anderen Spieler mehr oder weniger fair aufteilen. Außerdem untersuchten sie die Höhe der Spenden von Geldbeträgen an gemeinnützige Organisationen. Hier zeigte sich: Höhere Prestige- und Führungsmotive sagten teilweise mehr Spenden vorher, während höhere Dominanzmotive mit weniger Spenden einhergingen. Interessanterweise sagte nur das Führungsmotiv die tatsächlich erreichte Führungsebene im Job in den letzten 5 Jahren vorher – bei Frauen leicht stärker als bei Männern.
Ein erstes Fazit:
Macht könnte aus unterschiedlichen Gründen (Motiven) heraus anziehend wirken – das kann die Dominanz, das Erlangen von Anerkennung und/oder Führung auf ein gemeinsames Team-Ziel hin sein. Es zeigten sich einige Zusammenhänge zwischen den Motiven und der Verhaltensbereitschaft; hier ist weitere Forschung nötig, um zuverlässigere Vorhersagen zu erlauben. Interessanterweise lassen sich die drei Motive zwar trennen, es zeigen sich aber auch Überlappungen: Eine Person kann also durchaus mehrere der drei Motive stark oder schwach ausgeprägt erleben. Dies macht die Vorhersage von Verhalten zwar komplexer, aber auch spannend.
Zum Weiterlesen:
Suessenbach, F., Loughnan, S., Schönbrodt, F. D., & Moore, A. B. (2018). The dominance, prestige, and leadership account of social power motives. European Journal of Personality. https://doi.org/10.1002/per.2184.