Viele Initiativen setzen auf Drohszenarien, um Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit anzustoßen. Trotzdem scheint die Mehrheit der Unternehmen an ihrem Status Quo festzuhalten. Der Artikel geht der Frage nach, unter welchen Umständen Drohszenarien wirksam sein können, um ManagerInnen für Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit zu mobilisieren.
„Our house is still on fire!“ („Unser Haus brennt immer noch!“) rief die Umweltaktivistin Greta Thunberg in drohendem Ton, um das Publikum des Weltwirtschaftsforums in Davos 2020 zu nachhaltigerem Handeln zu motivieren. In ähnlicher Weise setzen viele Umweltinitiativen (z.B. der Global Risk Report 2020) auf Drohszenarien, um bei ManagerInnen ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit zu bewirken. Aber so richtig scheint das nicht zu funktionieren: Abgesehen von einigen lobenswerten Ausnahmen bleiben die meisten Unternehmen offensichtlich bei ihrem „Business as usual“, wie unter anderem die weiterhin steigen Kohlendioxid-Emissionen zeigen (z.B. PBL-Report, 2020). Sind Drohszenarien also nicht geeignet, um ManagerInnen zu Veränderungsinitiativen zu bewegen?
Eigentlich – das haben viele Studien gezeigt – sollten Drohszenarien und ein Gefühl der Dringlichkeit sehr wohl wirksam sein, um soziale und organisationale Veränderungen in Gang zu setzen. Stattdessen könnte es daran liegen, wie diese Drohszenarien meist beschrieben sind: nämlich als Bedrohung für Menschen und die Umwelt, nicht als Bedrohungen für Unternehmen. Oft sind ManagerInnen als Privatpersonen von den schwerwiegenden Problemen des Klimawandels überzeugt, sehen aber deshalb noch lange keine Implikationen für ihre Unternehmen. Außerdem stehen – gerade in größeren Unternehmen – persönliche Überzeugungen im Umweltbereich oft im Widerspruch zu wirtschaftlichen Zielen und zu dem, was für wirtschaftliches Handeln als „legitim“ angesehen wird.
Die Frage lautet also eher: Wie müssen Drohszenarien formuliert sein, um organisationale Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit anzustoßen? Die Organisationsforschung liefert überraschend wenig Erkenntnisse zu dieser Frage. Gängige Change-Management-Modelle beginnen meist erst bei der Entscheidung der Führungskräfte für einen Wandel und thematisieren nicht, was den Wandel auslösen kann. Dafür gibt es im Bereich der Gesundheitspsychologie Modelle über den Zusammenhang von Glaubenssätzen über Gesundheitsrisiken (z.B. die Einschätzung des Risikos an Covid.19 zu erkranken) und Gesundheitsverhalten (z.B. Abstand halten). Eines der am meisten untersuchten Modelle in diesem Zusammenhang ist das „Modell der Gesundheitsüberzeugungen“ („Health Belief Model“, Rosenstock, 1974). Die Annahmen des Modells lassen als ein „Modell der Umweltüberzeugungen“ auf den Bereich der Nachhaltigkeit übertragen.
Konkret umfasst das „Modell der Umweltüberzeugungen“ fünf Faktoren, die nachhaltiges Handeln von ManagerInnen beeinflussen (siehe Abbildung 1): ManagerInnen werden dann einen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit einleiten, wenn sie die Überzeugung haben, dass (i) ihre Firmen anfällig für klimabedingte Bedrohungen sind, (ii) diese Bedrohungen für die Firma schwerwiegend sind, (iii) die wahrgenommenen Vorteile der organisationalen Veränderung (iv) die wahrgenommenen Barrieren übersteigen und (v) wenn es einen externen Hinweis (z.B. eine Umweltkatastrophe, eine Informationskampagne) gibt, der auf die Notwendigkeit der Veränderung hinweist.
Zusammenfassend bedeutet das, Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit müssen auch eine smarte unternehmerische Entscheidung sein: Die Wahrscheinlichkeit eines Unternehmenserfolges muss dadurch gesteigert oder zumindest erhalten werden.
Um ManagerInnen zu nachhaltigen Veränderungen zu überzeugen, sollten die fünf Faktoren des „Modells der Umweltüberzeugungen“ berücksichtigt werden: Informationskampagnen sollten die wahrscheinlichen Auswirkungen des Klimawandels auf sensible Unternehmensbereiche (z.B. Lieferkette) darstellen und das Bewusstsein über die Schwere der Bedrohung für Unternehmen schärfen, indem sie auf wirtschaftliche Nachteile von Umweltproblemen hinweisen (z.B. Ressourcen, Energiekosten). Darüber hinaus können Informationskampagnen die Vorteile des Wandels in Richtung Nachhaltigkeit für das Unternehmen hervorheben und das Innovationspotenzial skizzieren (Business-Case-Perspektive).
An einem Punkt ihrer Rede in Davos 2020 sagte Greta Thunberg, dass sie davor gewarnt worden sei, Panik zu schüren. Sie scherzte jedoch: „Machen Sie sich keine Sorgen, es ist in Ordnung. Ich habe das getan [d.h. versucht, Panik zu verbreiten], und ich kann Ihnen versichern, dass es zu nichts führt“. Möglicherweise löst aber Thunberg einfach nur die falsche Panik aus? Möglicherweise löst aber Thunberg einfach nur die falsche Panik aus? Vielleicht könnte sie mehr bewirken, wenn sie nicht versucht Wirtschaftsakteure mit „Weltuntergangs“-Szenarien“ für Veränderungen zu mobilisieren, sondern mit einem für sie (im Rahmen des Wirtschaftssystems) viel schlimmeren Drohszenario: Massiven finanziellen Verlusten.
Dieser Beitrag erschien zuvor in ähnlicher Form unter https://barbarakump.com/2020/09/17/konnen-drohszenarien-zu-mehr-nachhaltigkeit-in-unternehmen-fuhren/
Quellen:
PBL-Report 2020: Olivier, J. G. J., & Peters, J. A. H. W. (2020). Trends in global CO2 and total greenhouse gas emissions. PBL Netherlands Environmental Assessment Agency. https://www.pbl.nl/sites/default/wp-content/uploads/downloads/pbl-2020-trends-in-global-co2-and-total-greenhouse-gas-emissions-2019-report_4068.pdf
Rosenstock, I. M. (1974). Historical origins of the health belief model. Health Education Monographs, 2(4), 328–335.
Thunberg, G. (2020). “Our House Is Still on Fire”: Full Speech by Greta Thunberg at World Economic Forum in Davos, January 21, 2020. Democracy Now! https://www.democracynow.org/2020/1/21/our_house_is_still_on_fire
World Economic Forum (WEF). (2020). The Global Risks Report 2020. https://www.weforum.org/reports/the-global-risks-report-2020