Vielleicht kennen Sie diese Situation: Sie sind Personalverantwortlicher eines Unternehmens und haben einen Bewerber aufgrund seiner Bewerbungsunterlagen für eine neu zu besetzende Stelle eingestellt. Allerdings wird dieser Bewerber keine vier Monate später wieder entlassen, weil er nicht richtig auf die Stelle passt. Für Sie und Ihren Arbeitgeber ist dies mit Kosten und neuem Aufwand verbunden. Und dabei war Ihr Bauchgefühl doch so gut und der Gesamteindruck des Bewerbers hervorragend. Man könnte sich nun fragen: Warum habe ich mich so getäuscht in einem Bewerber? Besser wäre jedoch, sich zu fragen, ob man wirklich alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt hat, um den passenden Bewerber zu finden und wie man es schafft, unnötige Kosten für falsch ausgewählte Bewerber zu senken.
Fallstricke bei der Personalauswahl
Mögliche Fallstricke bei der Personalauswahl können dabei sein, dass man sich zu stark auf die eigene Intuition und das subjektive Empfinden verlässt (sozusagen das eigene „Bauchgefühl“). Weiterhin befindet man sich womöglich im Irrglauben, späteres Arbeitsverhalten eines Bewerbers allein anhand von Bewerbungsunterlagen ausreichend vorhersagen zu können. Bewerbungsunterlagen sind zwar tatsächlich das gängigste Verfahren in der Personalauswahl – als alleinige Informationsquelle sind sie aber recht ungenau in der Vorhersage von zukünftigem Arbeitsverhalten.
Dieses Problem ist auf die geringe sogenannte „prognostische Validität“ von Bewerbungsunterlagen für zukünftiges Arbeitsverhalten zurückzuführen. Dabei bezeichnet Validität die Genauigkeit, mit der ein Verfahren tatsächlich das misst, was es zu messen beabsichtigt (Schuler, 2014). Zum Beispiel sollte ein valides Verfahren, das die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitenden erfasst, wirklich auch messen, wie zufrieden ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitsplatz ist – und nicht beispielsweise die Zufriedenheit mit seinem Privat- oder Familienleben.
Hinzu kommt, dass die Sichtung von Bewerbungsunterlagen oft wenig strukturiert verläuft (Kanning, 2016); Personalverantwortliche wählen Bewerber eher aufgrund eines subjektiven Gesamteindruckes aus, anstatt systematisch vorzugehen. Aber wie ist das Problem der geringen Validität, also das Problem der ungenauen Vorhersage von zukünftigen Arbeitsverhalten, anzugehen? Klar ist, dass es nie möglich sein wird, zukünftiges Arbeitsverhalten zu 100 Prozent vorherzusagen. Es gibt jedoch Möglichkeiten, wie man die Unsicherheit bei der Auswahl zumindest verringern kann.
Wie können bessere Entscheidungen getroffen werden?
Weitere Auswahlverfahren neben Bewerbungsunterlagen, die standardisierter nach klaren Fragen und Kriterien vorgehen, können herangezogen werden. Das sind zum Beispiel:
- Der biographische Fragebogen bestehend aus standardisierten Fragen aus Interviews, die sich in erster Linie auf vergangene Ereignisse richten, die beobachtbar und prinzipiell überprüfbar sind (zum Beispiel „Wie oft haben Sie in den letzten zwei Jahren an einer fachlichen Fortbildung teilgenommen?“)
- Personalfragebögen, also von Bewerbern auszufüllende Fragebögen, die dem Arbeitgeber Aufschluss und einen schnellen, vergleichbaren Überblick über jeden Bewerber, dessen Kenntnisse und Fertigkeiten geben sollen
- Tests zur Erfassung von zum Beispiel Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten oder Intelligenz
Mit diesen Verfahren können vielerlei Informationen über den Bewerber gesammelt werden. Damit ist man zwar noch nicht zwingend auf der sicheren Seite – man kann jedoch davon ausgehen, dass der ausgewählte Bewerber mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Stelle passt und eine erfolgreichere Arbeitsleistung zeigt als der Bewerber, der alleine anhand von Bewerbungsunterlagen eingestellt wurde. Dieses Vorgehen senkt daher erheblich die Kosten, die entstehen würden, wenn ungeeignete Bewerber ausgewählt werden.
Fazit:
Als Personalverantwortlicher sollte man demnach nicht nur den Bewerbungsunterlagen vertrauen; denn diese alleine sagen wahrscheinlich nur unzuverlässig etwas über den Bewerber und seine zukünftige Arbeitsleistung aus. Vielmehr sollten auch die Informationen aus anderen Auswahlverfahren genutzt werden. Für Personalverantwortliche kann sich dies lohnen, weil folgende und zudem deutlich höhere Kosten (aufgrund von mangelndem Arbeitsverhalten des ausgewählten ungeeigneten Bewerbers) erheblich reduziert werden. Dies kommt letztlich auch dem Unternehmen als Ganzes und dem passenden Bewerber selbst zugute.
Literaturnachweis: Schuler, H. (2014a). Psychologische Personalauswahl (3. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
Kanning, U. P. (2016). Über die Sichtung von Bewerbungsunterlagen in der Praxis der Personalauswahl. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 60, 18-32.
Zitieren als: Hauser, L. (2017). Effektive Personalauswahl: Nicht nur der intuitive Gesamteindruck zählt. wissens.blitz(179). https://wissensdialoge.de/effektive-personalauswahl-nicht-nur-der-intuitive-gesamteindruck-zaehlt