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Knowledge Jam: Wissen ist Macht

Beim ersten “Knowledge Jam: Wissensmanagement im Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis” auf der i-Know 2011 in Graz wurde u.a. das Thema “Wissen ist Macht” diskutiert.
Inspiriert wurde die Diskussion durch einen Impulsvortrag im Pecha kucha Stil, der die motivationalen Aspekte des Wissensaustausches thematisierte (basierend auf Cress & Kimmerle, 2010).
Ziel der Diskussion war es, praktische Lösungen zu diskutieren, wie man die Motivation zum Teilen von Informationen erhöhen kann, auch wenn der Mitarbeiter dadurch Teile seiner Informationsmacht aufgibt und sich dadurch ersetzbar macht.

Wissensaustausch kann nach Cress und Kimmerle als ein Informationsaustauschdilemma gesehen werden: Für den einzelnen Mitarbeiter ist es am besten, wenn er sein Wissen nicht teilt, während alle anderen Mitarbeiter ihr Wissen teilen. Handeln aber alle Mitarbeiter auf diese Weise, wird kein Wissen geteilt, und die Arbeitsweise der Organisation ist stark beeinträchtigt.

wissen_ist_machtHauptdiskussionpunkte waren

  1. Ist Machtverlust wirklich ein reales Problem?
  2. Der Einfluss der Organisationskultur (insb. bezüglich der positiven Reputation beim Teilen und Zurückhalten von Wissen)
  3. Die Fertigkeit Wissen auch weitergeben zu können

1. Ist Machtverlust wirklich ein reales Problem?

In der Diskussion wurde zunächst der angenommene Machtverlust durch Weitergabe der eigenen Expertise kritisch hinterfragt und als relativ alte “Urangst” bezeichnet. Die Art/Rolle des Wissens wurde von den Teilnehmern als entscheidend betrachtet – Wissen ist nur mit Macht verbunden, wenn es gefragt und anwendbar ist. Diskutiert wurde u.a. ob nicht zentral ist, was mit dem geteilten Wissen passiert, d.h. es ist vielmehr eine Frage von Vertrauen ob man sein Wissen teilt, nicht nur wenn es um Fehler geht.

2. Der Einfluss der Organisationskultur

Förderung von Teilungsverhalten von Anfang an

Die Rolle der Organisationskultur für den Wissensaustausch wurde in unserer Diskussion oft thematisiert. Erfolgreicher Wissensaustausch beginnt schon mit der Sozialisation der Mitarbeiter, die im Trainings- oder Onboarding-Programm zum Wissensaustausch ermutigt werden sollten.

positive Reputation durch Teilen und Zürückhalten von Wissen

Insbesondere die Rolle der Organisationskultur für die Reputation eines Mitarbeiters wurde diskutiert: Sowohl das Teilen von Wissen als auch das Zurückhalten von Wissen kann zu einer positiven Reputation führen. Personen können eine positive Reputation dadurch bekommen, dass sie Wissen teilen und anderen helfen, selbst auf die Lösung zu kommen bzw. diese selbständig anzuwenden (instrumentelle Hilfe). Personen können aber auch eine positive Reputation bekommen, indem sie zwar Probleme lösen, das Wissen zur Lösung des Problems aber nicht weitergeben, z.B. um als “Zauberer” dazustehen oder zumindest von ihren Kollegen positiv abzuheben. In einigen Organisationen wird auch das zweite Verhalten von Vorgesetzten toleriert, obwohl der Mitarbeiter dadurch eine hohe Informationsmacht gewinnt und sich das Unternehmen von der Anwesenheit des Mitarbeiters abhängig macht. In einer solchen Organisationskultur werden diese „Zauberer“ toleriert, anstatt sie für die Zurückhaltung ihres Wissens zu sanktionieren.

positive Reputation trotz „einfacher“ Lösung

Diskutiert wurde u.a., ob das Nichterklären der Lösung nicht nur aus Machtinteresse (gegenüber gleichrangigen Mitarbeitern oder sogar der gesamten Organisation) gezeigt wird, sondern auch darin begründet ist, dass viele Lösungen im Nachhinein einfach sind. Wenn die Lösung bekannt ist und diese auch einfach ausführbar ist, wirken viele Probleme rückblickend banal und die Lösung offensichtlich. Alltagsbeispiele sind die Diskussionen nach dem (Fussball-)Spiel, warum es klar war, warum der tatsächliche Verlierer verlieren musste (vor dem Spiel war das oft keineswegs so “klar”), oder das berühmte Beispiel vom Ei des Kolumbus. Hier wäre eine Lösung, andere Mitarbeiter erst einmal selbständig versuchen lassen, das Problem zu lösen. Scheitern diese, kann nachher niemand mehr sagen, dass das Problem einfach zu lösen war. Die Ausführung der Lösung mag einfach gewesen sein, aber auf diese (einfache) Lösung zu kommen ist die Leistung, die weiterhin Anerkennung verdient und die nachweislich nicht einfach war.

3. Die Fertigkeit Wissen auch weitergeben zu können

Ein dritter diskutierter Aspekt betraf die Fertigkeit zum Weitergeben von Wissen (siehe dazu wissens.blitz 37: Wissensspirale: Von implizit zu explizit). Selbst wenn ein Mitarbeiter sein Wissen weitergeben möchte, ist dies keinesfalls trivial. Komplexe mentale Modelle über Prozessabläufe lassen sich nur schwer verbalisieren, und die konkreten Handlungen sind ohne das dahinterliegende Modell schwer zu verstehen. Auch haben Personen oft falsche Vorstellungen über ihr eigenes Verhalten (“er macht es anders, als er es erklärt”) und intuitive Entscheidungen (“das sieht richtig/falsch aus”) können schwer vermittelt werden.

Als mögliche Lösungen wurden vorgeschlagen: andere zusehen zu lassen anstatt zu erklären; den gesamten Sachverhalt zu erzählen („story telling“), um persönliche Schlussfolgerungen der Zuhörer zu erlauben; sowie den Fokus auf die Empfängerrolle zu legen. Der Empfänger sollte das Wissen aufschreiben bzw. nach Weitergabe der Informationen das Wissen auch demonstrieren. Auch wurde die Verwendung von Patterns, um Wissen gemeinsam weiterzuentwickeln, als möglicher Lösungsansatz genannt.

Literatur

Cress, U., & Kimmerle, J. (2010). Wissensaustausch als motivationales Problem – Resultate eines empirischen Forschungsprogramms. In H. Risku & M. Peschl (Eds.), Kognition und Technologie im kooperativen Lernen: Vom Wissenstransfer zur Knowledge Creation (pp. 57-76). Göttingen: Vienna University Press / V&R Unipress.