wissens.dialoge

Deckt das Full Range of Leadership-Modell tatsächlich das gesamte Spektrum an Führungsverhalten ab?

Das Full Range of Leadership-Modell ist die derzeit populärste und umfassendste Führungsstilkonzeption. Das Modell versucht das gesamte Spektrum an Führungsverhalten abzudecken. Ob es dies wirklich tut, wird jedoch zunehmend bezweifelt.

Download: wissens.blitz (168)

Das Full Range of Leadership-Modell von Avolio und Bass (1991) hat breite Akzeptanz in der Führungspraxis und in der Führungsliteratur gefunden, ist integrativ entwickelt und umfassend empirisch überprüft worden. Den Kern bilden die transaktionale und transformationale Führung. Die transaktionale Führung ist durch eine klar regulierte Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Geführten gekennzeichnet. Die Basis sind klare Ziele, die bei entsprechender Erfüllung belohnt werden (Contingent Reward) und für deren Erreichung und Kontrolle die Führungskraft Sorge trägt (Management by Exception). Hieraus resultiert eine vornehmlich auf kurzfristige individuelle Ziele ausgerichtete extrinsische Motivation der Geführten. Transformationale Führungskräfte motivieren MitarbeiterInnen hingegen dadurch, dass sie attraktive Visionen aufzeigen (Inspirational Motivation), selbst als Vorbild wahrgenommen werden (Idealized Influence), zu innovativem und unabhängigem Denken anregen (Intellectual Stimulation) und die Entwicklung der MitarbeiterInnen unterstützen (Individualized Consideration). Hierdurch ist es möglich, Werte und Einstellungen der Geführten nachhaltig so zu verändern, dass kurzfristige individuelle Ziele übergeordneten langfristigen Werten und Idealen weichen. Dadurch werden Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit und Einsatzbereitschaft gesteigert. Ergänzt um Laissez-faire Führung, die als Abwesenheit oder Verweigerung der Führung bezeichnet werden kann, ist ein in sich geschlossenes Führungsmodell entstanden.

Das Modell umfasst neun Faktoren, die den Führungsstilen transformationale, transaktionale und Laissez-faire Führung zugeordnet werden. Diese lassen sich in einem zweidimensionalen Kontinuum, das sich aus dem Grad der Aktivität der Führungskraft und der Effektivität der Führung ergibt, darstellen (vgl. Abbildung)

jackenkroll_blitz_168

Trotz einiger Probleme mit der Messung liegt insgesamt eine substantielle und konsistente empirische Unterstützung für die angenommene Hierarchie der Effektivität der Führungsstile des Full Range of Leadership-Modells vor. Zahlreiche Untersuchungen der angenommenen Zusammenhänge zwischen den Führungsstilen, üblicherweise gemessen mit dem von Avolio und Bass entwickelten Multifactor Leadership Questionnaire (MLQ), und unterschiedlichen subjektiven und objektiven Führungserfolgskriterien belegen dies. Subjektive Kriterien umfassen Aspekte wie Arbeitszufriedenheit, Commitment oder eine subjektive Leistungsbeurteilung. Zu objektiven Kriterien zählen z.B. der Grad der Zielerreichung, Verkaufskennzahlen oder Fehltage. Jedoch attestieren verschiedene Forschende dem Modell inhaltliche Lücken. Führungskräfte können demnach noch andere Verhaltensweisen zeigen, die durch das Modell nicht abgedeckt werden.

So wird das Fehlen strategischer und aufgabenorientierter Faktoren der Führung bemängelt. Als eine mögliche Ergänzung des Modells wird daher die instrumentelle Führung diskutiert. Diese umfasst Faktoren der strategischen Führung (Umfeldanalyse, Strategieformulierung und -implementierung) und Formen der Arbeitserleichterung und Arbeitsermöglichung der Geführten (Weg-Ziel-Unterstützung und Ergebnis-Feedback). Mehrere Studien weisen auf positive Effekte instrumenteller Führung hin und legen eine valide Ergänzung des Full Range of Leadership-Modells nahe.

Es erscheint zudem notwendig, das Modell um Faktoren negativer und destruktiver Führung zu ergänzen, die über die einfache Abwesenheit effektiver Führung (Laissez-faire) hinausgehen. So ist es inzwischen belegt, dass es in der Praxis systematisches aktives und passives Verhalten von Führungskräften gibt, welches sich gegen die MitarbeiterInnen richtet und der Organisation schadet.

Das Full Range of Leadership-Modell erfasst ein breites Spektrum an Führungsverhalten und liefert theoretisch und empirisch fundierte Hinweise auf die Effektivität von Führung. Um den Vollständigkeitsanspruch des Modells („Full Range“) aufrecht zu erhalten, muss das Modell jedoch um weitere Faktoren ergänzt werden.

 

 

Literaturnachweis
Avolio, B. J. & Bass, B. M. (1991). The full range of leadership development programs: based and advanced manuals. Binghamton, New York: Bass, Avolio & Associates.
Felfe, J. (2015). Transformationale Führung: neue Entwicklungen. In: Felfe, J. (Hrsg.), Trends psychologischen Führungsforschung (S. 39-53). Göttingen: Springer.
Rowold, J. (2014). Instrumental leadership: Extending the transformational-transactional leadership paradigm. Zeitschrift für Personalforschung 28 (3), S. 367-390.

Bitte zitieren als: Jackenkroll, B. (2016). Deckt das Full Range of Leadership-Modell tatsächlich das gesamte Spektrum an Führungsverhalten ab? wissens.blitz (168). https://wissensdialoge.de/full_range_leadership