Wenn wir wissen wollen, wie gut wir in komplexen Leistungsbereichen sind, suchen wir den Vergleich mit anderen. Mit wem wir uns vergleichen ist aber systematisch, strategisch und manchmal Geschmackssache.
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Wie gut ist mein Führungsstil? Sind meine Ideen innovativ? Kann ich eigentlich gut präsentieren? Es ist ein menschliches Bedürfnis, sich selbst einzuschätzen. Wenn es um Eigenschaften geht, die man objektiv messen kann (z.B. durch einen Sprachtest), dann ist es einfach, sich selbst zu beurteilen. Wenn es aber um Eigenschaften geht, die komplex, schwer zu definieren oder kaum zu messen sind, dann hat sich gezeigt, dass der Vergleich mit anderen dabei hilft, die eigenen Fähigkeiten und Leistungen einzuschätzen. Die Palette der Menschen, mit denen man sich vergleichen könnte, ist groß. Vergleiche zwischen Menschen sind aber hoch systematisch, strategisch und manchmal auch einfach Geschmackssache.
Mit wem vergleichen wir uns?
Wir suchen uns unsere VergleichspartnerInnen nicht willkürlich heraus, sondern wählen diese systematisch aus. So vergleichen wir uns vor allem mit Menschen, die uns ähnlich sind, v.a. ähnlich in Dimensionen, die für die betreffende Eigenschaft wichtig erscheinen. So vergleicht sich ein Mitarbeiter hinsichtlich seiner Leistung in der Organisation mit ähnlich qualifizierten KollegInnen, die über ähnliche Arbeitserfahrung im gleichen Bereich verfügen. Alter oder Geschlecht wären an dieser Stelle wahrscheinlich nachrangig. Wenn der Mitarbeiter aber einschätzen möchte, wie gut er im Fußball ist, dann würde er sich mit Männern seines Alters vergleichen. Mit wem man sich also vergleicht, hängt davon ab, worum es im Vergleich geht, welche Dimensionen man damit im Zusammenhang sieht und wen man in diesen Dimensionen als ähnlich wahrnimmt.
Aufwärts oder abwärts vergleichen?
Wenn man geeignete VergleichspartnerInnen gefunden hat, dann kann man sich mit Leuten vergleichen, die besser sind, aber auch mit Menschen, die schlechter sind als man selbst. In westlichen Kulturen vergleichen sich Menschen vor allem mit besseren, denn sie wollen sehen, wohin sie sich entwickeln können. Dabei sucht man sich nicht die/den Besten aus, sondern jemanden, der in der Leistung knapp über einem liegt: das, was die erfahrene Kollegin leistet, ist erreichbar und motiviert einen, selbst mal so weit zu kommen.
Was aber, wenn man bei einer bestimmten Fähigkeit schlecht abschneidet, unsicher ist oder wenig Chancen auf Verbesserung hat? Wenn ein Mitarbeiter selbst der leistungsschwächste im Team ist, dann ist es für seinen Selbstwert und sein Wohlbefinden das beste, seine Leistung mit noch schwächeren, manchmal auch Außenstehenden (z.B. aus der Nachbarabteilung) zu vergleichen. Hilfreich kann es auch sein, die Vergleichsdimension zu wechseln: vielleicht ist der Mitarbeiter zwar der leistungsschwächste, dafür aber der beliebteste bei den Kunden.
Vergleiche als Motivationsquelle nutzen:
- Ermöglichen Sie Vergleiche, die Entwicklungspotentiale aufzeigen: Je nach Vorliebe der Mitarbeitenden entweder durch erreichbare Leistungen von fortgeschrittenen KollegInnen , oder durch Rück- und Ausblicke auf die eigene Entwicklung.
- Vermeiden Sie Vergleiche durch Konkurrenzkämpfe. Von Gegnern lässt man sich ungern inspirieren, denn man nimmt sie nicht als ähnlich wahr.
- Achten Sie darauf, dass die Vergleiche realistisch sind. Gestatten Sie niemandem, sich mit unrealistischen Vergleichsobjekten („So clever wie Einstein werde ich sowieso nicht!“) zu demotivieren.
- Wenn Mitarbeitende abwärts vergleichen, dann sind sie in einer unsicheren oder unbefriedigenden Situation. Gönnen Sie ihnen ggf. den Abwärtsvergleich, damit sie an Sicherheit und Selbstbewusstsein gewinnen.
- Wechseln Sie, wenn möglich, auch mal die Vergleichsdimension, damit jede/r mal gut abschneidet.
Alternative Vergleiche und Vorlieben
Eine Alternative zum Vergleich mit anderen ist der sog. temporale Vergleich: Hier vergleicht man sich mit sich selbst zu einem früheren Zeitpunkt. „Vor einem Jahr wusste ich noch nichts über diesen Ablauf, jetzt plane ich den ganzen Prozess!“ Bei diesem Vergleich fokussiert man auf die eigene Entwicklung in einem bestimmten Bereich. Menschen haben häufig eine bestimmte Vorliebe für eine Vergleichsart. Manche sind vor allem inspiriert, wenn sie die gute Leistung einer vergleichbaren Person sehen. Andere werden vor allem durch die eigene Entwicklung motiviert. Als Führungskraft lohnt es sich, die Vorlieben der Mitarbeitenden zu erkennen und gezielt einzusetzen (siehe Kasten).
Literaturnachweis: Brown, R. (2000). Structural Aspects of Groups, 2nd Edition. In R. Brown (Ed.), Group process-es (pp. 68-122). Oxford, UK: Blackwell Publishing.
Zitieren als: Matschke, C. (2015). Soziale Vergleiche. wissens.blitz (165). https://wissensdialoge.de/sozialervergleich