Das Erfahrungswissen von Experten ist ein für Unternehmen sehr wertvolles, jedoch schwer fassbares Gut. Narrative Methoden eignen sich besonders gut für das Heben, Aufbereiten und Weitergeben von diesem implizit vorliegenden Erfahrungsschatz.
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Wenn Experten das Unternehmen verlassen, können schnell schmerzhafte Wissenslücken für den Nachfolger oder sogar das gesamte Unternehmen entstehen. Daher sind Methoden zur Wissensbewahrung auf dem Vormarsch, die Unternehmen bei der Erfassung und Wiederverwendung von erfolgskritischem Wissen unterstützen. Hier spricht man insbesondere vom wertvollen Erfahrungswissen ausscheidender Experten, denn dieses Wissen liefert Anhaltspunkte für das Unternehmen, wie der Experte schwierige Problemsituationen gelöst hat oder welche besonderen Herangehensweisen bzw. Abweichungen vom Standardvorgehen zum Erfolg führten. Allerdings stoßen gerade beim Thema Erfahrungswissen viele Wissensmanagement-Ansätze an ihre Grenzen, denn diese Art von Wissen lässt sich nicht einfach abfragen und dokumentieren, sondern steckt verborgen in den Köpfen der Experten.
Erfahrungswissen – ein Buch mit sieben Siegeln
Erfahrungswissen hat hohe implizite Anteile, denn es ist im Handeln entstanden und zeigt sich erst in Form von kompetentem Handeln in komplexen Problemlösesituationen. Darüber hinaus ist sich der Experte seines großen Wissensschatzes meist selbst nicht bewusst, vieles ist für ihn „selbstverständlich“ und schwer in Worte zu fassen. Folgende Analogie mag verdeutlichen, warum Erfahrungswissen mithilfe „klassischer“ Wissensmanagement-Ansätze meist nur mit großen Verlusten oder gar nicht erfasst und dokumentiert werden kann: Stellen Sie sich einen trüben Teich vor, in dem verschiedene Fischarten leben. Sie möchten gerne herausfinden, welche verschiedenen Arten in diesem Teich sind, also werfen Sie eine Angel mit einem Köder. Nach einer Weile werden Sie bestimmt den einen oder anderen Fisch herausziehen, doch werden Sie nie wissen, ob es nicht noch eine andere Fischart gibt, die Ihren Köder verschmäht. Genauso verhält es sich mit konkreten Fragen, die man Experten stellt: Jede Frage öffnet einen bestimmten Antwortraum, der die Grenzen aller möglichen Antworten vorgibt – das Wissen „links und rechts“ neben diesem Antwortraum aber geht verloren.
Wissenstransfer mit Storytelling
Storytelling, also die Arbeit mit Geschichten und Erzählungen, kann jenes verborgene implizite Erfahrungswissen in Worte und Bilder kleiden und so im Unternehmen verbreiten. Denn durch die offene Erzählsituation werden keine Antworträume vorgegeben, der Experte kann jene Situationen schildern, die ihm als besonders relevant in Erinnerung sind. Das Format „Erzählung“ bewahrt den Kontext, das „Drumherum“ an Informationen zu jenen Erlebnissen, in denen ein Experte sein Erfahrungswissen gesammelt hat. Erfahrungswissen kann also in narrativen Interviews in der Erfassungsphase des Storytelling-Ansatzes nach und nach in Worte bzw. Bilder gefasst werden. Nach einer auf sozialwissenschaftlichen Analyse‐Methoden basierenden Auswertung der Gespräche nach den verborgenen Wissensstrukturen folgt die Aufbereitungsphase: Welche Form soll die Dokumentation des gesammelten Wissens annehmen, um wieder in das Unternehmen fließen zu können und dort genutzt zu werden?
Schließlich steht in der Verbreitungsphase folgende Frage im Vordergrund: Wie müssen die Wissensnehmer in den Wissenstransfer‐Prozess eingebunden werden, damit sie das Wissen des ausscheidenden Experten annehmen und nutzen können? Hier sind je nachdem, ob der Nachfolger bereits im Hause ist oder aber noch nicht benannt, verschiedene Maßnahmen sinnvoll, die aber immer einen gemeinsamen Kern haben: Das Schaffen von Möglichkeiten, gemeinsam mit Anderen über das erhobene Erfahrungswissen zu reflektieren und es in Form von Geschichten – weiter zu kommunizieren.
Literaturnachweis:
Erlach, C. (2011). Wissenstransfer mit Story Telling – das Potential narrativer Methoden bei Erfassung und Weitergabe von Erfahrungswissen. In: Reinhardt, R. (Hrsg.), Wirtschaftspsychologie und Organisationserfolg, (S.481 – 491). Lengerich: Pabst-Verlag.
Zitieren als: Erlach, C. (2012). Wissenstransfer mit Storytelling. wissens.blitz (74). http://www.wissendialoge.de/storytelling