Climate Quitting – Wie es entsteht und was Unternehmen dagegen tun können

Immer mehr Menschen verlassen Unternehmen aus Umweltgründen  – ein stiller, aber folgenreicher Trend. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, Climate Quitting ist das Ergebnis mehrerer innerer Kipppunkte. Daraus ergeben sich Chancen für Unternehmen, rechtzeitig gegenzusteuern.

In einem früheren Beitrag habe ich einige Statistiken zu diesem Trend vorgestellt und mögliche Konsequenzen für Unternehmen beschrieben. Hier geht es um die Frage, wie Climate Quitting entsteht und wie Unternehmen gegensteuern können.

Climate Quitting ist selten eine plötzliche Entscheidung. Erste Ergebnisse aus einer laufenden Studie mit bisher mehr als 30 Interviews zeigen: Climate Quitting ist das Ergebnis eines schleichenden inneren Prozesses – einer Abfolge von Einsichten, die sich im Laufe der Zeit verdichten und letztlich zur Kündigung führen können.
Diese Einsichten wirken wie Kipppunkte: Ist einer davon einmal überschritten, gibt es oft kein Zurück mehr. Die innere Distanz wächst , bis der Bruch mit dem Unternehmen unausweichlich erscheint.

Was sind diese Kipppunkte? Und wie können Unternehmen sinnvoll darauf reagieren?


Kipppunkt 1: „Die Umwelt ist mir wichtig.“

Die erste Einsicht, die Climate Quitter haben, ist, dass Umwelt- und Klimaschutz für sie wichtige persönliche Anliegen sind. Diese Erkenntnis kann schon lange in der eigenen Wertebasis verankert sein oder sich allmählich entwickeln.

Entscheidend ist: Die Umwelt wird nicht mehr als abstrakte Kategorie gesehen, sondern als individueller, handlungsleitender Wert. Und dieser drängt auf Kohärenz, auch im beruflichen Tun.


Kipppunkt 2: „Es gibt große Umweltprobleme.“

Die wissenschaftliche Evidenz zur Klimakrise ist eindeutig. Doch für viele Menschen wird sie erst dann wirklich relevant, wenn sie emotional greifbar wird – durch Nachrichten, Wetterextreme, Gespräche mit Freund:innen oder den Blick auf die nächste Generation.

Was zuvor ein „wichtiger Wert“ war, wird zur akuten Herausforderung. Der Wunsch, selbst Verantwortung zu übernehmen, wächst und stellt das eigene Umfeld zunehmend infrage.


Kipppunkt 3: „Meine Arbeit steht in Zusammenhang mit diesen Problemen.“

An dieser Stelle beginnt die persönliche Betroffenheit: Bin ich durch meine Arbeit Teil der Lösung – oder Teil des Problems?

Viele stellen fest, dass ihre tägliche Tätigkeit, ihr Team oder sogar das gesamte Unternehmen mit ökologischen Schäden in Verbindung steht – sei es durch CO₂-intensive Prozesse, Ressourcenverbrauch oder strategische Untätigkeit.

Diese Einsicht ist schmerzhaft. Sie stellt das Selbstbild infrage: Ich will das nicht unterstützen, aber ich tue es trotzdem. Dies führt zu kognitiver Dissonanz.

Oft wird noch der Versuch unternommen, im Unternehmen etwas zu verändern. Gelingt das, können diese Mitarbeitenden (oft sogar motivierter als zuvor) im Unternehmen gehalten werden. Führen die Versuche, das Unternehmen nachhaltiger zu gestalten, jedoch ins Leere, gelangen Menschen an den nächsten Kipppunkt.


Kipppunkt 4: „Ich kann hier nichts verändern.“

Erfolglose Versuche, zu handeln, beispielsweise Vorschläge einzubringen, Kolleg:innen zu sensibilisieren, oder Nachhaltigkeitsthemen in Meetings zu platzieren, führen zur Überzeugung, im Unternehmen nichts bewirken zu können:

  • Die eigenen Initiativen bleiben folgenlos oder werden ausgebremst.
  • Nachhaltigkeit hat keine Priorität im Unternehmen.
  • Entscheidungen folgen weiterhin primär ökonomischen Logiken.

Diese Phase ist oft geprägt von Frustration. Der Handlungsspielraum erscheint zu klein oder zu irrelevant. Der Eindruck entsteht: Selbst wenn ich mich engagiere, wird sich nichts ändern.


Kipppunkt 5: „Ich kann hier nicht mehr arbeiten.“

Die innere Dissonanz wird zu groß. Wer das Gefühl hat, mit der eigenen Arbeit täglich gegen die eigenen Werte zu handeln, erlebt langfristig psychischen Stress – und oft eine schleichende Entfremdung.

Aus Loyalität und Engagement wird Erschöpfung, aus Idealismus wird Resignation. Viele sprechen in dieser Phase von einem „inneren Bruch“: Ich kann das nicht mehr mit mir vereinbaren.

Für einige folgt daraus die Kündigung, für andere zumindest die bewusste Entscheidung, den Absprung vorzubereiten.


Kipppunkt 6 (optional): „Ich kann diesen Job nicht mehr machen.“

Bei manchen betrifft der Zweifel nicht nur das konkrete Unternehmen, sondern die berufliche Rolle selbst: Ist mein Job mit meinen ökologischen Werten vereinbar?

Dies betrifft z. B. Menschen in Branchen, die stark mit Umweltschäden assoziiert werden (z. B. fossile Energie, Werbung für problematische Produkte, internationale Beratung ohne Nachhaltigkeitsbezug). Aber auch Berufsbilder wie Marketing, Vertrieb oder Kommunikation geraten in den Fokus – vor allem, wenn sie zur Aufrechterhaltung nicht-nachhaltiger Geschäftsmodelle beitragen.

Diese Phase kann zu einem tiefgreifenden beruflichen Wandel führen, oder sogar zu einem kompletten Ausstieg.


Was können Unternehmen tun?

Climate Quitting ist kein individuelles Problem, sondern ein systemisches Signal. Mitarbeitende, die sich für Klimaschutz engagieren, sind nicht illoyal. Im Gegenteil: Sie zeigen Verantwortung, Integrität und langfristige Perspektive.

Organisationen können darauf konstruktiv reagieren, indem sie:

  • Wertedialoge ermöglichen: Räume schaffen, in denen Mitarbeitende über persönliche Werte und Wertekonflikte sprechen können.
  • Verantwortung ernst nehmen: Nachhaltigkeit nicht als „Nebenthema“, sondern als strategische Priorität verankern.
  • Partizipation fördern: Mitarbeitende in Transformationsprozesse aktiv einbinden.
  • Glaubwürdigkeit beweisen: Greenwashing vermeiden – und transparent kommunizieren, wo man steht und wo man hinwill.

Fazit

Climate Quitting zeigt, wie tief ökologische Werte mittlerweile in der Arbeitswelt angekommen sind. Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Muster, ausgelöst durch persönliche Kipppunkte, die sich über Zeit aufbauen.

Für Unternehmen bedeutet das: Wer Talente halten und zukunftsfähig bleiben will, muss Nachhaltigkeit nicht nur versprechen, sondern erlebbar machen – als Teil der Kultur, der Strategie und der täglichen Entscheidungen. Nur so lässt sich verhindern, dass engagierte Mitarbeitende innerlich kündigen – oder ganz gehen.