Die positiven Auswirkungen von gegenseitigem Vertrauen für die Zusammenarbeit sind zahlreich und liegen auf der Hand. Es hängt allerdings von der Arbeitssituation ab, ob diese zum Vorschein kommen oder nicht.
Was ist Vertrauen?
– Ein psychologischer Zustand mit – Akzeptanz der eigenen Verletzlichkeit – und positiven Erwartungen bezüglich der Absichten des Gegenübers |
Stellen Sie sich vor: Erst letzte Woche waren Sie mit Ihren Kollegen bei einem Workshop zur Vertrauensbildung. Die Stimmung im Team ist so gut wie nie. Trotzdem trägt Ihre Zusammenarbeit danach kaum Früchte. Hat also der Workshop nichts gebracht? Oder liegt es vielleicht an der Arbeit selbst, dass die Zusammenarbeit weiter auf der Strecke bleibt?
Vertrauen lohnt sich – wenn die Arbeitssituation stimmt
Organisationen können in vielerlei Hinsicht von einer vertrauensvollen Atmosphäre profitieren. Dies legt nicht nur die Popularität vertrauensbildender Maßnahmen in Unternehmen nahe. Auch die Forschung zeichnet ein weitgehend positives Bild der Auswirkungen von Vertrauen: Vertrauen zwischen Mitarbeitern führt nicht nur zu mehr Informationsaustausch, sondern auch zu besserer Leistung und zu mehr Arbeitszufriedenheit (siehe auch Wissensblitze 149 und 150).
Allerdings ist die Beziehung zwischen Vertrauen und erfolgreicher Zusammenarbeit nicht so klar, wie sie auf den ersten Blick scheint. Es kommt dabei insbesondere auf die konkrete Arbeitssituation an: Je nachdem, wie stark die Arbeitssituation durch Regeln und Anreizsysteme strukturiert ist, wirkt sich Vertrauen mehr oder weniger auf das Verhalten in der Zusammenarbeit aus.
Die Arbeitssituation macht den Unterschied
Die psychologische Forschung unterscheidet zwischen „starken“ und „schwachen“ Situationen. In starken Situationen haben wir wenige Handlungsoptionen; es ist klar, welches Verhalten von uns erwartet wird. Wenn beispielsweise ein finanzieller Anreiz für die beste Teamleistung gesetzt wird, besteht eine klare Erwartung, dass wir zusammenarbeiten sollten. Wenn hingegen eine Belohnung für persönliche Erfolge versprochen wird, besteht die klare Erwartung, selbst die/der Beste zu sein (also eher nicht zu viel zusammenzuarbeiten). In solchen Situationen spielt das Vertrauen zwischen den Mitarbeitenden eine untergeordnete Rolle. Es kommt hier also mehr auf die festgelegten Rahmenbedingungen, als auf die Person selbst, an. Im Extremfall hat das Vertrauen in solchen starken Situationen überhaupt keinen Einfluss mehr auf die Zusammenarbeit.
Das Gegenteil gilt für schwache Situationen. Sie lassen den persönlichen Einstellungen, Überzeugungen und der Persönlichkeit des Einzelnen mehr Spielraum. Ob wir hier mit anderen zusammenarbeiten oder nicht, hängt also weniger von der Situation als vielmehr von der Person selbst ab. Dies gilt zum Beispiel, wenn konkurrierende Ziele bestehen (z. B. einerseits Teamarbeit, andererseits persönliche Erfolge belohnt werden) oder Unsicherheit im Unternehmen herrscht (z. B. welches Verhalten von uns erwartet wird). Vertrauen (und andere psychologische Zustände) wirken sich vor allem dann direkt auf unser Verhalten aus, wenn die Arbeitssituation viele Handlungsspielräume lässt – also „schwach“ ist. In diesem Falle führt ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen unmittelbar dazu, dass wir mehr versuchen zusammenzuarbeiten.
Es scheint also nicht „das eine“ Mittel der Wahl, sondern zwei Wege zum Erfolg zu geben.
Fazit: Vertrauen steigern oder stärker strukturieren?
Je nach Situation können also unterschiedliche Maßnahmen sinnvoll sein. Vertrauensbildung kann die Zusammenarbeit nur dann fördern, wenn die Arbeitssituation genügend Handlungsspielräume lässt. Ist dies nicht der Fall, kann sich das Vertrauen nicht positiv auswirken. Ist das Vertrauen zwischen den Mitarbeitern von vorneherein hoch, sollte die Arbeitssituation weniger reglementiert werden. So kann das Vertrauen seine volle Wirkung entfalten. Falls das gegenseitige Vertrauen gering ist, empfiehlt es sich eher, mehr Vorgaben zu machen, die auf Zusammenarbeit hinführen. Um die Zusammenarbeit unter Mitarbeitenden zu fördern, gilt es also immer beide Stellschrauben – das gegenseitige Vertrauen und die Situation – zu beachten.
Zwei Wege zu kooperativem Verhalten:
– Ist die Arbeitssituation wenig strukturiert, lohnen sich vertrauensbildende Maßnahmen – Ist das gegenseitige Vertrauen gering, lohnen sich konkrete Vorgaben |
Literaturnachweis: Dirks, K. T., & Ferrin, D. L. (2001). The Role of Trust in Organizational Settings. Organization Science, 12, 450-467. Rousseau, D. M., Sitkin, S. B., Burt, R. S., & Camerer, C. (1998). Not so Different after All: A Cross-Discipline View of Trust. The Academy of Management Review, 23, 393-404.
Zitieren als: Winter, K. (2017). Vertrauen fördert kooperatives Verhalten – aber nicht immer. wissens.blitz(181). https://wissensdialoge.de/vertrauen-foerdert-kooperatives-verhalten-aber-nicht-immer