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Warum wir doch nicht für’s Leben lernen.

Download: wissens.blitz (123)

Mit einer ständig sinkenden Halbwertszeit des Wissens steigt die Bedeutung des lebenslangen Lernens. Aus Lernen für’s Leben wird Lernen 2.0.

Lernen 2.0

„Nicht für die Schule, sondern für’ Leben lernen wir“, sagt mein Lateinlehrer. Was möglicherweise früher Gültigkeit hatte, stimmt heute nur mehr bedingt: In den meisten Lebens- und Arbeitsbereichen sinkt die Halbwertszeit des Wissens drastisch und Mitarbeitende müssen sich ständig an neue Anforderungen anpassen. Dazu müssen sie in der Lage sein, sich selbstständig und zielführend die Informationen zu beschaffen, die sie benötigen. Statt an Ausbildungen, Trainings oder Schulungen teilzunehmen, müssen Mitarbeitende selbst den benötigten Lernbedarf identifizieren, entsprechende Lernressourcen suchen und bewerten, sowie den eigenen Lernerfolg überwachen. „Lernen auf Vorrat“ ist schwierig. Aus Lernen für’s Leben wird Lernen 2.0 (siehe wissens.blitz 42).

  • Lernen 2.0 ist individuell. Es ist nicht mehr an feste Orte und Zeiten gebunden. Mobile Technologien bekommen einen hohen Stellenwert. JedeR entscheidet selbst, wann und wo gelernt werden soll.
  • Lernen 2.0 ist kollaborativ: Es findet im engen Austausch mit anderen statt und lebt von der Zusammenarbeit über Hierarchien und Organisationsgrenzen hinweg.
  • Lernen 2.0 ist informell: Es ist nicht an feste Curricula gebunden, sondern findet außerhalb formaler Lern- und Trainingssituationen statt.

Ohne Community läuft gar nichts

Damit Lernen 2.0 funktioniert braucht es eine Community von Personen, die Lernende als Ressource nutzen können. Die Unterscheidung zwischen Lehrenden und Lernenden fällt weg, festgelegte Curricula werden durch bedarfsgerechte Inhalte ersetzt. So entsteht eine Community, über die Lernende Zugang zum Wissen der anderen Mitglieder haben, entweder im direkten Austausch, oder über digitale Ressourcen wie Texte oder Videos. Diese Community kann als eine Community of Practice (CoP) beschrieben werden. Dieser Begriff stammt von Jean Lave und Etienne Wenger. Sie beschreiben damit ein Netzwerk oder eine Gemeinschaft von Menschen, die ähnliche Interessen und Aufgaben haben, und deshalb von einander lernen können.

Individuelles und kollektives Lernen

In einer CoP geht es zum einen um individuelles Lernen. Eine Person wird Mitglied einer CoP, um das eigene Wissen weiterzuentwickeln und von den anderen Mitgliedern zu profitieren. Dabei gibt es keine festgelegten Rollen, die Struktur der CoP entwickelt sich von selbst, neue Mitglieder wachsen in die Community hinein. Zum anderen geht es um die Weiterentwicklung des kollektiven Wissens der CoP. So entsteht eine Sammlung von Inhalten, die das Wissen der Mitglieder repräsentieren und gleichzeitig für neue Mitglieder zugänglich ist. Anders als die Mitarbeitenden einer Abteilung, eines Projekts oder einer Arbeitsgruppe, handelt es sich bei einer CoP um eine informelle Community (vgl. wissens.blitz 18 zum Thema Online Learning Communities).

Das Web 2.0 stellt Werkzeuge zur Verfügung, die einer solchen CoP die einfache und effektive Organisation erlauben. Das Web 2.0 wird damit eine wichtige Ergänzung für formale Lernsettings. Schule, Ausbildung oder Studium können nur noch begrenzt auf die sich ständig verändernde Bedingungen und Anforderungen einer modernen Arbeitswelt vorbereiten. Neben dem Vermitteln von Inhalten, ist deshalb das Erwerben z.B. der folgenden Kompetenzen zentral:

  • Wie werde ich Teil einer CoP?
  • Welche Werkzeuge nutze ich wie, um auf das Wissen meiner CoP zuzugreifen.
  • Wie pflege ich Kontakt zu den Mitgliedern meiner CoP?
  • Wie identifiziere ich relevante Mitglieder?

Mit Hilfe der verfügbaren Werkzeuge und Angebote im Web 2.0 können sich virtuelle Communities of Practice etablieren. Der Austausch innerhalb dieser Communities wird dann zum zentralen Baustein für Lernen 2.0.

Fünf Phasen der Entwicklung einer CoP

Potential: Einzelne Personen finden ein Thema spannend und ergreifen die Initiative.

Coalescing: Es entwickelt sich eine erste Struktur, in der Ziele, Rollen und Kommunikationswerkzeuge ausprobiert und festgelegt werden.

Maturing: Die CoP entwickelt sich weiter, die Größe wächst, Ziele und Rollen werden bewertet und angepasst, die Kommunikationswerkzeuge werden ausdifferenziert.

Stewardship: Das kollektive Wissen der CoP hat einen hohen Stand erreicht, immer mehr Mitglieder sehen keinen Bedarf mehr, sich weiter einzubringen.

Transformation: Die CoP verliert für die einzelnen MitgliederInnen an Bedeutung, neue Themen und Communities werden wichtiger.

Literaturnachweis: Lave, J., & Wenger, E. (1991). Situated learning: Legiti-mate peripheral participation. Cambridge University press.

Zitieren als: Moskaliuk, J. (2013). Warum wir doch nicht für’s Leben lernen.  wissens.blitz (123). https://wissensdialoge.de/cop