Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Stelle im Team neu besetzen und formulieren eine Stellenanzeige. Vermutlich sind für die meisten Menschen Kompetenz, Erfahrung und Passung ins Team die wichtigsten Kriterien, anhand derer man neue Teammitglieder aussucht. Da für den Erfolg und ein gutes Teamklima eine passende Besetzung der Stelle wichtig ist, formulieren Sie mit viel Mühe die Anforderungen und Aufgaben des zukünftigen Teammitglieds. Ihnen ist dabei wichtig, dass sie auch unabhängig von Schubladen und Klischees die beste Person für die Stelle erreichen. Bei den Bewerbungen fällt Ihnen aber auf, dass sich vor allem Männer auf die Position bewerben. Vielleicht haben Sie trotz großer Sorgfalt bei der Formulierung in der Stellenausschreibung – der Einfachhalt halber oder zur besseren Lesbarkeit – die Stelle ausschließlich in der männlichen Form beworben. „Das ist doch egal“, kann man sich leicht denken. Die Forschung zeigt aber, dass die Art und Weise, wie die jeweilige Stelle bezeichnet wird, einen Einfluss darauf hat, wer sich angesprochen fühlt.
Beim generische Maskulinum für Berufsbezeichnungen denkt man automatisch an Männer
Es galt lange Zeit als völlig normal, Stellenausschreibungen mit „Lehrer“, „Arzt“ oder „Projektleiter“ zu überschreiben und davon auszugehen, dass alle Personen, egal welchen Geschlechts, gleichermaßen gemeint sind. Problematisch dabei ist, dass bei diesen Bezeichnungen einerseits nur männliche Vertreter der Berufsgruppe, andererseits alle gemeint sein könnten. Beim Gebrauch des sogenannten generischen Maskulinums, also der grammatikalisch männlichen Form, die alle Geschlechter einschließt, geht man davon aus, dass es Konsens ist, dass alle Geschlechter gemeint sind. Die Forschung hat mittlerweile aber deutlich gezeigt, dass das nicht der Fall ist, sondern dass beim Gebrauch des generischen Maskulinums in den Köpfen doch das Bild der männlichen Berufsvertreter vorherrscht.
Welche Formulierung ist mit welchem Geschlecht assoziiert?
Es gibt mittlerweile viele verschiedene Wege, Stellen in Anzeigen zu formulieren. Inwiefern unterschiedliche Berufsbezeichnungen automatisch bestimmte Bilder in den Köpfen aktivieren, haben Fatfouta und Sczesny in einer Studie untersucht. Die Forschenden haben den Studienteilnehmenden vier gängige Versionen von Formulierungen in Stellenausschreibungen gezeigt: das generische Maskulinum (z.B. „Projektleiter“), die Bezeichnung mit Querstrich („Projektleiter/in“), die neutrale Bezeichnung („Projektleitende“) und das Maskulinum mit Abkürzungen in Klammern („Projektleiter (m/w/d)“). Diese vier Bezeichnungen wurden dahingehend verglichen, inwiefern man bei den Bezeichnungen automatisch an Männer oder Frauen denkt. Wenn man allerdings Menschen direkt danach fragt, an wen sie beim Lesen der Stellenanzeige denken, dann sind die Antworten häufig nicht realistisch, weil wir unsere direkten Antworten oft so geben, dass sie politisch korrekt sind.
Deshalb haben Fatfouta und Sczesny sich den sog. Implicit Association Test zunutze gemacht, in dem die Antwortschnelligkeit von Wort-Kombinationen verglichen werden. Der Test misst Reaktionszeiten im Milisekunden-Bereich auf eine Kategorisierungsaufgabe. Er basiert auf der Annahme, dass die Reaktionszeiten schneller sind, wenn zwei Konzepte, die miteinander assoziiert sind, eine Antwort auf der gleichen Computertaste erfordern, als wenn sie nicht assoziiert sind. Wenn z.B. die Konzepte „Mann“ und „Technik“ assoziiert sind, dann reagiert man schneller, wenn sich Worte rund um diese Konzepte die Antwort-taste teilen, als wenn z.B. „Frau“ und „Technik“ sich die Taste teilen. Konzepte, die nicht assoziiert sind, sollten in Relation zu anderen Konzepten nicht schnellere Reaktionen hervorrufen. Spannend an dieser Art, die Assoziation von Konstrukten zu messen ist, dass die Reaktionen auf die Worte derartig schnell ist und die Unterschiede zwischen assoziierten und nicht-assoziierten Paaren entsprechend klein, dass es unmöglich ist, das Maß willentlich zu beeinflussen oder auf politische Korrektheit zu korrigieren.
Fatfouta und Sczesny haben sich deshalb diese Methode zunutze gemacht und untersucht, inwiefern die jeweiligen Stellenbezeichnungen mit den Geschlechterkategorien männlich und weiblich assoziiert sind. Sie finden, dass das generische Maskulinum sowie die grammatikalisch männliche Form mit den Abkürzungen (m/w/d) in Relation stärker mit der Kategorie „Mann“ assoziiert ist als mit der Kategorie „Frau“. Im Gegensatz dazu sind die Bezeichnung mit Querstrich und die sogenannten gender-neutralen Bezeichnungen stärker mit Frauen als mit Männern assoziiert. Richtig „neutral“ war keine der Bezeichnungen, allerdings wies die sogenannte gender-neutrale Bezeichnung die geringste Tendenz aus, eine bestimmte Geschlechter-Assoziation auszulösen, während das generische Maskulinum, dicht gefolgt vom Maskulinum mit abgekürzten Geschlechtern in Klammern am stärksten dazu führt, dass man automatisch an Männer denkt.
Praktisch gesehen
Wenn manche Formen automatisch dazu führen, dass wir automatisch an Männer oder Frauen denken, dann haben die entsprechenden Geschlechter vermutlich das Gefühl, besser zum Job zu passen – während andere Geschlechter sich leichter fehl am Platz und unerwünscht fühlen können. Die Art und Weise der Stellenbezeichnung bahnt also bereits unbewusst, wen die Lesenden im Kopf haben, wenn sie an die ideale Besetzung der Stelle denken. Wenn durch die Formulierung suggeriert wird, dass Männer passender sind als Frauen, dann ist das ggf. ein Grund dafür, dass sich Männer stärker für die Stelle interessieren, sich als geeigneter empfinden, eher eine Bewerbung einreichen oder selbstbewusster in Bewerbungen auftreten als alle anderen.
Vermutlich möchten Sie aber nicht den kompetentesten, erfahrensten und passendsten Mann, den der Bewerbermarkt zu bieten hat, sondern die beste Person – egal, welches Geschlecht sie hat. Wenn das der Fall ist, dann lohnt es sich, das generische Maskulinum in der Stellenbezeichnung zu vermeiden. Bei der bloßen Verwendung des generischen Maskulinums kann es einfach leicht passieren, dass sich nur Männer angesprochen fühlen und Sie damit die Auswahl an BewerberInnen ungewollt – und vor allem unnötig – einschränken. Stellenbezeichnungen sind nun einmal das Erste, was man sich bei Stellenbeschreibungen ansieht, und somit Tür und Tor für das Weiterlesen. Halten Sie das Tor so gut wie möglich offen, so dass tatsächlich die kompetenteste Person möglichst ungehindert hindurchlaufen kann.
Literatur: Fatfouta, R., & Sczesny, S. (2023). Unconscious Bias in Job Titles: Implicit associations between four different linguistic forms with Women and Men. Sex Roles, 89(11), 774-785.