Das Thema „Purpose“ liegt derzeit voll im Trend: Immer mehr Unternehmen (bzw. Manager*innen) setzen sich mit der Frage auseinander, welchen Beitrag sie in der Gesellschaft leisten möchten und können. Oft ist der Daseinszweck eines Unternehmens aber über die Jahre so weit in den Hintergrund gerückt, dass diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten ist und die Suche nach dem Purpose gestaltet sich als schwieriger, als man meinen möchte.
Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl drängender Probleme, die nach innovativen Lösungen schreien – Klimawandel und die Folgen der Pandemie sind nur zwei davon. Allerdings werden Unternehmen oft als „das Grundübel“ bei vielen dieser Probleme betrachtet und es ist schwer zu erkennen, welche Rolle sie bei der Lösung spielen können. Dazu kommt, dass bestehende Initiativen oft entweder vorrangig auf Probleme hinweisen (z.B. Global Risks Report) oder – insbesondere in Bezug auf Handlungsempfehlungen für Unternehmen – relativ abstrakt bleiben (z.B. SDGs)
Im Unterschied dazu hat das „World Business Councel for Sustainable Development“ vor Kurzem ein Dokument vorgelegt, das auf 118 Seiten eine detaillierte Vision für 2050 beschreibt: „Ein gutes Leben für 9+ Milliarden Menschen, innerhalb der Grenzen unseres Planeten“. Nun kann man gegenüber einigen der an der Ausarbeitung beteilitgen Unternehmen kritisch in Bezug auf deren nachhaltiges Handeln sein. Trotzdem bietet das Dokument jede Menge Anknüpfungspunkte und Inspirationen für Unternehmen aller Branchen, um einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel hin zu einem „Guten Leben für alle“, zur „Sustainability Transition“ zu leisten.
Die „Vision 2050“ mit dem Untertitel „Time to Transform“ entwirft in neun sogenannten Transition Pathways, also Transformationspfaden, einen Rahmen, der das unternehmerische Handeln im kommenden Jahrzehnt (und darüber hinaus) leiten soll. Die neun Transformationspfade decken die für die Gesellschaft wesentlichen Bereiche des Wirtschaftssystems ab: Energie, Transport und Mobilität, gebaute Umwelt, Produkte und Materialien, Finanzprodukte und -dienstleistungen, Konnektivität, Gesundheit und Wohlbefinden, Wasser und Sanitärversorgung, sowie Ernährung. In jedem der neun Transformationspfade werden (ambitionierte) Zielbilder beschrieben und gleich auch relativ konkrete, umsetzbare Wege für Unternehmen aufgezeigt, die einen gesellschaftlichen Beitrag zu diesen Transformationspfaden leisten möchten.
Wie können Sie die Vision 2050 für Ihr Unternehmen nutzen?
1.) Machen Sie sich die Stärken und Kernkompetenzen sowie den gegenwärtigen Nutzen Ihres Unternehmens bewusst. Für welche Probleme haben Sie einzigartige Lösungen? Welches Know-How haben Sie aufgebaut? Welche Stärken und Eigenschaften bzw. welche Fähigkeiten und Interessen haben Ihre Mitarbeiter*innen? Welchen Beitrag leisten Sie im Moment für die Gesellschaft – was ist Ihr Nutzen als Unternehmen (z.B. bauen Sie schöne Häuser)? Fördern Sie die Gesundheit von Menschen? Stellen Sie die Nahversorgung sicher?
2.) Finden Sie einen oder mehrere Pathways, also Transformationspfade, zu denen Sie beitragen können und möchten. Wahrscheinlich wird der Pathway, der für Sie relevant ist, in der Branche liegen, wo Sie auch sonst tätig sind (z.B. Transport, Energie). Vielleicht stellen Sie aber – auf Basis der Reflexion unter Punkt 1 – fest, dass Sie möglicherweise auch Stärken und Interessen in anderen Transformationspfaden haben bzw. hier mit Ihren Kernkompetenzen einen Beitrag leisten können. Es lohnt sich hier vielleicht auch, ein wenig über den Tellerrand zu blicken und das Dokument etwas breiter zu lesen.
3.) Vertiefen Sie sich in die – relativ konkreten – „Action Areas“, also die Handlungsfelder innerhalb der relevanten Transformationspfade. Hier sind einige Beispiele für unterschiedliche Handlungsfelder:
- Transport: Entwicklung, Test und Skalierung wirtschaftlich tragfähiger Geschäftsmodelle für Mobilität-as-a-Service, vernetzte urbane Logistik und Fahrzeug-zu-Stadt Konnektivität.
- Bau: Schaffung von zukunftssicheren Gebäuden und Infrastruktur, um umwelt-, sozial- und gesundheitsbezogene Krisen zu überwinden
- Produkte/Materialien: Entwicklung und Einführung von nachhaltigen und zirkulären biologischen Produkten, die Kohlenstoff speichern und nicht-erneuerbare und Erdöl-basierte Materialien ersetzen
- Finanzsektor: Erleichterung des Zugangs zu Finanzprodukten und -dienstleistungen für alle (Inklusion und Fairness als grundlegendes Gestaltungsprinzip)
- Gesundheit: Entwicklung neuer Technologien zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten (v.a. für Personengruppen mit niedrigem und mittlerem Einkommen)
Wenn Sie sich die Handlungsfelder der Vision 2050 ansehen: Gibt es einen Bereich, wo es „klickt“? Wo Sie das Gefühl haben, das ist es? Hier können und wollen Sie mit Ihrem Unternehmen beitragen?
Wenn ja: Vielleicht haben Sie gerade eben den Purpose Ihres Unternehmens gefunden, der zum „guten Leben für alle“ beiträgt.
Dieser Beitrag erschien zuvor in leicht veränderter Form unter https://barbarakump.com/2021/06/17/vision2050/.