Welche Hürden entstehen für Teams durch die aktuelle Situation rund um COVID-19?
Aktuell erleben viele Teams, dass durch die Corona-Krise ihre etablierten Arbeitsroutinen nicht mehr funktionieren und sie sich auf ganz neue, vor allem virtuelle, Arten der Zusammenarbeit einstellen müssen. Statt dem gewohnten Teammeeting finden Absprachen nun vor allem per Videokonferenz statt. Teammitglieder erhalten kaum Feedback von anderen, sondern müssen aktiv danach fragen. Der informelle Austausch erfolgt nicht mehr ‚nebenbei‘ an der Kaffeemaschine, sondern muss jetzt geplant werden. Teammitglieder fallen aufgrund von Krankheit aus oder können nicht die gewohnte Leistung erbringen. Viele Teams stehen dabei unter dem Druck, in einer unklaren Gesamtsituation weiter leistungsfähig zu sein und zu ‚performen‘. Die Corona-Krise bedeutet also in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere Herausforderung und Belastung für Teams in Organisationen.
Wie können Teams trotz dieser besonderen Herausforderungen gut zusammenarbeiten?
Die Teamforschung beschäftigt sich seit kurzem verstärkt mit der Frage, wie Teams mit solchen Belastungen gut umgehen und was sie stark dafür macht Krisen zu meistern – und möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorzugehen. ‚Teamresilienz‘ ist die Fähigkeit, Situationen, die den Teamzusammenhalt, die Zusammenarbeit im Team oder die Teamleistung gefährden, zu überwinden und rasch (wieder) leistungsfähig zu sein. Resiliente Teams erkennen schnell, welche Herausforderungen die Teamarbeit gefährden und wenden sich Problemen frühzeitig zu. Sie geben sich gegenseitig Kraft, die Krise erfolgreich zu meistern. Sie erkennen beispielsweise, wann jemand Unterstützung braucht und springen auch mal füreinander ein. Teamresilienz ist also gerade jetzt ganz besonders wichtig!
Wie kann man Teamresilienz stärken?
Meine Forschung zeigt, dass schon unter Routinebedingungen diejenigen Teams erfolgreicher sind, die sich regelmäßig Zeit nehmen innezuhalten, ihre Zusammenarbeit und die gemeinsamen Ziele zu reflektieren und falls notwendig anzupassen. Diese ‚Teamreflexion‘ ist in der jetzigen Situation, die von Improvisation und viel gemeinsamem Experimentieren geprägt ist, noch wichtiger! Die Forschung zeigt aber, dass virtuelle Teammeetings sehr aufgaben- und aktionsorientiert sind – Teamreflexion findet fatalerweise fast gar nicht statt.
Deshalb mein Rat an Teams: Nehmt euch ganz gezielt und regelmäßig die Zeit, über aktuelle Herausforderungen und wie ihr damit umgeht zu diskutieren.
Wie kann eine solche ‚Teamreflexion‘ genau aussehen?
Ich würde unbedingt ein extra Teammeeting dafür ansetzen und ausreichend Zeit, mindestens eine Stunde, einplanen. Eine (neutrale) Moderation hilft dabei, Jammerspiralen zu vermeiden und konstruktiv zu diskutieren. Folgende Leitfragen können die Diskussion strukturieren:
- Vor welchen konkreten Herausforderungen stehen wir gerade? Welche Herausforderungen werden noch auf uns zukommen?
- Wie gehen wir als Team gerade mit der Situation um? Was ist hilfreich, was ist weniger hilfreich?
- Wie können wir noch besser mit der Situation umgehen? Was braucht jede/r einzelne – und was kann jede/r geben, damit wir als Team noch besser zusammenarbeiten können?
- Was nehmen wir uns konkret vor? Wann und wie können wir feststellen, ob die Maßnahmen erfolgreich sind?
Vor allem der letzte Schritt wird oft vernachlässigt, achtet also darauf, dass konkrete Lesson Learned abgeleitet werden!
Auch wenn wir dann alle langsam in die (neue) ‚Normalität‘ zurückkehren, lohnt sich eine strukturierte Rückschau: Wie gut sind wir als Team mit den Herausforderungen umgangen? Was können wir tun, um mit zukünftigen Herausforderungen (noch) besser umzugehen?
Welche Rolle spielt die Führungsperson?
Eine ganz ausschlaggebende! Dabei ist transparente Kommunikation besonders wichtig – auch dass die Situation unklar ist, darf und soll explizit ausgedrückt werden. Als Vorbild sollte die Teamleitung eigene Herausforderungen und Stress ansprechen. Sie muss Warnsignale aus dem Team ernst nehmen und sollte aktiv dazu ermutigen, Herausforderungen und Probleme anzusprechen und nicht ‚den Kopf in den Sand zu stecken‘. Führung aus der Distanz erfordert immer einen gegenseitigen Vertrauensvorschuss: Belasten Sie Ihr Team nicht mit zusätzlichen Auflagen oder Anforderungen, sondern bauen Sie auf Eigenverantwortung Ihres Teams, zum Beispiel was die Arbeitszeiten angeht.
Spannend finde ich erste Forschungsergebnisse, dass in der Corona-Krise Führung, die sich vor allem auf klare Zielvorgaben und Strukturen konzentriert, weniger erfolgreich zu sein scheint, als Führung, in der Wertschätzung und ein Eingehen auf jede*n einzelnen im Team im Fokus steht. Deshalb mein Hinweis an Führungspersonen: Zeigen Sie Verständnis dafür, dass die gewohnte Teameffizienz und -leistung vorübergehend nicht erreicht werden kann. Drücken Sie Wertschätzung für jede Anstrengung ihrer Teammitglieder aus, in der kritischen Situation weiterhin gut zusammenzuarbeiten. Und zuletzt: Haben Sie Zuversicht und Vertrauen in Ihr Team!
Wo können Teams und ihre Führungspersonen weitere fundierte Tipps finden?
In der TUM Knowledge Base Führung und Teamarbeit der Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement der TUM (Prof. Dr. Claudia Peus) habe ich weitere ganz konkrete Tipps und Hinweise für Teams und Ihre Führungspersonen zusammengestellt sowie eine breite Sammlung an fundierten und damit empfehlenswerten Websites, Webinaren und Handreichungen.