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Mit wem arbeiten Sie lieber zusammen: Mit Anna oder Ingeborg? Mit Kevin oder Alexander?

Im Arbeitsleben möchten wir gerne unabhängige, kritische und genaue Beobachter sein und faire Urteile über KollegInnen, Vorgesetzte und Untergebene treffen. Das ist aber gar nicht so leicht! Denn oft reicht es schon, den Vornamen einer Person zu hören, und ein bestimmtes Bild entsteht zu einer Person. Dieses Bild kann positiv oder negativ sein – und das, bevor wir die Person überhaupt kennen! Abgesehen von eigenen Erfahrungen, die man mit Personen eines bestimmten Namens gemacht hat, gibt es auch jede Menge Stereotype und Annahmen über Vornamen, die gesellschaftlich geteilt sind – die wir also alle mehr oder weniger haben.

Altmodisch, zeitlos oder modern?
In einer Studie haben Rudolph, Böhm und Lummer (2007) untersucht, inwiefern sich moderne, altmodische und zeitlose Vornamen darin unterscheiden, wie man das Alter, die Attraktivität und die Intelligenz der Namensträgerinnen und -träger beurteilt. Bei modernen Vornamen handelte es sich um solche Namen, die in den letzten Jahren auf den vorderen Rängen der beliebtesten Vornamen standen und damit in einer Generation sehr häufig vorkommen. Mit zeitlosen Namen sind solche Namen gemeint, die über mehrere Jahrzehnte beliebt waren (z.B. Michael, Andreas oder Matthias), oder Vornamen, die in zwei verschiedenen Generationen beliebt waren (z.B. Paul, Hanna, oder Maria). Bezüglich altmodischer Namen wurden solche Namen untersucht, die in einer bestimmten Generation beliebt waren, die jetzt bereits zu „den Älteren“ gehört, die aber in der jüngeren Generation momentan weniger vertreten sind (z.B. Birgit, Cornelia oder Holger). Die Ergebnisse der Studie haben gezeigt, dass Trägerinnen und Träger von modernen und zeitlosen Namen jünger eingeschätzt werden – womit die Einschätzung häufig die Realität widerspiegelt. Interessanterweise wurden aber Menschen mit modernen und zeitlosen Namen im Durchschnitt auch als attraktiver und intelligenter eingestuft als Menschen, die einen altmodischen Namen tragen. Tatsächlich zeigen die Autorinnen und Autoren der Studie, dass die Alterseinschätzung einer Person die wahrgenommene Attraktivität beeinflusst, und diese wiederum die Intelligenz. Kurz gesagt also: je jünger ich eine Person einschätze, desto attraktiver finde ich sie – und je attraktiver ich eine Person finde, desto mehr Intelligenz traue ich ihr zu.

Modern ist aber nicht modern
Jetzt sind moderne Namen aber nicht per se positiv besetzt. Bei einigen Namen denken viele Menschen vielleicht an bildungsferne Familien oder einen sozial schwachen Hintergrund. Neuere Studien von Kaiser und Kollegen (2010) haben gezeigt, dass schon Lehrkräfte bestimmte Erwartungen an bestimmte Vornamen knüpfen: sie erwarten von einem Kind, das Kevin, Justin, Chantal oder Angelina heißt, in der Regel eher schlechtere Leistungen und eher auffallend negatives Sozialverhalten, während von einem Kind, das Alexander, Maximilian, Hanna oder Marie heißt, vergleichsweise besonders gute Leistungen und auffallend positives Sozialverhalten erwartet werden. Eine klassische Studie von Harari und McDavid (1973) aus dem Schulkontext hat gezeigt, dass diese Einstellung die Leistungsbewertung verzerren kann: ein- und derselbe Schulaufsatz wurde durchschnittlich von Lehrkräften um eine ganze Note besser bewertet, wenn ein gängiger Vorname auf dem Aufsatz stand, als wenn ein ungewöhnlicher Vorname auf dem Aufsatz stand. Kurz gesagt: Menschen mit unmodernen oder stereotyp-behafteten Namen haben es schon in der Schule nicht leicht, denn es wird nichts Gutes von ihnen erwartet.

Vornamen im Arbeitskontext
Im Arbeitskontext gibt es häufig Situationen, in denen wir zuerst den Namen einer Person hören, bevor wir die Leistung der Person zu sehen bekommen. Bei Bewerbungsunterlagen steht der Name als erste Information auf den Unterlagen. Bei Präsentationen ist der Name das erste, was wir hören und lesen. Wenn wir neue Kollegen kennenlernen, dann wissen wir meist vorher schon, wie sie heißen. Die Studienergebnisse oben zeigen, dass die Namen Erwartungen im Hinblick auf Alter, Attraktivität, Intelligenz und Sozialverhalten auslösen können. Solche Erwartungen können unsere eigenen Einschätzungen leicht verzerren, unser eigenes Verhalten beeinflussen (siehe Wissensblitze 12, 145 und 152). So kann der Anfang einer Beziehung zu neuen Kolleginnen und Kollegen günstig oder ungünstig sein: und der erste Eindruck von der Leistung einer Person kann „gefärbt“ sein durch die Erwartungen, die ein Vorname in uns ausgelöst hat.

Wie bleibe ich fair?
Es gibt meines Wissens noch keine Studien dazu, wie ich mich gegen die Erwartung, die ein Vorname in mir hervorruft, wappnen kann. Wenn man aber die Befunde zu Vorurteilen und Stereotypen anleiht, dann gilt: schon die innere Motivation, vorurteilsfrei zu handeln, hilft enorm! Auch das Wissen über Stereotype hilft, die Kraft negativer Erwartungen zu vermindern. Bei Bewerbungsunterlagen oder schriftlichen Leistungsbewertungen kann man die Personeninformationen vom Inhalt trennen (z.B. den Namen wegknicken oder abdecken) und den Inhalt unabhängig bewerten. Ansonsten hilft vielleicht auch eine Portion Humor: seien Sie sich ihrer „Bilder im Kopf“ zu „den Kevins und Ingeborgs“ der Welt bewusst, lachen Sie innerlich über Ihre Menschlichkeit und betrachten die jeweiligen Menschen trotzdem mit einem frischen, neugierigen Blick. Alle können sie klug oder dumm, attraktiv oder langweilig, sozial oder aggressiv sein. Lassen Sie sich überraschen.

Literatur:
Rudolph, U., Böhm, R. & Lummer, M. (2007). Ein Vorname sagt mehr als 1000 Worte. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 38, 17-31.
Harari, H., & McDavid, J. W. (1973). Name stereotypes and teachers’ expectations. Journal of Educational Psychology, 65, 222-225.
Kaiser, A. (2010). „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose!“ Der Vorname in der Grundschule: Klang-, Mode- oder Reizwort? Die Grundschulzeitschrift, 24, 26-29.