Ein guter Informationsfluss ist unabdingbar in der Teamarbeit. Manchmal werden Information aber nicht nur zurückgehalten, sondern sogar verzerrt weiter gegeben. Wann und warum ist das so?
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Stellen Sie sich vor, im Team wird eine Person gesucht, die die Fortbildungen für alle Mitarbeitenden koordiniert. Da diese Arbeit aufwändig ist und die eigene eigentliche Tätigkeit nicht vorantreibt, meldet sich niemand für diese Aufgabe. Obwohl der momentane Amtsinhaber bislang v.a. über die Belastung geklagt hat, beginnt er nun hervorzuheben, dass er viel über organisatorische Tätigkeiten gelernt hätte, dass die Vernetzung in der Firma ein wertvoller Vorteil war und dass es am Ende nicht so viel Arbeit sein wird. Daraufhin übernimmt ein neues Teammitglied freiwillig diese Aufgabe.
Aus strategischen Gründen kann es im Arbeitsleben immer wieder kurzfristig von Nutzen sein, Informationen nicht nur zu verschweigen (siehe auch wissens.blitz 132 zum Knowledge Hiding), sondern sogar verzerrte (d.h. falsche) Informationen weiterzugeben. Das Herunterspielen von Misserfolgen, das „Wegloben“ von erfolglosen Mitarbeitenden und das Vertuschen von Fehlern sind Klassiker im Arbeitsleben, die der einen Partei ermöglichen, das Verhalten der anderen Partei durch falsche oder fehlende Informationen zu manipulieren. Für ein langfristiges Miteinander im Team sind „Lug und Trug“ von Informationen Gift und gefährden den Erfolg der Arbeit. Sowohl Merkmale der Situation, als auch Merkmale der Persönlichkeit beeinflussen, ob Information korrekt bzw. verdeckt oder verzerrt weitergegeben wird:
Wie Du (wahrscheinlich) mir, so ich Dir
Die Erwartung, ob ich es mit einer kooperativen oder mit einer kompetitiven Person zu tun habe, scheint entscheidend zu sein beim Wissensaustausch. Wenn man erwartet, die Information mit einer egoistischen, kalten und wettbewerbsorientierten Person zu teilen, dann werden mehr verzerrte und fehlerhafte Informationen bei der Zusammenarbeit oder in Verhandlungen weitergegeben, als wenn man mit einer warmen, hilfsbereiten und kollegialen Person rechnet. Außerdem gibt man gerade einer wettbewerbsorientierten Person Informationen eher so weiter, dass ihre Vorteile einer Entscheidung größer und ihre Nachteile kleiner wirken, als sie wirklich sind, damit sich die Person im eigenen Interesse verhält.
Warum machen wir das?
Auf den ersten Blick will wahrscheinlich keiner den eigenen Kollegen mit fehlenden oder falschen Informationen begegnen. Es gibt aber anscheinend Gründe, die die Umgangsform, ehrlich und offen zu sein, außer Kraft setzen: das sind Gier, Angst vor Ausnutzung und das Streben nach Gerechtigkeit. Wenn man z.B. den Gewinn der Informationsverzerrung deutlich höher einschätzt als die Gewissensbisse oder den Ärger, den man dadurch erfährt, steigt die Wahrscheinlichkeit, Informationen verzerrt weiterzugeben. Ein anderer Grund ist, dass man sich ungern ausnutzen lassen möchte, indem man nur gibt und (wie man ja erwartet) nichts zurückbekommt. Und zu guter Letzt versuchen Menschen auch, die Fairness wieder herzustellen, indem sie selbst genau das tun, was sie vom anderen erwarten: Lug und Betrug bei der Informationsweitergabe.
Wer macht das besonders häufig?
Gibt es nun aber Menschen, die immer bzw. nie Informationen verzerren? Die Forschung hat gezeigt, dass sogar Menschen, die eine sog. pro-soziale Persönlichkeitsorientierung haben, nicht automatisch „Gut-Menschen“ sind. Im Gegenteil, sie passen ihr Verhalten sogar stärker an ihr Gegenüber an als Menschen mit sog. egoistischer Orientierung. Wenn sie kompetitive Partner erwarten, dann verfälschen pro-soziale Personen sogar mehr Informationen als egoistische Personen.
Was kann man als Führungskraft tun?
Wenn man als Führungskraft strategische Informationsverzerrung im Team verhindern will, dann hilft es also wenig, pro-soziale Mitarbeitende auszuwählen. Vielmehr sollte man ein Teamklima schaffen, das für Wissensaustausch förderlich ist.
Verzerrungen beim Wissensaustausch vermeiden:
- Sorgen Sie in formellen und informellen Treffen für ein kooperatives Klima im Team.
- Schaffen Sie Gelegenheiten (z.B. Feiern, gemeinsame Projekte), die Vertrauen im Team steigern und Angst vor Ausnutzung senken.
- Sorgen Sie für eine starke Wertschätzung von kollegialem Wissensaustausch
- Steigern Sie die „Kosten“ von Lug und Betrug: etablieren Sie Regeln und Normen, deren Übertretung unangenehme Folgen hat.
- Achten Sie darauf, dass Belohnung von Leistung (z.B. Boni) nicht (oder nicht nur!) Wettbewerb zwischen Teammitgliedern schürt.
- Unterbinden und hinterfragen Sie Gerüchte der Kälte, Unhöflichkeit und Ellenbogen-Mentalität über Teammitglieder.
Literaturnachweis:
Steinel, W., & De Dreu, K. W. (2004). Social motives and strategic misrepresenta-tion in social decision making. Journal of Personality and Social Psychology, 86, 419-434.
Bitte zitieren als: Matschke, C. (2014). Lug und Betrug beim Wissensaustausch. wissens.blitz(135). https://wissensdialoge.de/lugbetrug