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Das ist doch paradox! So bringen Sie paradoxe Anforderungen ins Gleichgewicht

Paradoxe Anforderungen sind Teil unserer Arbeit – wir müssen lernen, sie als solche zu akzeptieren und konstruktiv zu nutzen. Sinnstiftung wird dabei zur zentralen Führungsaufgabe.

Paradoxe Anforderungen sind Teil unserer Arbeit – wir müssen lernen, sie als solche zu akzeptieren und konstruktiv zu nutzen. Sinnstiftung wird dabei zur zentralen Führungsaufgabe.

wissens.blitz (183)

Paradoxe

Wir alle sind in unserer täglichen Arbeit mit paradoxen Anforderungen konfrontiert: Organisationale Prozesse und Regeln müssen eingehalten werden, gleichzeitig erfordern neue Entwicklungen wie die Digitalisierung schnellere und flexiblere Abläufe. Führungskräfte fragen sich, wie sie ihren Mitarbeitenden ausreichend Freiräume zur persönlichen Entfaltung geben können, während sie gleichzeitig die notwendige Kontrolle über die Erreichung gemeinsamer Ziele behalten. Mitarbeitende sollen einerseits schnell Ergebnisse erzielen, andererseits immer eine hohe Qualität der Arbeitsergebnisse erreichen.

Das sind Beispiele für paradoxe Anforderungen – also widersprüchliche, jedoch miteinander verbundene Anforderungen, die gleichzeitig auftreten und über die Zeit hinweg bestehen bleiben (siehe wissens.blitz 131). Paradoxe eröffnen einerseits Möglichkeiten für Innovation, erzeugen jedoch auch Spannungen. Wenn Mitarbeitende mit der Ambivalenz und Unsicherheit unter paradoxen Anforderungen nicht effektiv umgehen können, äußert sich das oft in Frustration und Widerstand.

Das Modell des dynamischen Gleichgewichts

Das Modell des dynamischen Gleichgewichts von Smith und Lewis (2011) geht davon aus, dass die paradoxen Spannungen den Akteuren zu Beginn nicht bewusst sind. Oftmals werden Paradoxe erst dann erkennbar, wenn Ressourcen – wie Zeit und Geld – knapp sind.

In einem ersten Schritt geht es also darum, paradoxe Spannungen zu identifizieren und diese als solche zu akzeptieren. Da eine einfache „Lösung“ des Paradoxes nicht möglich ist, sollten in einem zweiten Schritt die paradoxen Anforderungen getrennt voneinander betrachtet werden. Durch diese Differenzierung wird das Paradox klarer und die empfundene Spannung verständlicher. Häufig erkennt man jetzt, dass es keine Option ist, nur eine der Anforderungen zu erfüllen, die Anforderungen müssen integriert werden, d.h. in eine dynamische Balance gebracht werden. Es müssen „sowohl/als auch“ Strategien gefunden werden, die einfachen „entweder/oder“ Lösungen überlegen sind. Ziel ist es also, eine Balance zwischen den Anforderungen zu finden und zu erhalten.


Umgang mit Paradoxen:

  1. Akzeptieren: Paradoxe Anforderungen identifizieren und als Herausforderung und Chance annehmen
  2. Differenzieren: Welchen Nutzen hat jede der Anforderungen für sich betrachtet? Was sind Vorteile, wenn sie erfüllt werden? Was sind Nachteile und Risiken, wenn sie nicht oder zu einseitig erfüllt werden?
  3. Integrieren: Wie können die paradoxen Anforderungen in eine dynamische Balance gebracht werden, die allen Anforderungen gerecht wird und Synergien im Sinne von ganz neuen, überlegenen Lösungen zwischen ihnen hervorbringt??

Die Rolle der Führungskraft

Führungskräfte können ihre Mitarbeitenden nicht vor paradoxen Anforderungen „bewahren“. Es ist daher eine zunehmend wichtiger werdende Führungsaufgabe die Mitarbeitenden für den Umgang mit paradoxen Anforderungen zu befähigen und zu motivieren.

Dabei scheint es zentral, dass Führungskräfte den Sinn hinter paradoxen Anforderungen erläutern und ihnen mit ihrem eigenen Verhalten ein Vorbild sind, wie der Umgang mit Paradoxen konstruktiv gestaltet sein kann. Macht die Führungskraft den Mitarbeitenden klar, warum es beispielsweise wichtig ist, schnell und effizient zu arbeiten und gleichzeitig hohe Qualität zu erreichen und zeigt mit ihrem Vorbild Wege dafür auf, sind Mitarbeitende motiviert, ebenfalls nach einer Balance zwischen diesen Anforderungen zu streben. Sinnstiftung wird folglich zur zentralen Führungsaufgabe.

Literaturnachweis: Smith, W. K., & Lewis, M. W. (2011). Toward a theory of paradox: A dynamic equilibrium model of organizing. Academy of Management Review, 36, 381–403. Smith, W. K., Lewis, M. W., & Tushman, M. L. (2016). “Both/and” leadership. Don’t worry so much about being consistent. Harvard Business Review, 63–70. Zhang, Y., Waldman, D. A., Han, Y.-L., & Li, X.-B. (2015). Paradoxical leader behaviors in people management: Antecedents and Consequences. Academy of Management Journal, 58, 538–566

Zitieren als: Sparr, J. (2017). Das ist doch paradox! So bringen Sie paradoxe Anforderungen ins
Gleichgewicht. wissens.blitz (183). https://wissensdialoge.de/paradox