Vertrauensaufbau in sozialen Netzwerken

Soziale Netzwerke werden mittlerweile nicht nur zur Pflege sondern auch zur Online-Kontaktaufnahme genutzt. Schon länger habe ich mich gefragt, ob aktive Online-NetzwerkerInnen Kontakte einfach nur sammeln. Es kann doch nicht möglich sein, Vertrauen zu jemandem aufzubauen, den man gar nicht persönlich kennt. Oder doch? Dann stieß ich auf einen Artikel von Judith Donath (frei zugänglich hier). Sie diskutiert verschiedene Signale, die dabei helfen können, einen unbekannten neuen Kontakt zu bewerten.

Die Autorin unterscheidet in erster Linie zwei Arten von Signalen:

Assessment signals. Darunter versteht sie Indikatoren, die für Qualität sprechen. So ist eine Doktorarbeit zum Thema „Soziales Netzwerken mit XING“ indikativ für Wissen über dieses Thema. Oder ein Master in Qualitätsmanagement indiziert Kompetenzen in diesem Bereich.

Conventional signals. Darunter versteht die Autorin selbstberichtete Angaben zu Expertisen, ohne das ein Nachweis durch Zertifikate oder ähnliches vorliegt. So kann man beispielsweise in XING angeben, was man zu bieten hat („Ich biete“). Liegt dazu kein weiterer Qualifikationsnachweis vor, handelt es sich lediglich um ein conventional signal.

Die zweite Art von Signalen unterliegt – laut der Autorin – einer stärken Verfälschbarkeit. Aus meiner Sicht können im Online-Kontext aber auch assessment signals – wie Weiterbildungszertifikate – angegeben werden, die nicht notwendigerweise der Realität entsprechen. Deshalb gilt aus meiner Sicht für beide Arten von Signalen, was die Autorin als „Gegenmittel“ diskutiert: Besteht das Netzwerk einer Person aus vielen Kontakten, mit denen die Person im engen Kontakt steht – also z.B. aktuelle und frühere KollegInnen oder gar Familienmitglieder – dann ist die Verfälschungswahrscheinlichkeit deutlich geringer. Damit befinden sich Personen im eigenen Netzwerk, die die angegebenen Kompetenzen der Person validieren können.

Aus der Gedankenspiel-Perspektive machen diese Überlegungen für mich viel Sinn. Aber nutzt man diese Signale in der Realität wirklich? Ja, ich nehme Kontakte eher an, wenn sie bereits Kontakte meiner Kontakte sind. Aber sind sie das nicht und erscheinen sie mir dennoch interessant, nehme ich dann ihre jeweiligen Netzwerke unter die Lupe? Eher nicht.

Wieso haben Sie schon einmal einen Ihnen persönlich unbekannten Kontakt in Ihr soziales Online-Netzwerk aufgenommen? Und glauben Sie, dass Sie diesem Kontakt vertrauen können?

Bildnachweis: Karl-Ernst Wodzicki

Katrin Wodzicki

Momentan leitet sie den Bereich Personal- und Organisationsentwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen. Sie studierte Psychologie an der Universität Jena und promovierte an der Universität Zürich. Anschließend forschte sie zu psychologischen und motivationalen Aspekten der computer-vermittelten Kommunikation und Kooperation am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen. Auf wissensdialoge.de schreibt sie über Führung, Teaminteraktion und Arbeitsorganisation.

5 thoughts on “Vertrauensaufbau in sozialen Netzwerken

  • 31. Januar 2011 um 14:34
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    Meine „Regel“ für Kontakte (zumindest bei XING, bei Twitter z.B. bin ich eher ziemlich wahllos im zurück-followen) ist entweder persönlich bekannt oder inhaltlich sehr relevant.

    Ich beobachte bei mir eher soetwas wie Anti-Conventional-Signals. Ich scanne nicht das Netzwerk und sammle „Pluspunkt“, eher führt eine merkwürdige (zufällig in Auge stechende) Information sehr schnell zu einer Einscheidung in die Richtung „ablehnen, lohnt nicht“, ohne dann weiter zu suchen. (z.B. eine dubiose Webseite )

    Bei den Conventional signals kommen also die strong ties wieder ins Spiel, oder? Ich brauche sie, als Validierung meiner Selbstpräsentation für andere.

  • 31. Januar 2011 um 15:10
    Permalink

    Hallo Katrin,

    beide signal-Typen beziehen sich, wenn ich es richtig verstehe, auf Basisinformationen bzw. Referenzen aus dem Profil.

    Jetzt ist es aber z.B. bei Xing so, dass eine Kontaktanfrage per persönlicher Nachricht übermittelt wird, d.h. im Vordergrund steht hier die persönliche Kontaktaufnahme. Ich beobachte hier bei mir selbst, dass ich bei einer Kontaktanfrage einer mir persönlich unbekannten Person zunächst (implizit?) beurteile, wieviel Zeit und Energie der Anfragende investiert hat, um in Kontakt zu mir zu kommen. Je persönlicher die Anfrage bzw. je detaillierter Bezug auf mein Profil/meine Interessen etc genommen wird, desto eher nehme ich den Kontakt an – weil ich dann davon ausgehen kann, dass der Anfragende Zeit in die Kontaktaufnahme investiert hat und an einem Austausch echt interessiert ist. Für mich schafft das Vertrauen! Das Profil des Anfragenden selbst ist bei mir selten ausschlaggebendes Kriterium…

    Wobei das natürlich ein wenig auch Kalkül ist, denn ich gehe ja davon aus, dass der Vertrauensnehmer (der Anfragende) sich vertrauenswürdig verhält, weil er an einer zukünftigen Kooperation interessiert ist.

    In Netzwerken, in denen zur Kontaktaufnahme persönliche Kommunikation involviert ist, mag sich also der Einfluss von Referenzen und Basisinformation („signals“ im Sinne von Donath) reduzieren und eine „gute Kommunikation“ kann ausschlaggebend sein!

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