Fast jeder hat mittlerweile ein Profil bei XING, Facebook und Co und viele haben auch den Ehrgeiz, es zu pflegen. Nicht nur bei Joachim Rumohr finden sich viele Vorschläge für eine gezielte Netzwerkpflege mit sozialen Netzwerkseiten (siehe z.B. hier). Ganze Bücher wurden schon zu diesem Thema geschrieben (z.B. hier). Doch was nutzt das Pflegen von Kontakten?
Ich persönlich pflege mein berufliches Netzwerk über XING. In meinem XING-Netzwerk befinden sich ehemalige KollegInnen, einige frühere Mitstudierende, Messe- und Konferenzbekanntschaften oder Kontakte von Kontakten, die mir einmal vorgestellt wurden. Zu diesen Kontakten habe ich eher „losen“ Kontakt, ich kontaktiere sie eher unregelmäßig und selten. Sie gehören meist zu anderen sozialen Umfeldern – anderen Organisationen oder gar anderen Berufsfeldern. Granovetter (1983) nennt sie deshalb auch weak ties und zeigt auf, dass es gerade diese Kontakte sind, über die wir Zugang zu wertvollen Informationen haben, weil sie über neuartiges Wissen verfügen. Da sie zu anderen sozialen Umfeldern gehören, verkehren sie mit anderen Personen und machen andere Erfahrungen. Dadurch haben sie Zugang zu anderen Informationen als man selbst.
Ihnen gegenüber stellt Granovetter die „engen“ Kontakte (sogenannte strong ties). Eng bedeutet, dass man sich regelmäßig sieht und austauscht. In meinem XING-Netzwerk sind das aktuelle KollegInnen und Kooperationspartner, mit denen ich nahezu jeden Tag zu tun habe. Da diese Personengruppen zum selben sozialen Umfeld gehören, haben sie auch Zugang zu sehr ähnlichen Informationen wie man selbst. So haben meine KollegInnen denselben Zugang zu den internen Informationsquellen wie beispielsweise intern geposteten Veranstaltungshinweisen. Über interessante Veranstaltungen, die im Haus noch nicht bekannt sind, erfahre ich von meinen „losen“ Kontakten – wenn sie beispielsweise ihre Teilnahme an einer Veranstaltung in XING ankündigen.
Beim Zurückgreifen auf die Informationen anderer Personen spielt allerdings die Bewertung der Informationen ein wichtige Rolle. Das Vertrauen in Informationen von anderen Personen ist dann höher, wenn uns diese Personen nahestehen oder wir sie gut kennen. Deshalb ist unser Vertrauen in „enge“ Kontakte höher. Wie oben dargestellt, verfügen diese „engen“ Kontakte aber nicht unbedingt über neuartige Informationen. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?
Wertvoll kann es zum einen sein, den Kontakt zu engen KollegInnen nach deren Weggang in andere Abteilungen oder gar andere Organisationen aufrechtzuerhalten. Dafür bieten soziale Netzwerke wie XING ganz neue Möglichkeiten: Kontakte lassen sich sehr einfach aufrechterhalten und pflegen. Man kann Weihnachts- oder Geburtstagsgrüße in seinem Netzwerk versenden, eine Erinnerungsfunktion meldet einem gar aktuelle Geburtstage. Ebenso sind Statusänderungen aus dem eigenen Netzwerk, über die man ebenfalls regelmäßig informiert wird, eine gute Gelegenheit, einen Kontakt wieder aufzufrischen.
Zum anderen hat man durch gezieltes Netzwerken jederzeit schnellen „sozialen“ Zugang zum Wissen Anderer: Eine kurze Nachricht kann schnell an die ehemalige Kollegin gesendet werden, die auf jede Statistikfrage eine Antwort weiß. Oder eine Frage kann auf die persönliche Pinnwand gesetzt werden, wenn man nicht so recht weiß, wer die Antwort wissen könnte. Ebenso können Statusmeldungen aus dem sozialen Netzwerk – wie oben erwähnt – interessante Informationen enthalten.
Diese Perspektive auf soziale Netzwerke legt nahe, dass organisationsinterne Netzwerkpflege nur bedingt hilfreich ist. Denn wertvolle weak ties existieren auch – oder vielleicht sogar vor allem – organisationsübergreifend.
Aber wie kommt Vertrauen in „lose“ Bekanntschaften, die noch nie zum engeren Netzwerk gehörten? Darüber philosophiere ich ein anderes Mal…